So soll Lindau bald klimaneutral werden
Neuer Klimabeirat tagt zum ersten Mal – Zwölf Mitglieder aus Wirtschaft, Politik und Forschung
- In den kommenden 15 Jahren soll Lindau klimaneutral werden. Damit die Stadt dieses ambitionierte Ziel umsetzen kann, gibt es jetzt einen Klimabeirat. Bei dessen erster Sitzung am Donnerstagabend machen die Mitglieder deutlich: Sie wollen nicht über den Klimaschutz debattieren. Sie wollen handeln.
Dass Lindau einen Klimabeirat bekommen soll, hat der Stadtrat vor einem guten halben Jahr einstimmig beschlossen. Der Rat besteht aus zwölf Mitgliedern, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen. Dazu kommen sechs Stadträte der FDP, SPD, Bunten Liste und CSU, die aber normalerweise nur Zuschauer der öffentlichen Sitzungen sein sollen. Denn der Beirat soll den Stadtrat in Zukunft in Klimafragen beraten und Projekte vorschlagen.
Alle Anwesenden am Donnerstagabend eint, dass sie den Klimaschutz in der Stadt aktiv anpacken möchten. Zumindest beteuern die Mitglieder des Gremiums in ihrer ersten Sitzung einhellig, dass sie sich weniger mit Gutachten und „Papierkram“als viel mehr mit konkreten Projekten beschäftigen wollen.
Der Klimawandel sei für sie keine Glaubensfrage, eröffnet Oberbürgermeisterin Claudia Alfons die Runde, „sondern eine objektive Herausforderung, der wir uns stellen müssen“. Und der Kampf gegen den Klimawandel
werde nur gelingen, wenn die Kommunen darauf Einfluss nehmen. Positiver Nebeneffekt: Aktiver Klimaschutz könne für Lindau auch ein Standortvorteil werden, der die Stadt gerade für junge Menschen attraktiv macht.
Die Stellschraube, an der gedreht werden muss, ist der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2), das macht Danielle Eichler, Klimaschutzmanagerin der Stadt, ganz deutlich. Der größte Anteil von CO2 entsteht beim Verkehr und in der Wirtschaft. 13 Prozent des CO2-Ausstoßes kommt von privaten Haushalten.
Klar ist: Das beste Klimaschutzkonzept bringt nichts, wenn die Bürger nicht mitmachen. Zumal es da in Lindau noch Luft nach oben gibt. „Nur ein Prozent der Lindauer fahren mit Elektroantrieb. Der Bundesdurchschnitt liegt bei vier Prozent“, berichtet Dr. Kerstin Koenig-Hoffmann vom Energie-und Umweltzentrum Allgäu. Sie berät die Stadt schon seit einigen Jahren für den European-Energy-Award, den Lindau mittlerweile in Gold hat. Auch Photovoltaik-Anlagen muss man auf Lindaus Dächern lange suchen.
Das Engagement ihrer Bürger kann eine Stadt vergleichsweise einfach erzwingen. „In Tübingen wird kein Haus genehmigt, ohne Photovoltaik-Anlage“, sagt Prof. Dr. Werner Tillmetz. Die Stadt Tübingen hat sich zum Ziel gesetzt, bereits in zehn Jahren
„Es gibt in Lindau unendlich viele Dachflächen für Photovoltaik“,
Landwirt Dr. Peter Triloff
klimaneutral zu sein. Das lässt sie sich auch etwas kosten: Der öffentliche Nahverkehr zum Beispiel ist dort kostenlos und fährt mit Strom statt mit Benzin.
Der Lindauer Klimabeirat will seine Ziele aber nicht nur mit Verordnungen und Beschlüssen, sondern mit einem ausgewogenen Mix aus Zuckerbrot und Peitsche erreichen. Lindau könne sich zum Beispiel am „Wattbewerb“, einem deutschlandweiten Solar-Wettbewerb beteiligen, sagt der Landwirt Dr. Peter Triloff. „Es gibt in Lindau unendlich viele Dachflächen für Photovoltaik.“Oder die Stadt macht es wie Tübingen und zahlt allen eine Prämie, die ihre stinkende Vespa gegen ein E-Bike austauschen. Aber auch die Verwaltung selbst kann mit gutem Beispiel vorausgehen und einiges tun, um CO2 einzusparen. So sollte die Stadt bei neuen Fahrzeugen nur noch NullEmissions-Fahrzeuge anschaffen, findet Werner Tillmetz. Hilmar Ordelheide, der Bauamtsleiter Kay Koschka vertritt, weist darauf hin, dass die Stadt beim Neubau von Gebäuden weit in die Zukunft denken solle. „Oft muss nach fünf bis zehn Jahren wieder umgebaut werden“, sagt er. „Und wenn ich umbaue, entsteht CO2-Ausstoß.“
Wohin die Reise gehen soll, das ist am Donnerstagabend nach knapp zwei Stunden grundsätzlich klar. Etwa bis 2035 soll Lindau klimaneutral sein. Auf dem Weg dorthin möchten die Mitglieder neben den größeren vor allem viele kleinere Projekte umsetzen, die ohne großen Aufwand machbar sind. „Es sind manchmal die kleinen Dinge, die etwas bewegen“, sagt Rainer Hoffmann vom Amt für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft.
Voller Tatendrang will sich der Beirat schon früher als geplant zur nächsten Sitzung treffen. Welche Projekte am Ende tatsächlich umgesetzt werden, das entscheidet allerdings der Stadtrat.
Die nächste Sitzung des Klimabeirats ist am Donnerstag, 15. April.