Lockerungen trotz Mutationsgefahr in Sicht
Bayerns Ministerpräsident hält Erleichterungen für Regionen mit niedriger Infektionsbelastung für vertretbar
- Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hält Erleichterungen beim Lockdown für Regionen mit anhaltend niedriger Infektionsbelastung trotz der Gefahr von immer mehr Virusmutationen für möglich. Dort, wo die Infektionszahlen „dauerhaft“bei einem Inzidenzwert von unter 35 pro 100 000 Einwohner und Woche bleiben, könnte es in einem „nächsten Schritt“mehr Präsenzunterricht an den Schulen, Öffnungen des Einzelhandels mit FFP2-Maske und Quadratmeterbegrenzung sowie Lockerungen bei den privaten Kontakten geben, sagte Söder vor einer Schaltkonferenz des CSU-Vorstands am Montag in München. Dann könnte man auch wieder erlauben, dass sich bis zu fünf Personen aus zwei Hausständen treffen.
Außerdem kann sich Söder vorstellen, dass in Niedrig-Inzidenz-Gebieten neben den Friseuren auch andere „körpernahe Dienstleister“ihre Tätigkeit wieder aufnehmen können. Auf der Prioritätenliste des Ministerpräsidenten für Öffnungen stehen zudem Gärtnereien, Gartenmärkte und Blumenläden mit ihren verderblichen Frühjahrswaren ganz oben. Er wolle nicht, dass dieses Geschäft ausschließlich bei Discountern stattfinde, so Söder. Gastronomie und Hotellerie könnten dagegen erst „deutlich später“mit Öffnungen rechnen, weil die Masken- und Abstandsgebote dort schwerer einzuhalten seien.
Mit diesen Öffnungsperspektiven für Regionen mit anhaltend niedriger Inzidenz unter 35 nimmt der Ministerpräsident ein gewisses Maß an innerbayerischem Tourismus in Kauf. „Das wird man nicht ganz abstellen können“, sagte Söder. Den Landkreisen mit immer noch sehr hohen Infektionszahlen wie Wunsiedel und Tirschenreuth versprach Söder Extrahilfen des Freistaats. Wenn die Gesundheitsministerkonferenz dafür grünes Licht gebe, sollten diese
Landkreise mit Extrarationen des Impfstoffs von Astra-Zeneca versorgt werden. Söder sprach von etwa 1000 zusätzlichen Impfdosen pro Landkreis. Außerdem sollen dort weitere Testkapazitäten geschaffen werden. Bei der Bekämpfung der besonders hohen Ansteckungszahlen in grenznahen Kreisen werde Bayern mit Sachsen zusammenarbeiten und auch Thüringen anbieten, bei einem „einheitlichen Vorgehen“mitzumachen.
Für die weitere Bekämpfung der Pandemie hält Söder „Millionen Schnelltests pro Tag“für erforderlich. Damit könnten sich viel mehr Möglichkeiten eröffnen. Allerdings müsse man Wege finden, die Ergebnisse der Tests „administrierbar“zu machen, sodass sie im täglichen Leben Beweiskraft entfalten und mehr Freiheit bringen könnten. Dabei brachte Söder eine digitale App für Schnelltests ins Gespräch. Die bestehende Corona-Warn-App sei zwar besser als ihr Ruf, aber „noch nicht annähernd so gut, wie sie sein sollte“.
Um die jetzt erwarteten größeren Mengen an Impfstoffen zu verwenden, müssten die Impfzentren erweitert und ein Konzept mit den Ärzten erstellt werden, sagte Söder. Auf keinen Fall dürfe Impfstoff liegen bleiben. Der Ministerpräsident zeigte sich zudem offen gegenüber einem vorgezogenen Impfangebot für Lehrer und Erzieher.
Das Voranschreiten der britischen Mutationsvariante des Virus in Bayern hält Söder für die wahrscheinlichste Ursache, dass sich die Infektionszahlen im Land seit Tagen kaum noch verringern. Inzwischen werde diese Mutation bei 28 Prozent der Corona-Infektionen festgestellt. Wenn sich die Mutation – wie von den Wissenschaftlern vermutet – als dominante Form durchsetze, werde es eine „große Herausforderung“, Wünsche nach Sicherheit einerseits und nach Erleichterungen in die richtige Balance zu bringen. Es bestehe die reale Gefahr einer dritten Welle.