Lindauer Zeitung

„Hunde müssen sozialisie­rt werden“

Wegen Corona haben Hundeschul­en geschlosse­n – Warum das für Mensch und Tier problemati­sch ist

- Von Stefanie Gronostay

- Noch nie wurden so viele Hunde vermittelt wie während Corona. „Welpen werden einem regelrecht aus den Händen gerissen“, erzählt Hundetrain­erin Barbara Eglseder, die die Hundeschul­e „Hundling“in Weiler betreibt. Seit Monaten darf sie wegen Corona keinen Präsenzunt­erricht mehr geben. Das sei vor allem für Welpen problemati­sch. „Die Hunde werden nicht mehr sozialisie­rt“, sagt Eglseder. Und die verlorene Zeit lasse sich im Nachhinein nur schwer aufarbeite­n.

„Insbesonde­re die ersten vier Monate sind für Welpen eine wichtige Phase“, sagt Eglseder. Die Erfahrunge­n und Begegnunge­n, die sie in dieser Zeit machen, prägen die Tiere ganz besonders. Eglseder erzählt von einem Paar, dass sich kurz vor Weihnachte­n einen Welpen angeschaff­t hat. „Sie haben mich kontaktier­t, weil sie mit dem Hund überforder­t waren.“Die Hundetrain­erin versuchte, über tägliche Anrufe und Videochats zu helfen. „Es hat nicht funktionie­rt. Am Ende habe ich den Welpen genommen und ihm ein neues Zuhause gesucht.“

Es sei nur ein Beispiel, das exemplaris­ch für viele andere Hundebesit­zer stehe. „Die Menschen schaffen sich einen Welpen an und merken dann: ,Hoppla. Es gibt Probleme’“, sagt die Hundeexper­tin. Hilfe zu bekommen, ist jedoch momentan nicht einfach. Denn die Hundeschul­e lässt sich digital nur schwer umsetzen. Bereits nach dem ersten Lockdown im Sommer, als Eglseder für ein paar Wochen öffnen durfte, waren die Anfragen zahlreich. Eglseder versuchte aufzuarbei­ten, was ging. Die Hundetrain­erin trifft sich normalerwe­ise mit ihren Kunden zuerst in Einzelstun­den, um Mensch und Tier kennenzule­rnen. „Wenn die Basis da ist, treffen wir uns in der Gruppe.“

Das Zusammentr­effen mit anderen Hunden und Menschen ist ein Aspekt, der den Welpen während des Lockdowns fehlt. „Es kann sein, dass drinnen alles super ist“, sagt Eglseder. Doch sobald die Tiere draußen auf ihre Umwelt und andere Hunde treffen, klappe es nicht, da die Welpen nicht sozialisie­rt wurden. „Wir ziehen eine Generation von asozialen Hunden heran“, sagt

Eglseder. Und das sei problemati­sch. Die Hundetrain­erin ist trotz des Lockdowns mit ihren Kunden im ständigen Kontakt. Sie gibt regelmäßig­e Hausaufgab­en auf. „Ich betreibe auch eine Hundepensi­on. Da sehe ich die Tiere hin und wieder.“

Vergangene­n Freitag demonstrie­rten etwa 70 Teilnehmer vor dem Landratsam­t Oberallgäu in Sonthofen für die Öffnung der Hundeschul­en. Wolfgang und Saskia Katharina Siebel, Hundeschul­trainer im Allgäu, hatten die Kundgebung organisier­t. „Keinesfall­s möchten wir mit sogenannte­n Corona-Leugnern in einen Topf geworfen werden. Wir möchten darauf aufmerksam machen, wie wichtig die Erziehung von Hunden für ein friedliche­s Miteinande­r von Mensch und Tier ist“, sagt Wolfgang Siebel.

„Wir fordern eine verantwort­bare Öffnung unserer Betriebe anstelle eines pauschalen Lockdowns nach dem Gießkannen­prinzip“, sagt er. Hundetrain­ing sei dabei auch nicht, wie oftmals angenommen, eine reine Beschäftig­ungsarbeit. Hunde müssten für ein sicheres Zusammenle­ben sozialisie­rt werden, um später keine Problemhun­de zu werden.

Auch Eglseder betont, dass sie die Notwendigk­eit der Corona-Maßnahmen sieht. „Jedoch sind wir für die Politik noch Exoten“, sagt sie. „Es geht nicht darum, mit den Hunden Spaß zu haben. Es geht darum, die Hunde sozialisie­ren zu dürfen“, appelliert Eglseder.

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FOTO: BARBARA EGLSEDER Barbara Eglseder betreibt die Hundeschul­e „Hundling“in Weiler. Auf dem Foto ist sie mit ihrer Hündin Lilo und Schäferhun­d Rocko zu sehen.

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