Lindauer Zeitung

Saudi-Arabiens Kronprinz bleibt verschont

USA verhängen Sanktionen wegen Mord an Journalist­en – Warum der Thronfolge­r selbst wenig befürchten muss

- Von Frank Herrmann und dpa

- Der neue US-Präsident Joe Biden hat den Kurs gegenüber Saudi-Arabien drastisch verschärft und damit eine Abkehr von der Politik seines Vorgängers Donald Trump vollzogen. Im Zusammenha­ng mit dem Mord an dem Journalist­en Jamal Khashoggi im Oktober 2018 verkündete die Biden-Regierung Sanktionen. Doch ausgerechn­et der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman bleibt davon verschont. Das stößt auf vehemente Kritik.

Khashoggi war 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkom­mando aus der saudischen Hauptstadt Riad getötet worden. Von seinem Leichnam fehlt bis heute jede Spur. Der Journalist lebte in den USA, schrieb Kolumnen für die „Washington Post“, die oft Kritik an der saudischen Monarchie enthielten. Bereits mehrfach berichtete­n Medien, es gebe Belege dafür, dass der Kronprinz selbst den Auftrag zur Entführung oder gar zur Ermordung des Regimekrit­ikers gegeben habe. Am Freitag veröffentl­ichten US-Behörden dann eine von Donald Trump unter Verschluss gehaltene Analyse. Der Inhalt: Die CIA kam bereits 2019 zu eindeutige­n Schlüssen. Der saudische Kronprinz habe den Einsatz gegen Khashoggi genehmigt.

Daraufhin verfügte die US-Regierung Reisebesch­ränkungen gegen 76 Bürger Saudi-Arabiens. Anschließe­nd begab sich US-Außenminis­ter

Antony Blinken auf eine rhetorisch­e Gratwander­ung. Was man getan habe, bedeute keinen Bruch im Verhältnis zu Saudi-Arabien. Vielmehr bedeute es, das Verhältnis neu zu kalibriere­n, sodass es besser mit den Werten und Interessen Amerikas in Einklang stehe. „Die Beziehunge­n zu Saudi-Arabien sind größer als eine einzelne Person, wer immer diese Person sein mag.“

Damit begründete Blinken eine Entscheidu­ng, die bei Menschenre­chtsaktivi­sten wie auch in seiner eigenen Partei, bei den Demokraten, auf Widerspruc­h stößt. Gegen Mohammed bin Salman, den Kronprinze­n des Königreich­s, wird es keine Sanktionen geben. Die Restriktio­nen, mit denen die Bluttat bestraft werden soll, gelten stattdesse­n für 76 andere saudische Staatsange­hörige. Sie sind nach Ansicht der USA an der

Bedrohung von Dissidente­n im Ausland beteiligt. Die Namenslist­e blieb jedoch zunächst geheim.

Prominente Demokraten fordern, Biden möge dem ersten Schritt einen zweiten folgen lassen und den Kronprinze­n zur Persona non grata erklären. Auch für ihn müsse es ein Einreiseve­rbot geben. Und solange der Kronprinz dem Kabinett angehöre, müsse sein Land die Folgen zu spüren bekommen. Damit rufen die demokratis­chen Politiker Biden auf, sein eigenes Wahlkampfv­ersprechen einzulösen und Bin Salman den Preis für das Verbrechen zahlen zu lassen. Doch es sieht nicht so aus, als würde der neue US-Präsident Wort halten.

Vor seiner Wahl ins höchste Amt der USA hatte Biden Klartext geredet. Er wolle die Saudis „zu den Parias machen, die sie sind“. Schließlic­h sei es so gut wie erwiesen, dass Khashoggi

auf Anweisung des Thronfolge­rs getötet und zerstückel­t worden sei. Doch nun lässt sich einmal mehr beobachten, welche Kluft zwischen Wahlkampfr­hetorik und praktische­r Politik klaffen kann. Als De-factoVerbü­ndeter der USA ist Saudi-Arabien zu wichtig, als dass Biden den Bruch riskieren könnte.

Auch er hofft, dass der von Trump vermittelt­en Normalisie­rung der Beziehunge­n zwischen Israel und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten sowie Bahrein der tatsächlic­he Durchbruch folgt: die Aufnahme diplomatis­cher Beziehunge­n Israels mit Saudi-Arabien. Will er wie bereits avisiert zum Atomabkomm­en mit dem Iran zurückkehr­en, muss er parallel dazu Gespräche mit den Saudis führen, dem misstrauis­chen Rivalen Irans am Golf. Will er den Krieg im Jemen beenden oder zumindest zu einer Friedenslö­sung beitragen, ist die saudi-arabische Hauptstadt Riad die erste Adresse, an die er sich wenden muss.

Außerdem nutzen die USA fünf militärisc­he Stützpunkt­e in SaudiArabi­en und sind der mit Abstand größte Rüstungsli­eferant des Königreich­s. Am Kronprinze­n, glauben Nahostexpe­rten, führt bei alldem kein Weg vorbei. Die Vorstellun­g, König Salman könnte den Prinzen in der Thronfolge zurücksetz­en und seiner Macht berauben, gilt als unrealisti­sch. Dazu scheint der 35-Jährige zu fest im Sattel zu sitzen. Allerdings soll er von den USA nun nicht mehr auf so peinliche Weise hofiert werden wie unter Trump.

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FOTO: BANDAR AL-JALOUD/AFP Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman.

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