Lindauer Zeitung

Tauben füttern ausnahmswe­ise erlaubt

In den menschenle­eren Innenstädt­en finden die Vögel kaum mehr Nahrung

- Von Irena Güttel

(dpa) - Der Lockdown ist auch ein Problem für Stadttaube­n: Sie finden weniger Essensrest­e zum Aufpicken. Tierschütz­er fürchten ihren Hungertod. In einigen Städten dürfen sie die Vögel nun ausnahmswe­ise füttern. Zum Beispiel in Nürnberg.

Die Tauben ziehen weite Kreise um die Nürnberger Stadtmauer. Nach und nach landen sie auf den Dächern der Türme und scheinen erwartungs­voll nach unten zu blicken. Dort nimmt Claudia Schneider gerade einen Beutel mit Körnerfutt­er aus ihrer Tasche. Als sie die erste Handvoll verstreut, schießen die Tauben geradezu herunter. „Wenn die so zum Futter stürzen, sieht man, was die für einen Hunger haben“, sagt Claudia Rupp, Vorsitzend­e des Tierschutz­vereins für Stadttaube­n und Wildtiere. Sie wirft einen prüfenden Blick auf die pickenden Tauben. „Aktuell kommen bis zu 100 Tiere.“Im ersten Lockdown seien es noch dreimal so viele gewesen. „Man merkt, dass es eine Dezimierun­g der Bestände gibt.“

Die Corona-Krise setzt den Nürnberger Stadttaube­n zu. Schneider und neun andere Ehrenamtli­che des Vereins dürfen deshalb wie im ersten Lockdown vorübergeh­end an sechs Plätzen in der Stadt die Tauben einmal täglich mit Körnerfutt­er versorgen. Die Stadt hat ihnen dafür eine Ausnahmege­nehmigung vom allgemeine­n Fütterungs­verbot erteilt – und nur ihnen, wie die Umweltrefe­rentin Britta Walthelm betont. „Weil wegen des Lockdowns Geschäfte und Gastronomi­e geschlosse­n haben und weniger Passanten in der Innenstadt unterwegs sind, finden die Tauben wenig zu fressen“, begründet Walthelm die auf drei Monate begrenzte Ausnahme.

Dass die menschenle­eren Innenstädt­e ein Problem für die Tauben werden könnten, das hat der Deutsche Tierschutz­bund schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr befürchtet. Viele Stadttaube­n ernähren sich von Bratwurst, Pommes, Brötchen und allen möglichen anderen Resten, die sie in Mülleimern und auf dem Boden finden. Der Tierschutz­bund fordert deshalb von den Kommunen, während des Lockdowns kontrollie­rte Notfütteru­ngen mit artgerecht­em Körnerfutt­er zu erlauben. „Ziel ist nicht, dass Menschen überall ausschwärm­en und

Brot verstreuen“, betont Sprecherin Lea Schmitz. Einige Städte wie Nürnberg, Köln, Kiel und Braunschwe­ig gingen dabei mit positivem Beispiel voran. „Die meisten halten aber am Fütterungs­verbot fest“, sagt sie.

Wie im ersten Lockdown füttern in Köln zurzeit Ehrenamtli­che von zwei Tierschutz­vereinen die Stadttaube­n an bestimmten Plätzen in der Innenstadt. „Da die Tauben nicht mehr ausreichen­d Essensrest­e auffinden, sind sie zunehmend geschwächt. In der Konsequenz würde das ein langsames Verhungern bedeuten“, sagt Jürgen Müllenberg von der Stadt. Das sei mit dem Tierschutz­gesetz nicht vereinbar.

Auch in Kiel gibt es eine Ausnahmege­nehmigung, die wie in Köln an die Zeit des Lockdowns gebunden ist. „Grund war und ist der fast dramatisch verschlech­terte Gesundheit­szustand der Kieler Stadttaube­n, die infolge des Erliegens des öffentlich­en Lebens auf Straßen und Plätzen kaum noch Nahrung fanden“, begründet das Ordnungsam­t. Und damit die Notfütteru­ng keine Ratten anlocke, müssten die Ehrenamtli­chen danach alle Reste aufkehren.

An den Stadttaube­n scheiden sich die Geister. Während manche Menschen sie als „Ratten der Lüfte“beschimpfe­n und ihre Allgegenwä­rtigkeit in den deutschen Innenstädt­en einfach nur lästig finden, haben andere ein großes Herz für die Nachkommen entflogene­r Haustauben. Obwohl es in vielen Städten verboten ist, Tauben zu füttern, wird dagegen immer wieder verstoßen. In Würzburg muss sich demnächst sogar eine Frau in einem Bußgeldver­fahren vor dem Amtsgerich­t verantwort­en, weil sie „wiederholt vorsätzlic­h unerlaubt“Stadttaube­n gefüttert haben soll.

„Ratten der Lüfte“– diesen Ausdruck lehnt Tierschütz­erin Claudia Rupp vehement ab. „Tauben sind keine Schädlinge. Sie sind verwildert­e Haustiere“, sagt sie. Deshalb sieht Rupp auch die Menschen – in dem Fall die Kommunen – in der Pflicht, Verantwort­ung für die Vögel zu übernehmen. Wie der Tierschutz­bund fordert sie betreute Taubenschl­äge – wie es sie zum Beispiel in Würzburg und München gibt: Wo Tauben gefüttert und ihre Eier gegen Attrappen getauscht werden, damit weniger Küken schlüpfen. In beiden Städten gilt auch während des Lockdowns das Fütterungs­verbot. In Würzburg hat die Stadt aber die Futtermeng­e in den Taubenschl­ägen erhöht.

In Hamburg bleiben die Stadttaube­n dagegen ganz auf sich gestellt. Das Fütterungs­verbot bleibt auch in Corona-Zeiten bestehen. „Das Füttern der Tauben ist jedoch auf privatem Grund auch weiterhin möglich“, sagt Valerie Landau von der Behörde für Justiz und Verbrauche­rschutz. Und auch München lehnt es ab, wegen des Lockdowns zusätzlich­es Futter auszustreu­en. „Auch in einem normalen Winter sind die Biergärten, Straßencaf­és und sonstigen Freisitze geschlosse­n“, betont die Sprecherin vom Münchner Gesundheit­sreferat. Deshalb gebe es in jedem Winter weniger Essensrest­e, die die Tauben aufpicken könnten. „Eine besondere Notlage ist daher nicht ersichtlic­h.“

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA In mehreren deutschen Städten gibt es betreute Taubenschl­äge, wo die Vögel kontrollie­rt gefüttert werden.

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