Da ist Musik drin
In Corona-Zeiten wird die gute Stube immer mehr zum klingenden Wohnzimmer
(dpa) - Kein Präsenzunterricht – das gilt noch immer für die öffentlichen und privaten Musikschulen in Baden-Württemberg und Bayern. Was aber nicht heißt, dass Gitarre, Klavier, Schlagzeug & Co. derweil ein unbespieltes Dasein fristen. Im Gegenteil: Gerade zu Lockdown-Zeiten greifen immer mehr Menschen wieder zu ihrem Instrument oder beginnen mit dem Musikmachen.
Bei manchem ist dabei der musikalische Ehrgeiz entfacht – wie bei dem neuerdings Ukulele spielenden Oliver Stahl: „Ich übe, wenn es geht, jetzt jeden Tag. Das bringt mich auf andere Gedanken“, sagt der 52-jährige Filmschaffende. Um seine Fähigkeiten an dem gerade sehr beliebten viersaitigen Instrument zu verbessern, nutzt er Lehrbücher und digitale Hilfe: „Im Internet gibt es zahlreiche Tutorials und jede Menge Notenmaterial für Songs“, sagt Stahl. Trotzdem hält er es nicht für ausgeschlossen, nach dem Lockdown Unterricht zu nehmen. „Vielleicht“, sagt er, „wenn ich jetzt noch mehr Ehrgeiz entwickle, dann könnte das schon sein.“
Markus Lentz, Vorsitzender des Verbandes der Bayerischen Singund Musikschulen (VBSM), wird das gerne hören. Er ist sich ohnehin sicher, „dass nichts den Präsenzunterricht ersetzen kann“. Kein YouTubeVideo, keine App, kein Lehrbuch. „Was hier fehlt, ist die unmittelbare Rückmeldung und die didaktische Begleitung“, sagt Lentz. Kompetentes
Feedback von Pädagogenseite sei für Musikschüler wichtig, um sich selbst besser beurteilen zu können. Doch auch Lentz und seine Kollegen in den Musikschulen nutzen während der Corona-Zeit die Segnungen des digitalen Zeitalters. Laut Lentz sogar mehr als der Rest des Bildungsbetriebes: „Es hat sich gezeigt, dass die Musikschullehrkräfte ihre Schüler nicht alleingelassen haben und sich mit einer Vielzahl von OnlineBetreuungsangeboten vom Distanzunterricht der allgemeinbildenden Schulen abhoben.“
Ein gutes Beispiel dafür bietet das in Bad Tölz ansässige Musikzentrum „Trommelfell“. Schulleiter Johannes
Deißenböck sagt: „Wir halten uns durch Online-Unterricht am Laufen.“Beim Einzelunterricht funktioniere das gut, für Gruppenunterricht – wie Bandworkshops – habe man alternative Methoden gefunden: „Jeder Schüler nimmt zu Hause seinen Instrumental- oder Gesangsbeitrag auf und schickt dies dem Lehrer. Der schneidet das dann zu einem kompletten Stück zusammen. Das ist motivierend.“
Auch Deißenböck ist vor dem digitalen Musiklehrer nicht bange. Es sei schließlich elementar wichtig, dass einem „jemand auf die Finger schaut“, dass man „Tipps und Verbesserungsvorschläge“, aber auch
Kritik bekomme. Außerdem: „Jeder Mensch ist anders, deshalb sollte auch der Musikunterricht individuell angepasst werden. Musikschulen können das, YouTube-Videos nicht.“Grundsätzlich aber könne es jeder als Autodidakt zur Meisterschaft am Instrument bringen – was aber mühevoller sei und viel Disziplin einfordere. Auf die Frage, was sich für den Heimunterricht besser eigne: Lehrbuch oder digitale Angebote, antwortet Deißenböck salomonisch: „Beides!“In seiner Musikschule kämen Bücher und digitale Medien gleichermaßen zum Einsatz. Deißenböck sieht hier keinen Wettbewerb, sondern freut sich über das gesteigerte Angebot an Lehrmaterial.
Ralph Voggenreiter, vom gleichnamigen, einst in Regensburg gegründeten Lehrbuch-Verlag, sieht das nicht ganz so entspannt. Für sein Geschäftsmodell stellt der computerbasierte Klavier-, Gitarre- oder Schlagzeugunterricht eine wirtschaftliche Bedrohung dar. Vor allem jüngere Musiker nutzten, um ihre Fähigkeiten am Instrument zu verbessern, das Internet. Die ältere Garde setze aber noch vornehmlich auf das gute alte Lehrbuch: „Die sind das noch eher gewohnt“, meint der Verlagschef. Grund zu klagen hat er derzeit ohnehin nicht: „Wir verkaufen gerade um rund 25 Prozent mehr Lehrbücher als zu Nicht-CoronaZeiten“, bilanziert er und fügt hinzu: „Das ist ein ganz klarer Trend, dass Corona das Musikmachen befeuert.“Besonders hoch im Kurs stünden Lehrbücher für Gitarre und – natürlich – das Trendinstrument Ukulele.