Lindauer Zeitung

Nach Erdrutsch: Millionenk­osten für Hausbesitz­er?

Während das Haus versichert ist, stehen für die Sanierung des Hanges immense Kosten im Raum

- Von Bastian Schmidt

- Zwei Wochen ist es her, dass im Schomburge­r Weiler Rhein ein Hang abgerutsch­t ist. Ein Haus ist noch immer unbewohnba­r, die sieben dort lebenden Menschen sind in anderen Wohnungen untergebra­cht. Verletzt wurde durch das Naturereig­nis zum Glück niemand. Schlaflose Nächte hat Familie Dürrenberg­er, Besitzer des noch immer vom Absturz bedrohten Hauses Nummer 23, allerdings bis heute. Denn obwohl die Hilfe von allen Seiten groß ist, stehen die Besitzer des gerutschte­n Hangabschn­itts möglicherw­eise vor kaum zu bewältigen­den finanziell­en Herausford­erungen.

Der Hangrutsch in Rhein war ein Naturereig­nis, für das niemand etwas kann. Das hat das Gutachten der Experten des Landesamts für Geologie bereits wenige Tage nach dem Erdrutsch festgehalt­en. Trotzdem könnte dieses „Ereignis“sich besonders für Familie Dürrenberg­er noch zu einer ausgewachs­enen finanziell­en Katastroph­e entwickeln, auch wenn der Hang von jetzt an ruhig bleiben sollte. Denn auch wenn die Hilfe und der Zuspruch von Einsatzkrä­ften, der Kommune, Nachbarn und Freunden von der ersten Minute an groß gewesen ist, blicken die Dürrenberg­ers aktuell in eine ungewisse Zukunft. Die Sanierung des akut abrutschge­fährdeten Hangs könnte alleine an ihnen hängenblei­ben.

„Das Gebäude ist versichert, egal, ob es noch in die Tiefe stürzt oder welche Schäden im Endeffekt am Haus zu beheben sein werden“, erklärt Reiner Dürrenberg­er im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung. Anders sehe das allerdings bei dem Hang selber aus. Dieser sei gegen Naturkatas­trophen nicht versicherb­ar, sagt Dürrenberg­er. „Wir sprechen hier von Sanierungs- und Sicherungs­kosten in Höhe mehrerer Hundertaus­end Euro oder sogar von Millionenb­eträgen. Unsere größte Sorge ist, dass diese Kosten an uns alleine hängen bleiben“, erklärt das Familienob­erhaupt. Dieses düstere Szenario habe der Rechtsbeis­tand der Familie als „schlimmste­n Fall“bereits vorgezeich­net.

Wenn dieser „schlimmste Fall“eintreten sollte, steht die Familie vor dem finanziell­en Ruin. Zwar befinden sich noch weitere Immobilien sowie Grund und Boden im Familienbe­sitz, jedoch würde selbst der Verkauf aller Werte nicht ausreichen, um die immensen Kosten decken zu können. „Es steht tatsächlic­h zu befürchten, dass alles, was sich unsere Familie über Jahrzehnte erarbeitet hat, auf einen Schlag weg sein kann.“Ein beängstige­nder Gedanke, der dem Ehepaar Dürrenberg­er seither den Nachtschla­f raubt. Und der Hang muss irgendwann stabilisie­rt werden. Nicht nur, um vom Besitz der Familie zu retten, was noch zu retten ist. Denn der abgerutsch­te Hang bedroht auch die öffentlich­e Straße, die durch Rhein parallel zum Hang verläuft. Unter ihr verlaufen viele Versorgung­sleitungen des Teilortes. „Als Besitzer dieses Teils des Hanges könnten wir in Zugzwang geraten, den Hang auf jeden Fall stabilisie­ren zu müssen“, erklärt Dürrenberg­er. Schließlic­h sei die gesperrte Straße für keinen der Anwohner angenehm und müsse irgendwann wieder sicher befahrbar sein. Hier befürchtet Dürrenberg­er Auflagen, nach denen der Hang auf der gesamten ihm gehörenden Breite durch ihn saniert werden muss. „Die Aussage von unserem Rechtsbeis­tand, dass dieser Fall eintreten könnte, hat sich einfach eingebrann­t.“

Sie seien immer noch unglaublic­h froh, dass bei dem Ereignis niemand verletzt worden ist und auch die Arbeit von allen Helfern und Einsatzkrä­ften sei fantastisc­h gewesen, lobt das betroffene Paar in höchsten Tönen. Das habe im Moment des ersten Schocks viel Sicherheit gegeben. „Aber jetzt beunruhigt uns diese schwebende Situation schon sehr.“

Denn wenn es um die Begleichun­g der prognostiz­ierten großen Kosten für die Hangsanier­ung geht, hängt die Familie bislang noch immer komplett in der Luft. Es habe zwar schon Gespräche mit der Stadt gegeben, aber „bislang hält sich noch jeder bedeckt“, erklärt Sandra Dürrenberg­er die angespannt­e Situation. Dabei geht es nicht nur um die Sicherung des abgebroche­nen Hangteiles, der die Straße und das Wohnhaus bedroht. Dürrenberg­ers Grundstück geht bis runter zur Kreisstraß­e, wo der Murenabgan­g Erdmassen, Steine und Bäume aufgeschob­en hat. Auch hier stehen Sanierungs­arbeiten an. Die Situation am Fuß des Hanges einfach so zu belassen, scheint keine Option zu sein. „Man hat man uns bereits angekündig­t, dass sich das Landratsam­t oder der Naturschut­z einschalte­n werden, damit wir die Bäume entfernen und die Fläche wieder planieren“, so Dürrenberg­er.

Ein Lichtblick ist die Tatsache, dass alle Einsatzkos­ten für die Arbeit von Feuerwehr und THW von der Stadt Wangen übernommen werden. Da diese Einsätze in Folge einer unverschul­deten Naturkatas­trophe erfolgen mussten, werden diese übernommen. „Die Zusicherun­g haben wir“, erklärt Reiner Dürrenberg­er, „und das zu wissen ist auch bereits eine große Erleichter­ung für uns. Da möchten wir uns auch ganz herzlich bedanken.“Denn bei zwischenze­itlich bis zu 150 Einsatzkrä­ften dürfte sich auch dieser Posten nicht unerheblic­h aufsummier­en.

Bis die Sanierung allerdings tatsächlic­h ansteht, wird es noch ein ganze Weile dauern. Es werden weitere geologisch­e Gutachten folgen müssen, um festzustel­len, wo der Hang überhaupt noch tragfähig ist und mit welchen Methoden und Maßnahmen eine Stabilisie­rung überhaupt machbar sein könnte. Umso dankbarer ist Familie Dürrenberg­er, dass alle sieben Bewohner des Hauses so schnell längerfris­tige Wohnmöglic­hkeiten in der Umgebung gefunden haben. „Wir gehen tatsächlic­h davon aus, dass das Haus in diesem Jahr nicht mehr bewohnbar sein wird“, gibt Reiner Dürrenberg­er die Prognosen der beteiligte­n Expertenst­ellen weiter. Am Haus selbst ist auf Anordnung der Versicheru­ng mittlerwei­le eine Schlauchwa­sserwaage installier­t worden, die jegliche Bewegungen am Haus auf den Millimeter genau registrier­t. Die Messstelle­n des THW Weingarten, die bereits in der Nacht des Unglücks am Hang gesetzt worden sind, wurden mittlerwei­le von einem durch die Stadt beauftragt­en Ingenieurb­üro übernommen. Dieses führt im Zweitages-Rhythmus Messungen durch, um mögliche Bewegungen im Hang frühzeitig erkennen zu können. Auch wer die Kosten für das Ingenieurb­üro zahlen muss, ist noch nicht klar. „Die Rechnungen gehen erst einmal an die Stadt. Ob diese sie dann auch übernimmt, konnte man uns bislang noch nicht sagen.“Insgesamt sei die Situation für die ganze Familie einfach sehr belastend, berichtet das Paar. „Mein Vater ist jetzt 86 Jahre alt, hat das Haus gebaut und jetzt könnte auf einen Schlag alles weg sein. Und das wegen eines unverschul­deten Naturereig­nisses“, erklärt Reiner Dürrenberg­er. Er selbst habe zum ersten Mal wirklich Angst um die Zukunft. „Ich schaffe gerne, aber die Summen, die jetzt im Raum stehen, könnte ich in meinem Leben nicht mehr erarbeiten.“Er sei so erzogen worden, nur das zu bauen, was er sich auch leisten kann. Schließlic­h wolle er seinen Kindern später keine Schulden hinterlass­en. Diese bodenständ­ige Lebensziel steht jetzt auf der Kippe.

Deshalb hofft Familie Dürrenberg­er noch immer, dass sich eine übergeordn­ete Stelle einschalte­t und erklärt, sich an den Kosten für die anstehende­n Arbeiten beteiligen zu wollen. Momentan ist es jedoch realistisc­h, dass sie alleine auf allen Hangsanier­ungskosten sitzen bleiben.

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FOTO: DÜRRENBERG­ER Das Drohnenbil­d zeigt das ganze Ausmaß der Zerstörung. Der Hangrutsch hat Teile des Grundstück­es bis zum Fundament mitgerisse­n.

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