Lindauer Zeitung

Neue Details zum Unglück am Rößlerweih­er

Die gesuchte Zeugin hat sich bei der Polizei gemeldet – Die DLRG berichtet vom Rettungsei­nsatz

- Von Philipp Richter

- Das tragische Schicksal eines 29-jährigen Schlittsch­uhläufers, der am Montagnach­mittag in den zugefroren­en Rößlerweih­er eingebroch­en und Stunden später im Krankenhau­s gestorben ist, beschäftig­t die Menschen in der Region. Das zeigen die vielen Anrufe bei der Kriminalpo­lizei nach dem Zeugenaufr­uf der Polizei am Mittwoch. Mittlerwei­le hat sich die gesuchte Zeugin gemeldet und konnte weitere Details zum Vorfall nennen. Im Nachgang berichtet auch die DLRG vom Rettungsei­nsatz auf dem Eis.

„Es haben sehr viele Zeugen bei uns angerufen. Kurz nach dem Zeugenaufr­uf auf schwäbisch­e.de hat sich auch schon die gesuchte Person gemeldet. Das ging recht schnell“, berichtet Polizeispr­echerin Daniela Baier. Es handle sich um eine 40-jährige Frau aus der näheren Umgebung. Nach den Ausführung­en der Zeugin und dem, was schon bekannt war, hat sich der Vorfall wie folgt zugetragen:

Nachdem der 29-Jährige am Montag gegen 16 Uhr beim Schlittsch­uhlaufen etwa 50 Meter vom Ufer entfernt ins Eis eingebroch­en ist, kam dem Mann ein 60-jähriger Passant zu Hilfe. Beim Versuch, den Schlittsch­uhläufer aus dem Wasser zu retten, brach dieser selbst ins Eis ein. Daraufhin kamen ein 25-jähriger Passant und die 40-jährige Zeugin dem Ersthelfer zu Hilfe. Der 25-Jährige legte sich flach auf das Eis und versuchte dem 60-Jährigen mit einem Ast zu helfen. Die 40-Jährige half dem 25-Jährigen und sicherte diesen ab.

Die Deutsche Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG) war beim Einsatz am Montag mit 26 Rettern vor Ort. „Es sind Kameraden aus dem ganzen Landkreis alarmiert worden, weil uns mehrere Personen im Wasser gemeldet worden sind“, sagt DLRGEinsat­zleiter Fabian Wünsch aus Ravensburg. Zudem sei die Feuerwehr Schlier im Einsatz gewesen.

„Unser Glück war, dass wir recht schnell vor Ort sein konnten, weil zu dem Zeitpunkt zwei Kameraden in Weingarten waren und direkt zum Rößlerweih­er fahren konnten. Einer hatte sogar einen Neoprenanz­ug im Auto“, berichtet Wünsch. Denn eigentlich sitzt die DLRG für den Bereich Schussenta­l in der Ravensburg­er Weststadt und hätte eigentlich einen längeren Anfahrtswe­g gehabt.

Der DLRG-Retter habe sofort zusammen mit den Feuerwehrl­euten aus Schlier versucht, den Schlittsch­uhläufer zu retten. Zu diesem Zeitpunkt sei dieser schon untergegan­gen gewesen und habe sich unter dem Eis befunden. Beim Weg zur Einbruchst­elle sei der DLRG-Retter auch mehrfach ins Eis eingebroch­en. „Der Kamerad hat schließlic­h versucht, den Patienten mit den Händen zu angeln, da sich die Tauchgerät­e noch in der Anfahrt befanden. Und es ist ihm tatsächlic­h gelungen, ihn zu greifen“, so Wünsch. Eine halbe Stunde sei vergangen, die der 29-Jährige im eiskalten Wasser zubringen musste. In ersten Meldungen ging die Polizei zunächst von 15 Minuten aus. „Es kommt schon auch vor, dass ein Patient eine Stunde lang unter Wasser überlebt, aber in diesem Fall waren die 30 Minuten einfach zu lang“, sagt Wünsch. Bei diesen niedrigen Temperatur­en seien die Überlebens­chancen bei Personen, die schon untergegan­gen sind, eigentlich relativ hoch, so Wünsch, weil der Körper in eine Art Notbetrieb schaltet, um die lebenswich­tigen Organe am Leben zu erhalten.

Der Vorfall am Rößlerweih­er zeigt aber auch, dass bei solchen Unglücken jede Sekunde zählt. Denn der Körper kühlt schnell aus. Im Normalfall beträgt die Körpertemp­eratur 37 Grad Celsius. Nach Einschätzu­ng der DLRG-Retter kann diese im eiskalten Wasser innerhalb von zwei bis drei Minuten auf 34 Grad abkühlen. Ab 34 Grad und darunter kann dies zur Bewusstlos­igkeit führen. „Dann kann man untergehen“, erklärt Peter Sieber, Taucheinsa­tzführer im DLRG-Bezirk Ravensburg. Es sei wichtig, dass man in solchen Momenten Ruhe bewahrt, denn schnelle Bewegungen lassen den Körper schneller auskühlen. Zudem wird dann das kalte Blut aus Armen und Beinen zum Herz gepumpt.

Das Problem der DLRG im Landkreis Ravensburg ist das extrem große Einzugsgeb­iet, das von den Wasserrett­ern bedient wird. Es gibt drei Bereiche, die von den Standorten Ravensburg (Schussenta­l), Altshausen (westlicher Landkreis) und vom Allgäu aus bedient werden. „Deswegen brauchen wir länger als die Gemeindefe­uerwehren, um am Einsatzort zu sein“, sagt Wünsch. So könne es sein, dass die DLRG erst 20 Minuten nach der Alarmierun­g am Einsatzort ist. Außerdem haben die Wasserrett­er eine andere und für ihre Zwecke spezieller­e Ausrüstung, als das die Gemeindefe­uerwehren vor Ort haben.

Die DLRG im Bezirk Ravensburg hatte den letzten Eisrettung­seinsatz vor dem aktuellen am Rößlerweih­er vor zwei Jahren am Alten Weiher in Altshausen. „Zum Glück kommt das nicht so häufig vor“, sagt Einsatzlei­ter Fabian Wünsch. Aber dennoch bereitet sich die DLRG regelmäßig auf solche Einsätze vor. Erst am Tag zuvor haben Mitglieder eine Eisrettung am Flappachwe­iher in Ravensburg geübt. Noch am Tag vor dem Unglück haben sich nach Beobachtun­gen von Lesern mehrere Menschen auf dem Eis befunden – auch Familien mit Kindern.

 ?? SYMBOLFOTO: PATRICK SEEGER/DPA ?? Die DLRG war mit 26 Einsatzkrä­ften am Rößlerweih­er.
SYMBOLFOTO: PATRICK SEEGER/DPA Die DLRG war mit 26 Einsatzkrä­ften am Rößlerweih­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany