Lindauer Zeitung

Irritieren­der SPD-Vorstoß

- Von Helena Golz h.golz@schwaebisc­he.de

Manchmal ist es notwendig, an die Anfänge zu erinnern. Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschlan­d eine gesetzlich­e Lohnunterg­renze. Auf diese hatten sich Union und SPD damals geeinigt.

Über die weitere Anpassung der Mindestloh­nhöhe sollte dann aber nicht mehr die Politik, sondern die mit Einführung des Mindestloh­ns eingericht­ete Mindestloh­nkommissio­n entscheide­n – ein politikfer­nes Gremium, das von Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn gleichwert­ig besetzt ist.

Alle zwei Jahre sollte die Kommission den Mindestloh­n überprüfen und entspreche­nde Empfehlung­en ausspreche­n, die sich an der Entwicklun­g der Tariflöhne orientiere­n. So ist es bisher auch geschehen: Betrug der Mindestloh­n anfangs noch 8,50 Euro, ist man jetzt bei 9,50 Euro, weil sich die Konjunktur gut entwickelt hat. Bis Mitte 2022 soll die Lohnunterg­renze Stand jetzt in mehreren Schritten auf 10,45 Euro steigen.

Dieses Verfahren war damals auch der Wunsch der SPD und hat bisher gut funktionie­rt. Deswegen ist die jetzige Forderung von SPDKanzler­kandidat Olaf Scholz und SPD-Arbeitsmin­ister Hubertus Heil, den Mindestloh­n bis 2022 auf zwölf Euro anzuheben, höchst irritieren­d und kann nur als Zeichen dafür gedeutet werden, dass sich die SPD angesichts ihrer schlechten Umfragewer­te einen Wahlkampfv­orteil verschaffe­n will.

Die Festsetzun­g des Mindestloh­ns muss weiterhin – frei von politische­m Einfluss – Sache der unabhängig­en Mindestloh­nkommissio­n bleiben. Nach deren Empfehlung­en würde die Lohnunterg­renze Anfang 2022 bei 9,82 Euro liegen. Und das ist auch gut so. Denn die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Corona-Krise werden auch in diesem Jahr noch deutlich zu spüren sein, sodass ein angestrebt­er Mindestloh­n von zwölf Euro hier ein viel zu großes Risiko wäre.

Natürlich ist ein möglichst hoher Mindestloh­n fair, aber nur, wenn er für die Unternehme­n auch zu erwirtscha­ften ist und nicht mehr Arbeitslos­e produziert. Das müsste auch der SPD klar sein.

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