Gebührendes Gebaren
Eoder in kleiner Rechtschreibtest: Ist korrekt oder
oder
oder
oder
oder
oder
oder oder
oder
oder Wenn Sie sich jetzt jedes Mal für die zweite Variante entschieden haben, sind Sie sattelfest in deutscher Orthografie. Aber ehrlich gesagt: Bei solchen Paarungen kann man schon ins Grübeln kommen. Und in der Schnelle rutschen Fehler durch. Etwa diesen Montag in der Zeitung, als vom des spanischen Königs Juan Carlos die Rede war – statt richtig
Viele solcher Fehlschaltungen beruhen auf Analogschlüssen. Wenn sich der mit zwei schreibt, so wird es bei auch so sein, denkt man. Oder wenn stimmt, dann ist auch korrekt. Dass das Wort
auf ein mittelhochdeutsches
für Verb
zurückgeht, sieht ihm heute niemand mehr an, und deswegen kommt einem beim Schreiben dieses Wortes eher die in den Sinn, also die Tragbahre für Kranke oder das Gestell zur Aufbahrung von Toten. Alltäglich ist dieses Wort auch nicht mehr. Aber es taucht etwa in einer beliebten Redensart auf:
So seufzt man abgrundtief, weil einem das Leben vorkommt wie ein einziger Gang von Amt zu Amt, von der Geburt bis zum Tod ein bürokratischer Akt nach dem anderen. Aber auch Dichter ließen sich von dieser Metapher anregen:
Diese Verse stammen von Johann Christian Günther, einem der wortmächtigsten deutschen Lyriker des frühen 18. Jahrhunderts, der später von Goethe hochgelobt wurde, aber zu Lebzeiten nicht reüssierte und mit 27 Jahren starb. Eher salopp ging Hermann Hesse in seinem Gedicht
mit dieser Wendung um:
Dieses Gedicht bis zum Ende zu zitieren, verbietet uns das angeborene Schamgefühl. Wer die zweite Strophe unbedingt kennenlernen will, sei aufs Internet verwiesen. Vielleicht hat er/sie/div. aber auch ein Buch mit Hesse-Gedichten im Bücherschrank. Wobei es allerdings fraglich ist, ob das freche Poem darin überhaupt aufgenommen wurde. Denn es gibt ja auch Sammlungen ad usum Delphini, also bereinigte, zensierte.
Warum Hier im Steno-Stil der Hintergrund dieses Zitats: Aus dem Delfin (lateinisch französisch der im Mittelalter auf dem Wappen der Grafen von Vienne prangte, wurde später der Ehrentitel der französischen Thronfolger. Deren Erziehung oblag meist älteren Klerikern, und weil es in Werken antiker Klassiker von anstößigen Passagen nur so wimmelte, wurden diese von den Moralwächtern entschärft –
Den jungen Herren gebührendes Gebaren beizubringen, war schließlich oberstes royales Gebot. mit ohne.
Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion,
Karlstraße 16, 88212 Ravensburg