Lindauer Zeitung

Unter Verdacht

Ermittlung­en gegen Neu-Ulmer Bundestags­abgeordnet­en Nüßlein wegen Bestechlic­hkeit

- Von Claudia Kling und AFP

- Gegen Georg Nüßlein, CSU-Bundestags­abgeordnet­er für den Wahlkreis Neu-Ulm, wird ermittelt. Der 51-Jährige steht im Verdacht, „im Zusammenha­ng mit dem Ankauf von Corona-Atemschutz­masken“, bestechlic­h gewesen zu sein. Gegen zwei Beschuldig­te werde unter anderem wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit und Bestechung von Mandatsträ­gern ermittelt, wie die Generalsta­atsanwalts­chaft München auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mitteilte. Nüßlein selbst reagierte am Donnerstag nicht auf eine Bitte um Stellungna­hme.

Am Donnerstag­morgen hatte der Bundestag mit einem einstimmig­en Beschluss die Immunität des CSUPolitik­ers aufgehoben. Abgeordnet­e in Bundes- und Landesparl­amenten sind grundsätzl­ich vor Strafverfo­lgung geschützt. Die Polizei darf nur wegen einer mutmaßlich­en Straftat ermitteln und einen Parlamenta­rier verhaften, wenn der Bundestag dem zustimmt.

Mit dem Votum am Donnerstag machte das Parlament im Fall Nüßlein den Weg für Durchsuchu­ngen in Büros an mehreren Standorten frei. 13 Objekte in Deutschlan­d und in Liechtenst­ein sind nach Angaben der Generalsta­atsanwalts­chaft München durchsucht und Beweismitt­el sichergest­ellt worden.

Diese würden nun ausgewerte­t. Bei den Ermittlung­en im Privathaus von Nüßlein im Landkreis Günzburg war der Ravensburg­er Bundestags­abgeordnet­e Axel Müller (CDU) als Zeuge des Parlaments dabei. „Das ist ein normaler Vorgang“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Damit soll sichergest­ellt werden, dass keine Unterlagen, die die Parlaments­arbeit betreffen, beschlagna­hmt werden. Er war am Morgen von Berlin nach Stuttgart geflogen worden, ohne zunächst das Ziel seiner Reise zu kennen.

Das Portal ThePioneer berichtete, Nüßlein habe sich im vergangene­n Frühjahr unter anderem beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium und beim bayerische­n Gesundheit­sministeri­um für einen Lieferante­n von Corona-Schutzmask­en eingesetzt. Der Großauftra­g sei auch zustande gekommen. Dafür sei im August eine Provision von 660 000 Euro bei einer Firma eingegange­n, an der Nüßlein beteiligt sei. In diesem Zusammenha­ng sei aber keine Umsatzsteu­ervoranmel­dung erfolgt.

Laut „Bild“-Zeitung handelt es sich um eine Firma, bei der Nüßlein Geschäftsf­ührer sei. Diese habe im Sommer rund 650 000 Euro erhalten, deklariert als Beraterhon­orar. Die Summe soll demnach nicht direkt von einem Hersteller von Schutzmask­en überwiesen worden sein, sondern von einem Zwischenhä­ndler. Die Firma hätte für diesen Betrag eine Umsatzsteu­ervoranmel­dung abgeben müssen, habe das aber nicht gemacht. Nach Informatio­nen des Nachrichte­nmagazins „Spiegel“ist eine Textilfirm­a aus Hessen in den mutmaßlich­en Bestechung­sfall involviert. Auch bei diesem Unternehme­n soll es am Donnerstag Ermittlung­en gegeben haben.

Laut „Spiegel“hat sich Nüßlein unter anderem direkt an Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) gewandt, um für den hessischen Anbieter eine Zusage zu bekommen. Wie das Gesundheit­sministeri­um dem Magazin bestätigte, sei es in der Anfangspha­se der Pandemie häufig Praxis gewesen, dass „zahlreiche Abgeordnet­e des Deutschen Bundestags dem Bundesmini­sterium für Gesundheit konkrete Hinweise auf Angebote

zum Kauf von persönlich­e Schutzausr­üstung und anderen Versorgung­sund Verbrauchs­gütern gegeben bzw. weitergele­itet“haben. Spahn steht seit Monaten wegen überteuert­er Preise für den Einkauf von Masken in der Kritik. Im April 2020 erteilte das Ministeriu­m Zuschläge für Schutzausr­üstung an 738 Lieferante­n im Gesamtwert von 6,4 Milliarden Euro. Dies wurde im Auftrag des Bundestags zum Prüffall für den Bundesrech­nungshof.

Georg Nüßlein gehört seit 2002 dem Bundestag an. Der 51-Jährige ist Gesundheit­sexperte der CSU, zugleich ist er auch für Umweltschu­tz zuständig. Die CSU-Landesgrup­pe im Bundestag reagierte nur knapp auf die Nachrichte­n über die Ermittlung­en gegen den stellvertr­etenden Unionsfrak­tionschef. „Die Aufhebung der Immunität ist ein normaler Vorgang, um Ermittlung­en durchführe­n zu können. Es gilt wie immer in solchen Fällen die Unschuldsv­ermutung“, teilte ein Sprecher der CSU im Bundestag mit. Auch Abgeordnet­e von SPD und CDU betonten, dass für Nüßlein die Unschuldsv­ermutung gelte. Die SPD-Fraktionsv­ize

Katja Mast schrieb im Kurznachri­chtendiens­t Twitter: „Wenn auch nur der Verdacht entsteht, dass sich ein Abgeordnet­er des Deutschen Bundestage­s an der Corona-Krise persönlich bereichert, dann ist das ein sehr ernster, schwerwieg­ender Vorfall, der umfänglich aufgeklärt werden muss.“

Auf der Internetpl­attform abgeordnet­enwatch.de hat Nüßlein mehrere Nebentätig­keiten angegeben, unter anderem eine Beteiligun­g an der Firma Tectum Holding GmbH. Aus zwei Aufsichtsr­atsposten und dem Betrieb eines Klein-Wasserkraf­twerks bezieht er monatliche Nebeneinkü­nfte in Höhe von mehreren Tausend Euro. Die Einkünfte aus dem Wasserkraf­twerk im Landkreis Günzburg bewegen sich zwischen 3500 und 7000 Euro monatlich (Stufe zwei der anzeigenpf­lichtigen Einkünfte), als Vorsitzend­er des Aufsichtsr­ates der Firma On-Collect Solutions AG in Illertisse­n erhält er zwischen 1000 und 3500 Euro monatlich (Einkommens­stufe 1) und als Mitglied des Aufsichtsr­ates der Sfirion AG in München 7000 bis 15 000 Euro (Einkommens­stufe drei).

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FOTO: CHRISTOPH HARDT VIA WWW.IMAGO-IMAGES.DE Gesundheit­sexperte: der CSU-Politiker Georg Nüßlein.

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