Das Einfamilienhaus ist auf dem Rückzug
Die Wohnform ist vor allem wegen des Flächenverbrauchs in die Kritik geraten
- Wohnung statt Haus mit Garten: Der Trend hin zu Ein- und Zweifamilienhäusern ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit einiger Zeit rückläufig. Unterdessen setzte sich das Mehrfamilienhaus im vergangenen Jahr mehr und mehr durch. Von den 288 000 Wohnungen, die von Januar bis November 2020 bundesweit genehmigt wurden, sollen 169 000 in diesem Gebäudetyp entstehen. Das entspricht einem Anteil von 59 Prozent. Demgegenüber standen 109 000 genehmigte Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern – ein Anteil von 38 Prozent.
Seit 2005 ist der Anteil der Wohnungen in Einfamilienhäusern zugunsten von Unterkünften in Mehrfamilienhäusern gesunken. Im Jahr 2015 wurden erstmals seit 1997 wieder mehr Wohnungen in Mehrfamilienals in Ein- und Zweifamilienhäusern gebaut, wie die Wiesbadener Behörde am Donnerstag mitteilte. Im Bestand dominieren allerdings die Einfamilienhäuser. Zwei Drittel aller bestehenden Wohngebäude waren den Angaben zufolge 2019 Einfamilienhäuser. Sie sind wegen des Platzbedarfs vor allem auf dem Land verbreitet.
Deutlich seltener sind Einfamilienhäuser in Großstädten, in denen Bauland in der Regel auch mehr kostet als auf dem Land. Am geringsten ist der Anteil in Stuttgart mit gut 35 Prozent, gefolgt von Düsseldorf, Frankfurt am Main und Gelsenkirchen (jeweils rund 40 Prozent).
In Baden-Württemberg zeichnet sich der gleiche Trend ab, wie er auch bundesweit zu verzeichnen ist. Zahlen für 2020 gibt das Statistische Landesamt erst am Freitag bekannt, die bisherigen Zahlen für 2019 zeigen: In ganz Baden-Württemberg entstanden 2019 gut 34 000 Wohnungen, davon 9960 in Einfamilienhäusern, knapp weniger als ein Drittel. In Mehrfamilienhäusern wurden über 20 000 Wohnungen gebaut.
Insgesamt sind 2019 in BadenWürttemberg ähnlich viele Wohnungen entstanden wie 2018. Die Zahl schwankt zwischen 33 000 und 34 000 Wohnungen pro Jahr. Allerdings ging der Anteil der Einfamilienhäuser an der Gesamtzahl der neugebauten Wohnungen von fast 34 Prozent im Jahr 2015 auf 28 Prozent
In Mehrfamilienhäusern im Jahr 2019 zurück. Auch im Südwesten gilt: Die Wohnung im Mehrfamilienhaus dominiert die dicht besiedelten Gebiete, das Einfamilienhaus dominiert den ländlichen Raum. Im Jahr 2019 entstanden beispielsweise im ländlich geprägten Landkreis Sigmaringen 210 Einfamilienhäuser. Das waren 55 Prozent aller Wohnungen, die in dem Landkreis 2019 neu gebaut wurden.
Im dicht besiedelten Bodenseekreis dagegen entstanden 151 Einfamilienhäuser, die jedoch nur 18 Prozent aller neuen Wohnungen ausmachten, die in dem Jahr am Bodensee geschaffen wurden. Zwei Drittel aller Neubauwohnungen im Bodenseekreis wurden in Mehrfamilienhäusern fertiggestellt.
Wer in ein Ein- und Zweifamilienhaus zieht, ist auf der Suche nach
Platz: Von den bundesweit rund 256 000 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2019 entstanden 40 Prozent in Ein- und Zweifamilienhäusern. Sie waren mit durchschnittlich 152 Quadratmetern fast doppelt so groß wie in Mehrfamilienhäusern (78 Quadratmeter). Freistehende Einfamilienhäuser boten mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 157 Quadratmetern noch etwas mehr Raum.
Zuletzt hatte es jedoch Diskussionen darum gegeben, wie schlecht Einfamilienhäuser für das Klima sind. Hintergrund ist eine Aussage des GrünenFraktionschefs Anton Hofreiter, der im Interview mit dem „Spiegel“gesagt hatte: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr.“Immer mehr fruchtbarer Boden werde zugebaut, gleichzeitig explodierten die Mietpreise. CDU und FDP hatten den Grünen daraufhin eine neue Verbotsdebatte vorgeworfen.
Tatsächlich ist es aus ökologischer Sicht aber eigentlich sinnvoller, wenn die Menschen, statt in ein Einfamilienhaus auf dem Land zu ziehen, in einer Stadtwohnung bleiben würden. „Das liegt an der Kompaktheit“, erklärt Jens Schuberth vom Fachgebiet Energieeffizienz im Umweltbundesamt (UBA). „Ein Einfamilienhaus hat in der Regel eine größere Hülle als eine ähnlich große Wohnung im Mehrfamilienhaus und verliert daher mehr Energie.“
Das Problem ist allerdings der Wohnraummangel und steigende Mieten in den Städten.
Auch Baden-Württemberg will hier nachbessern. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hatte dazu eine vierjährige Wohnraumallianz einberufen, die im Oktober Bilanz zog. Unter anderem seien demnach die Fördermittel für sozialen Wohnungsbau von rund 100 Millionen Euro 2015 auf inzwischen 250 Millionen Euro jährlich gestiegen, sagte sie damals.
Das reiche jedoch nicht, kritisierte der DMB Mieterverein Stuttgart. Zusätzlich zu Sozialwohnungen brauche man im Südwesten „etwa 40 000 bis 50 000 Wohneinheiten, die pro Jahr gebaut werden müssten“, sagte der Vorsitzende des Mietervereins, Rolf Gaßmann, dem SWR. Zudem müsse der Wohnungsbestand gesichert werden – die Umwandlung in Eigentumswohnungen müsse gestoppt werden.
Freuen tut sich am Ende vor allem die Baubranche. In Deutschland hat sie im Jahr 2020 einen Rekordumsatz erzielt. Im Vergleich zum Vorjahr steigerten die 9100 Betriebe, deren Zahlen das Statistische Bundesamt erfasst, ihre Erlöse um 6,6 Prozent auf 98,3 Milliarden Euro.