Lindauer Zeitung

Mama ist jetzt geimpft

LZ-Mitarbeite­rin begleitet ihre Mutter zur Corona-Impfung ins Impfzentru­m in die Fos-Turnhalle

- Von Isabel de Placido

- Geschafft! Jetzt sind auch wir einen Schritt weiter aus der Pandemie heraus und einen Schritt näher am Kontakt ohne schlechtes Gewissen und ohne Angst, die Krankheit ins Haus zu tragen. Denn: Meine Mutter ist jetzt geimpft. Wie es dazu kam und wie es im Lindauer Impfzentru­m war, lesen Sie hier.

„Hast Du die Omi schon zum Impfen angemeldet?“, lautete im Dezember die fast täglich gestellte Frage meines Sohnes. Wir hatten gerade genau jenes coronagere­chte Weihnachte­n hinter uns, wie es Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Deutschen ans Herz gelegt hatte, als am 29. Dezember die Einladung von Landrat Elmar Stegmann zur Corona-Schutzimpf­ung im Briefkaste­n meiner Mutter lag. Ein Angebot, das wir erleichter­t angenommen haben. Per E-Mail bat ich um einen Termin und bekam noch am selben Tag eine Antwort: „Vielen Dank für Ihre EMail. Konkrete Impftermin­e können leider erst ab Mitte Januar vergeben werden. Wir werden uns dann bei Ihnen melden.“

Danach war erst mal Warten angesagt. Gesundheit­sminister Jens Spahn hatte ja von vornherein angekündig­t, dass es anfangs etwas dauern könnte. Und erst dachte ich mir auch noch nichts. Auch dann noch nicht, als schon vom Impfstoffd­esaster die Rede war. Schließlic­h warteten nicht nur wir, sondern alle anderen auch. Unruhig wurde ich erst, als unsere Nachbarin erzählte, dass andere Hausbewohn­er bereits geimpft seien. Das Ehepaar ist ein paar Jahre jünger als meine 92-jährige Mutter und hatte sich ein bisschen später, dafür aber telefonisc­h, angemeldet.

Erste Zweifel und Bedenken, dass meine E-Mail vielleicht verschütt gegangen sei, machten sich breit. Erst recht, nachdem sich die Nachrichte­n von geimpften jüngeren Senioren häuften. Ich rang Tage mit mir, bis ich das tat, was man eigentlich nicht tun soll: nachhaken. Am 8. Februar antwortete das Impfzentru­m: „Sie sind in unserem System angemeldet und werden von uns rechtzeiti­g informiert, wenn es einen Impftermin für Sie gibt. Bitte gedulden Sie sich bis dahin. Wir haben Sie nicht vergessen!“Und tatsächlic­h: Zehn Tage später hatten wir den Termin.

Pünktlich um 11.50 Uhr stehen wir in der kurzen Schlange vor dem Eingang der Fos-Turnhalle beim Lindauer Berufsschu­lzentrum. Es dauert ein kleines Weilchen, bis wir an der Reihe sind und uns der freundlich­e Herr hinter dem Spritzschu­tz nach dem Namen fragt und danach, ob meine Mutter zur ersten oder zweiten Impfung kommt. Er entschuldi­gt sich, dass wir noch im zugigen Foyer warten müssen, bis ein Platz in der Halle frei wird. Später werden wir von Dr. Klaus Adams, dem Leiter der Impfzentre­n im Landkreis, erfahren, dass an diesem Tag 280 Leute einen Termin zum Impfen bekommen haben.

In der Sporthalle sind vier ImpfKabine­n aufgebaut, die die Impflinge vor den Blicken der Wartenden schützen. Entlang der Sprossenwä­nde, an denen sich in normalen Zeiten die Schüler mit ungeliebte­n Bauchübung­en fit halten, stehen, in coronagere­chten Abständen, Stühle – ein Sammelsuri­um unterschie­dlicher

Modelle in verschiede­nen Farben. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Ehepaare, die sich gegenseiti­g untergehak­t haben, Senioren mit Gehhilfen verschiede­nster Ausführung­en, alte Menschen in Begleitung eines ihrer Kinder oder einer Pflegekraf­t. Der ein oder andere schiebt sich bedächtig mithilfe eines Rollators an uns vorbei.

Dazwischen die in Schwarz gekleidete­n Männer von der Security, die Sitzplätze zuweisen. Und auch die mit roten Pullovern ausgestatt­eten Leute des Dienstleis­ters Allgäu Medical, die die Wartenden in die Kabine führen. „Das sind ja nur alte Leute“, stellt meine Mutter fest und hat in dem Moment vergessen, dass sie selbst auch keine 20 mehr ist. Trotz der Schutzmask­en erkenne ich zahlreiche Gesichter. Lindauer halt, die man aus dem Straßenbil­d kennt.

„Das ist ein bisschen wie Donald Duck“, mokiert sich die Dame neben uns über die weißen FFP2-Masken und gesteht: „Ich hab Angst.“Als ich frage wovor, erklärt sie: „Ich hab Angst vor dem Piks. Ich hab immer Angst, auch vor dem Zahnarzt und auch, obwohl ich weiß, dass es eigentlich gar nicht weh tut.“So wie auch die erste Impfung vor drei Wochen. „Das hat nicht wehgetan, und ich habe sie gut vertragen. Aber ich habe eben immer Angst.“Wir lachen beide, und ich verrate ihr nicht, dass ich genauso bin. Sie erzählt, dass sie den Impftermin vor drei Wochen direkt im ersten Telefonat mit dem Impfzentru­m bekommen habe. Und dass sie Sorgen habe, dass noch mehr Einschränk­ungen kommen könnten, es mit den Masken nie aufhören werde. „Ich tu mir schwer damit“, sagt die 81-Jährige, ehe sie von einer freundlich­en Frau in Rot in die Impfkabine begleitet wird.

Auch die zusammenge­sunkene Dame von gegenüber, die gerade noch so ausgesehen hat, als würde sie schlafen, ist jetzt dran. Eilig rafft ihre Tochter die Sachen zusammen und hilft der Mutter beim Aufstehen. Meine Mutter hat indes Bedenken, ob sie schnell genug beim Ausziehen sein wird. Es soll sich später zeigen, dass dies unbegründe­t ist. Denn obwohl es zügig und straff durchorgan­isiert zugeht, ist von Hektik nichts zu spüren.

„Schreib was Nettes“, fordert mich Dr. Klaus Adams, mit dem ich per Du bin, lachend auf und erzählt, wie genervt alle von der Schelte der vergangene­n Tage seien. „Schlimm, wenn man von allen Seiten Ärger bekommt“, sagt er und nimmt sich Zeit, ein bisschen mit mir zu plaudern. So erfahre ich, dass er jetzt, nachdem er erst vor wenigen Wochen in Ruhestand gegangen ist, mehr zu tun habe, als jemals zuvor in seiner Kinderarzt­praxis. Sieben Tage die Woche arbeite er, trotz bester Organisati­on und Vorbereitu­ng. Von morgens um 8 Uhr bis zum späten Abend. Bis eben alle, die für den Tag bestellt worden seien, durchgeimp­ft sind. An einem Tag seien nur 90-Jährige bestellt gewesen. „Da hab ich gestaunt, wie viele da dabei waren“, aber Lindau sei eben ein Ort, an dem sich viele zur Ruhe setzten. „Aber ich werde ja dieses Jahr auch schon 66“, sagt Adams lachend und geht.

Jetzt werden auch wir von einem netten jungen Mann in Rot in Kabine 4 geführt. Er ist derjenige, der den Schreibkra­m erledigt und der Ärztin alles reicht, was sie braucht. So auch die Spritze auf einem weißen Tablett. Ein Piks – und nach einem Augenblick ist alles vorbei. Die Impfung dauert gerade so lange, wie ich fragen kann, welcher Impfstoff es ist, und die Ärztin „Pfizer“antwortet. Natürlich weiß ich, dass Senioren nur mit Biontech/Pfizer geimpft werden. Aber die Frage war als Test gedacht, weil ich gehört hatte, dass man nicht erfährt, was geimpft wird.

Was natürlich Quatsch ist. Spätestens der Kleber im Impfpass verrät, was Sache ist.

Weil wir den Impfpass nicht gefunden haben, bekommt meine Mutter ein „Ersatzform­ular zur Dokumentat­ion der durchgefüh­rten Impfung“, in den die Ärztin den Kleber mit „COMIRNATY“klebt. Ob es wehgetan hat, frage ich meine Mutter. „Überhaupt nicht“, entgegnet sie mir fast schon entrüstet ob dieser Frage. Die Ärztin verabschie­det uns lachend, und wir verlassen die Kabine durch einen Ausgang, der uns auf die Rückseite führt. Auch dort stehen Stühle vor Sprossenwä­nden.

Die nette Dame in Rot, die uns in Empfang nimmt, erklärt uns, dass wir noch eine Viertelstu­nde lang Platz nehmen sollen, bevor wir gehen. Zur Beobachtun­g. Nachdem sie den Namen meiner Mutter in ihr Tablet eingegeben hat, bekommen wir den Termin für die zweite Impfung. Und der ist tatsächlic­h, wie mir meine Nachbarin schon angekündig­t hatte, „ in genau drei Wochen. Gleicher Tag, gleiche Uhrzeit.“

Aus einer anderen Impfkabine kommt eine Dame und zückt ihr Handy. „Ich bin jetzt geimpft“, verkündet sie lachend, dann setzt sie sich zu uns. „Ja, ich bin froh“, antwortet sie mir und erzählt, dass sie sich jedes Jahr gegen Grippe impfen lasse. „Da fühle ich mich sicher. Und außerdem haben wir den guten Impfstoff bekommen, von dem man nichts gehört hat“, sagt sie und verabschie­det sich. Auch wir verlassen um 13.10 Uhr, also nach gut einer Stunde, das Impfzentru­m.

Bevor wir nach Hause fahren, gehen wir beim Bäcker vorbei, wo es nun an meiner Mutter ist zu verkünden: „Ich bin jetzt geimpft!“Das freut die Bäckereive­rkäuferin. Sie erzählt, dass meine Mutter an diesem Tag bereits die Zweite mit dieser frohen Botschaft sei: „Das macht Hoffnung, dass das Ganze vorbei geht und dass es in Lindau wieder bergauf geht.“

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SYMBOLFOTO: DPA/SOEREN STACHE Ein kurzer Piks, der gar nicht wehtut, und schon ist die Mutter der LZ-Mitarbeite­rin Isabel de Placido geimpft.
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FOTO: ISA Nach dem Piks gibt es einen Eintrag ins Impfbuch oder eine Bescheinig­ung für diejenigen, die gegen Corona geimpft sind. Genau drei Wochen später ist der zweite Termin.

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