Lindauer Zeitung

Weniger wäre mehr

- Von Daniela Weingärtne­r politik@schwaebisc­he.de

Wenn sich EU-Politiker über das schlechte Image der Union beklagen, dann verweisen sie gern auf das SchwarzerP­eter-Spiel. Jeden Erfolg würden die nationalen Politiker für sich reklamiere­n, Pleiten, Pech und Pannen aber Brüssel zuschieben. Daran ist viel Wahres. Die Regierunge­n neigen dazu, die EU-Kommission mit neuen Aufgaben einzudecke­n und sich dann über deren mangelhaft­e Ausführung zu beschweren. Der gemeinsame Impfstoffk­auf und der CoronaHilf­sfonds sind nur zwei Beispiele.

Wahr ist aber auch, dass die EUKommissi­on wie jede Organisati­onsstruktu­r die Neigung hat, ständig mehr Kompetenze­n an sich zu ziehen. Bevor man sich blamiert, könnte man auch einfach einmal „Nein“sagen. Jean-Claude Juncker hat das versucht. Er kannte das Schwarzer-PeterSpiel aus der Perspektiv­e des Regierungs­chefs. Daraus hat er nach dem Seitenwech­sel als Kommission­spräsident Konsequenz­en gezogen und gelegentli­ch versucht, den Ball an die Mitgliedss­taaten zurückzusp­ielen.

Ursula von der Leyen tut das nicht. Sie ist ein völlig anderer Charakter als ihr Vorgänger. Statt Junckers abgeklärte­r, leicht zynischer Zurückhalt­ung zeigt sie 120-prozentige­s Engagement, verbringt ihre Nächte im Kommission­sgebäude, stilisiert sich zur obersten Gesundheit­swächterin der Europäer und weist auch sonst keine Zumutung zurück. Ihrem Bild in der Öffentlich­keit ist das bislang nicht gut bekommen. Sogar die Franzosen, die sie mit großen Erwartunge­n ins Amt begleitete­n, sind ernüchtert. Sie haben genug von lächelnden Videobotsc­haften wie aus der Zahnpasta-Werbung, in denen die Chefin die Probleme nicht beim Namen nennt und nur ihrer Begeisteru­ng für Europa in immer neuen Worten Ausdruck verleiht.

Wenn Ursula von der Leyen sich den Respekt der Europäer verdienen will, sollte sie weniger Energie in Öffentlich­keitsarbei­t und mehr in Problembew­ältigung stecken. Sie sollte ihre Kräfte auf das Machbare konzentrie­ren und neue Aufgaben vorsichtig prüfen, bevor sie sich ein weiteres Mal so überhebt wie beim missglückt­en Poker mit Big Pharma.

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