„Zu früh für endgültige Beurteilung“
Virologe Mertens über Berichte, Vakzine könnten Weitergabe des Virus stoppen
- Darüber, ob gegen Corona Geimpfte das Virus noch weitertragen können, und welcher der drei bislang zugelassenen Impfstoffe das am besten verhindert, diskutiert ganz Deutschland. Dass sowohl das Vakzin von Biontech, Moderna oder Astra-Zeneca gegen die Erkrankung beziehungsweise einen schweren Verlauf schützen, sei klar, erklärt Virologe Professor Thomas Mertens. Ob die Impfreihenfolge geändert werden sollte, wenn sich die Hoffnungen zur geringeren Übertragung der Viren nach Impfung bestätigen, beantwortet er im Gespräch mit Katja Korf.
Der Biontech-Impfstoff unterbindet laut einer Studie zur israelischen Impfkampagne auch in sehr vielen Fällen die Weitergabe des Virus. Für wie belastbar halten Sie die Ergebnisse?
Dies ist eine der aktuell sehr wichtigen Fragen. Bei der Beantwortung der Frage nach der Belastbarkeit der Daten muss man unbedingt auf die wissenschaftlich veröffentlichten Daten schauen und darf sich nicht nur auf Pressemitteilungen verlassen. Wir wissen jetzt, dass Menschen, die sich nach einmaliger Impfung infiziert haben, etwa 90 Prozent weniger Virus ausscheiden. Das bedeutet: wenn es ohne Impfung 100 000 000 Viruspartikel (gemessen am RNA-Nachweis) waren, sind es jetzt 10 000 000 Viruspartikel.
Es wird jedem sofort klar, dass man diese 90 Prozent nicht als 90-prozentige Reduktion der Übertragung angeben kann, wenn angenommen zum Beispiel hundert Viruspartikel ausreichen, um eine Infektion zu erreichen. Andere Daten zeigen die Reduktion der Virusausscheidung um den Faktor 30, also 30-mal weniger. Es ist aber insgesamt sehr plausibel anzunehmen, dass nach zweifacher Impfung mit mRNA- oder Astra-Zeneca-Impfstoff
eine ganz erhebliche Verminderung der Virusausscheidung neben dem Schutz vor Erkrankung erreicht werden kann. Es bedarf noch weiterer wissenschaftlicher Ergebnisse vor einer endgültigen Beurteilung.
Was würde es für die Bekämpfung der Pandemie bedeuten, wenn die Ergebnisse zuträfen? Hätte das auch Auswirkungen auf die Impfpriorisierung – etwa, um die Ausbreitung des Virus rascher zu stoppen?
Die Frage der Verhinderung der Virusübertragung durch Geimpfte (oder zuvor Infizierte) bei nachfolgender (erneuter) Infektion ist sehr wichtig für die Auflagen, die Geimpften sinnvollerweise noch gemacht werden können. Es ist auch ein wesentliches Argument für die Impfung von Kontaktpersonen zum Schutz von gefährdeten Menschen, die selbst nicht geimpft werden können. Letztlich ist es auch ein wesentlicher Faktor für die Verminderung der Virusausbreitung und den Erfolg des Konzeptes einer Herdenimmunität. Eine eigentliche Notwendigkeit der Änderung der Priorisierungsreihenfolge (Schutz vor schwerer Erkrankung, also Individualschutz) ergibt sich daraus nicht.
Welche Erkenntnisse oder Hinweise gibt es darauf, wie gut andere Vakzine die Ansteckungsgefahr, die von Geimpften ausgeht, senken?
Die oben erwähnten Ergebnisse der Reduktion der Virusausscheidung um den Faktor 30 beziehen sich auf den Astra-Zeneca-Impfstoff. Bislang sieht es so aus, als sei der Effekt keinesfalls schlechter.