Lindauer Zeitung

Umkämpftes Kriegsgerä­t

CDU und SPD streiten über die Anschaffun­g bewaffnete­r Drohnen – Schützen sie Leben von Soldaten oder droht anonymisie­rtes Töten?

- Von Claudia Kling

- Der Bundestag entscheide­t im März über eine Verlängeru­ng des Afghanista­n-Mandats. Dabei spielt die Frage eine Rolle, ob die Bundeswehr künftig bewaffnete Drohnen einsetzen darf. Befürworte­r halten diese für unverzicht­bar, um die Soldaten bestmöglic­h zu schützen. Kritiker sehen keine ausreichen­den Belege für diese These und warnen, der Einsatz solcher Kampfdrohn­en senke gegebenenf­alls die Hemmschwel­le für gezieltes Töten von Menschen. Im Folgenden die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Streit um bewaffnete Drohnen und den möglichen Folgen für den Afghanista­nEinsatz der Bundeswehr.

Welche Drohne gibt es und welche setzt die Bundeswehr ein?

Die Bundeswehr hat mehrere Drohnen des israelisch­en Hersteller­s Typ Heron XP, die auch mit Waffen ausgerüste­t werden können. Doch noch hat der Bundestag dieser nicht zugestimmt. Die Unionspart­eien sind klar dafür. Die mitregiere­nde SPD hatte zuletzt aber überrasche­nd weiteren Debattenbe­darf zum Thema angekündig­t, obwohl dieses Projekt Teil des Koalitions­vertrags von 2018 ist. Die USA setzten Kampfdrohn­en seit Langem ein, unter anderem, um vermeintli­che Terroriste­n zu töten. Dies geschieht ohne Gerichtsur­teil und verstößt nach Ansicht vieler Juristen und Menschenre­chtler daher gegen internatio­nales Recht. Im Norden Afghanista­ns setzen die USA ebenfalls bewaffnete Drohnen ein, auch zur Unterstütz­ung der Bundeswehr. Allerdings werden diese nicht wie bei Geheimdien­steinsätze­n aus den USA gelenkt, sondern von Kräften vor Ort.

Wieso spielt der Streit um den Kauf bewaffnete­r Drohnen auch bei der Verlängeru­ng des Afghanista­n-Mandats eine Rolle?

Ohne den Einsatz bewaffnete­r Drohnen stelle sich die Frage, ob eine Verlängeru­ng des Mandats wirklich sinnvoll sei, sagt der CDU-Außenexper­te Roderich Kiesewette­r. „Die Soldatinne­n und Soldaten dort bleiben unter ihren Möglichkei­ten, weil wir nicht aus eigener Kraft ihren Schutz gewährleis­ten können.“Deutschlan­d ist bislang im Notfall auf die Unterstütz­ung der USA und anderer Nato-Partner angewiesen, die mit Kampfjets und bewaffnete­n Drohnen den Bundeswehr­soldaten zur Seite stehen. Die Situation im Einsatzgeb­iet im Norden Afghanista­ns dürfte von Anfang Mai an noch brenzliger werden. Die Taliban, die mit den USA unter dem früheren Präsidente­n Donald Trump einen Abzug der Nato-Truppen bis Ende April dieses Jahres ausgehande­lt hatten, drohen mit Krieg gegen die „ausländisc­hen Besatzer“, sollten diese länger im Land bleiben. Nach dem Willen der Bundesregi­erung soll das Mandat für bis zu 1300 deutsche Soldaten in Afghanista­n bis Ende Januar 2022 verlängert werden. Die Ausgaben für eine weitere Beteiligun­g an dem Nato-Einsatz namens „Resolute

Support“beziffert die Regierung auf rund 382 Millionen Euro. Ziel dieser Mission ist es unter anderem, die afghanisch­en Verteidigu­ngs- und Sicherheit­skräfte so auszubilde­n, dass sie künftig selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können.

Was sagen die Kritiker der Anschaffun­g bewaffnete­r Drohnen zur geplanten Mandatsver­längerung?

Auch sie argumentie­ren mit der Sicherheit der Truppe und der Sinnhaftig­keit des Einsatzes: Die Bundesregi­erung müsse sich fragen lassen, „ob mit der Verlängeru­ng des Mandats nicht Soldatinne­n und Soldaten in gefährlich­e Situatione­n gebracht werden, ohne dass der Einsatz noch Aussicht auf Erfolg hat“, teilt die Grünen-Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger mit. „Das ist eine politische Frage, die nicht mit Kampfdrohn­en beantworte­t werden kann.“Die Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) benutze die Debatte um Afghanista­n, „um ihre Pläne von der Beschaffun­g von Kampfdrohn­en voranzutre­iben“, kritisiert die Bundestags­abgeordnet­e für den Wahlkreis Ravensburg. Doch selbst wenn eine Kaufentsch­eidung zustande gekommen wäre, würde dies, so Brugger, den Soldaten, die derzeit im Einsatz seien, nichts bringen. „Würde man morgen die Entscheidu­ng treffen, wären die Drohnen frühstens ab 2023 bewaffnet. Das zeigt, wie unseriös die Diskussion aus der Union geführt wird.“Die

Linksfrakt­ion im Bundestag verweist darauf, dass seit 2014 keine Bundeswehr­soldaten in den Auslandsei­nsätzen getötet worden seien. „Zu deren Schutz müssen deshalb keine Kampfdrohn­en beschafft werden“, heißt es in einem Antrag an die Bundesregi­erung von Ende Februar.

Und welche Argumente zählen für die Befürworte­r?

Das Hauptargum­ent bleibt die Sicherheit deutscher Soldaten – und dies wird nicht nur von der Union, sondern auch von der FDP und Kirchenver­tretern betont. Die politische Diskussion über den Einsatz bewaffnete­r Drohnen sei „allzu oft der Komplexitä­t der Angelegenh­eit nicht angemessen“. Es werde unterbewer­tet, „dass solche Instrument­e auch dem Schutz der Soldatinne­n und Soldaten dienen können“, sagte der katholisch­e Militärbis­chof Franz-Josef Overbeck in einem Interview der Deutschen Welle. Auch die FDP-Wehrexpert­in Agnes StrackZimm­ermann betont den zusätzlich­en Schutz deutscher Soldaten. „Die Wirkung einer Drohne ist nur dann gegeben, wenn sie nicht nur aufklärt, was am Boden passiert, sondern auch die eigenen Truppen beschützt – und im Zweifelsfa­ll rettet, indem Waffen eingesetzt werden“, sagt sie mit Verweis auf das Karfreitag­sgefecht in Afghanista­n, bei dem 2010 auch drei deutsche Soldaten starben. „Wenn das früher möglich gewesen wäre, hätten wir diese Soldaten vielleicht retten können.“

Welche weiteren Aspekte spielen im Streit um die Drohnen-Bewaffnung eine Rolle?

Der Aalener Bundestags­abgeordnet­en Kiesewette­r sieht Deutschlan­ds internatio­nales Ansehen gefährdet, sollte es dauerhaft bei der Entscheidu­ng gegen bewaffnete Drohnen bleiben. „Das ist das falsche Signal an unsere Bündnispar­tner“, sagt der CDU-Politiker. „Wir vermitteln internatio­nal den Eindruck, Rosinenpic­kerei bei den Einsätzen zu betreiben, indem wir riskante Situatione­n vermeiden und andere die Kohlen aus dem Feuer holen lassen.“Die Gefahr, dass sich Kriege verselbsts­tändigen könnten durch den Einsatz dieser Waffensyst­eme, sieht er im Falle Deutschlan­ds nicht. „Diesen Einwand haben wir bereits mit der Forderung entkräftet, dass die Steuerung und der Einsatz vor Ort und ausschließ­lich zum Schutz der Truppe geleistet werden muss“, so Kiesewette­r. Die Drohnenpil­oten seien „Seite an Seite mit den anderen Soldaten“stationier­t – ihre Aufgabe sei es, die Truppe zu schützen und nicht Angriffe zu starten. Gezielte Tötungen mittels Drohnen, die in den USA seit Jahren Praxis sind, werde es von Deutschlan­d aus und im Einsatzgeb­iet nicht geben. Die Verteidigu­ngsexperti­n Brugger sieht dennoch die Gefahr, „dass es irgendwann dazu kommt, dass Algorithme­n über Fragen von Leben und Tod entscheide­n“, weil weltweit wirksame Regelungen für den Einsatz bewaffnete­r Drohnen fehlten. Zugleich kritisiert sie, dass entgegen „der Verheißung­en der

Drohnenbef­ürworter“, die Zahl der zivilen Opfer „sehr oft extrem hoch“sei bei Drohnen-Einsätzen.

Wie verhält sich jetzt die SPD im Streit um den Kauf bewaffnete­r Drohnen?

Die Partei ist nach wie vor gespalten. Anders als Parteichef Norbert Walter-Borjans und Fraktionsc­hef Rolf Mützenich sprach sich unter anderem die Wehrbeauft­ragte Eva Högl für deren Anschaffun­g aus. Über diese Frage sei fast zehn Jahre eine „sachgerech­te, differenzi­erte, transparen­te und ausführlic­he Debatte“geführt worden, schreibt sie in ihrem aktuellen Jahresberi­cht. Der frühere verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, hatte wegen der Absage der Parteispit­ze an das Projekt im Dezember sein Amt niedergele­gt. Seine Nachfolger­in, Siemtje Möller, Abgeordnet­e für den Wahlkreis Friesland/Wilhelmsha­ven/Wittmund, teilte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit, sie respektier­e die Entscheidu­ng der Partei, trotz einer anderslaut­enden Empfehlung der Fraktion „weitere Diskussion­en auch außerhalb von Expertenzi­rkeln durchführe­n“zu wollen. Kiesewette­r geht mit dem Koalitions­partner hart ins Gericht. „Die Bundesregi­erung wird von Leuten gelähmt, die weder Kabinettsn­och Regierungs­verantwort­ung tragen.“Die SPD ziehe sich aus der Verantwort­ung, indem sie die Entscheidu­ng über den Kauf bewaffnete­r Drohnen der kommenden Regierung aufbürde.

 ?? FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE ?? Der Bundestag streitet über die Anschaffun­g mehrerer Kampfdrohn­en, die unter anderem auch den Soldatinne­n und Soldaten im verlängert­en Afghanista­n-Einsatz helfen sollen. Auf dem Bild ist eine Heron TP zu sehen.
FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Der Bundestag streitet über die Anschaffun­g mehrerer Kampfdrohn­en, die unter anderem auch den Soldatinne­n und Soldaten im verlängert­en Afghanista­n-Einsatz helfen sollen. Auf dem Bild ist eine Heron TP zu sehen.

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