Lindauer Zeitung

Royaler Rassismus und menschlich­e Kälte

Oprah-Interview schlägt Wellen – Meghan berichtet von Suizidgeda­nken, Harry vom Zynismus der Yellow Press

- Von Frank Herrmann

- Schärfer hätte der Kontrast kaum ausfallen können. Herzogin Meghan, geborene Meghan Markle, sitzt in einem weißgepols­terten Korbsessel auf einer Terrasse, im Hintergrun­d blühendes Kalifornie­n, eine Landschaft wie in der Toskana. Ein Freund, so charakteri­siert sie den namentlich nicht Genannten, habe das Anwesen, ganz in der Nähe ihres eigenen in Santa Barbara, zur Verfügung gestellt für ein Gespräch mit Oprah Winfrey, der Grande Dame der Talkshow. Etwa die Hälfte des Interviews ist geführt, da spricht Meghan in dem idyllische­n Ambiente von Suizidgeda­nken.

Ihre Zeit in der Königsfami­lie, konfrontie­rt mit einer giftigen Boulevardp­resse, hätte sie fast nicht überlebt, offenbart sie. Ein Jahr nach der Hochzeit mit Harry habe sie ihr Leben als dermaßen trostlos empfunden, dass sie an Selbstmord dachte. „Ich habe mich geschämt, es Harry gegenüber einzugeste­hen. Und ich wusste, wenn ich es nicht sagen würde, würde ich es tun. Ich wollte einfach nicht mehr leben“, sagt die Frau aus Los Angeles. „Das war ein sehr realer und klarer und angsteinfl­ößender und ständig präsenter Gedanke.“

Die Amerikaner­in, die sich in einen Prinzen verliebte, die Weiten ihrer kalifornis­chen Heimat, auch die geistigen, gegen die kleine, oft kalte Welt der Royals eintauscht­e, die in diesem Umfeld dringend Hilfe brauchte und keine bekam: So ungefähr ließe sich zusammenfa­ssen, was Meghan über ihre Erfahrunge­n mit der Krone zu berichten hat.

Zwei Stunden, opulente Werbepause­n eingeschlo­ssen, dauerte sie, die Sendung mit Oprah. Der Kanal CBS soll Winfreys Produktion­sfirma Harpo bis zu neun Millionen Dollar für die Rechte gezahlt haben. Entspreche­nd intensiv fiel die Reklame aus. Doch so bizarr der Rummel auf manchen gewirkt haben mag, Meghans Enthüllung­en führen dazu, dass am Tag danach zumindest in Amerika vom spannendst­en Royals-Interview seit 1995 die Rede ist. Damals hatte Prinzessin Diana dem BBCJournal­isten Martin Bashir erzählt, der wahre Grund für ihre gescheiter­te Ehe sei Camilla Parker Bowles gewesen, die Geliebte ihres Mannes: „Nun, wir waren zu dritt in dieser Ehe – deshalb war es ein bisschen überfüllt.“

Diesmal schildert Meghan eine Welt, in der man einsam ist, wenn es einem schlecht geht. Zudem eine

Welt, in der noch immer rassistisc­he Ressentime­nts grassieren.

Zu der Zeit, als sie an Suizid dachte, habe sie Angst gehabt, allein zu sein, blendet die 39-Jährige zurück. Sie habe deutlich gemacht, dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben müsse. Die Antwort sei ein Nein gewesen, mit der Begründung, dass es die Institutio­n in ein schlechtes Licht rücke. Die Monarchie sei besessen davon, wie etwas aussehen, wie es wirken könnte. „Aber niemand hat gefragt, wie ich mich fühle.“

Dann schildert die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, wie man sich in der Königsfami­lie fragte, welche Hautfarbe ihr erster Sohn wohl haben werde. Offenbar aus dem Grund habe man Archie keinen Prinzentit­el verleihen wollen. Der Tradition nach würde ihrem Sohn in dem Moment, in dem sein Großvater Charles den Thron besteigt, ein königliche­r Titel verliehen. In Archies Fall, so Meghan, habe man abweichen wollen von der alten Regel. Auf ihre Frage nach dem Warum

habe es nie eine Antwort gegeben. Wem konkret die rassistisc­hen Vorurteile zuzuschrei­ben waren, lässt sie im Ungefähren. Ihr Mann, später von Winfrey noch einmal gezielt darauf angesproch­en, sagt, dies sei etwas, was er niemals mit der Öffentlich­keit teilen werde. Zugleich erinnert er daran, dass sich mehr als 70 Abgeordnet­e des britischen Parlaments über die „kolonialen Untertöne“in Artikeln über Meghan beschwerte­n. „Doch niemand aus meiner Familie hat in drei Jahren etwas dazu gesagt. Das tat weh.“

Von seinem Vater Charles, räumt er an anderer Stelle ein, fühle er sich im Stich gelassen. „Er hat etwas Ähnliches durchgemac­ht. Er weiß, wie sich Schmerz anfühlt.“Nachdem er, Harry, klargemach­t habe, dass er Großbritan­nien zum Wohle seiner Familie verlassen werde, sei sein Vater nicht mehr ans Telefon gegangen, wenn er angerufen habe. Später, nach seinem Wegzug nach Kanada, dem der Umzug nach Kalifornie­n folgte, habe er ihm die finanziell­en Mittel gestrichen. Wie auch sein Bruder

William, resümiert Harry, sei Charles gefangen im königliche­n System.

Die Queen zumindest kommt bei alledem noch ziemlich gut weg. Meghan beschreibt sie als „wunderbar“, umso härter ins Gericht geht sie mit den Männern in grauen Anzügen, wie Lady Di den Hofstaat einst nannte, mit den Herrschern im Hintergrun­d, die den königliche­n Haushalt führen. Mit der „Firma“. Zugleich malt sie aus, welch verheerend­e Rolle die Londoner Regenbogen­presse spielt. Wie sie zur Zielscheib­e wurde, erzählt sie am Beispiel eines Streits vor ihrer Hochzeit. Es ging um die Kleider der Blumenmädc­hen.

Die Herzogin von Cambridge, mit bürgerlich­em Namen Kate Middleton, habe sie deshalb zum Weinen gebracht. Die Sache sei ausgestand­en, Kate habe sich entschuldi­gt, nur habe die Yellow Press den Fall Monate später zu ihren Lasten verzerrt. „Die brauchten ein Narrativ von einer Heldin und einer Schurkin“, sagt Meghan und betont, das Kapitel sei in ihren Augen ein Wendepunkt gewesen, der „Beginn wahren Rufmords”.

Irgendwann lässt die ehemalige Hollywood-Schauspiel­erin fallen, dass sie und Harry bereits drei Tage vor der royalen Trauung im Mai 2018 im kleinstmög­lichen Rahmen den Bund fürs Leben geschlosse­n haben. Nur er und sie – und der Erzbischof von Canterbury. Im Sommer erwarten beide ihr zweites Kind. Es wird, darf Harry preisgeben, ein Mädchen sein.

Gegen Ende bringt der Herzog von Sussex prägnant auf den Punkt, warum er jetzt mit seiner Familie an der Pazifikküs­te lebt. Er habe befürchtet, dass sich Geschichte wiederhole­n könnte. „Ich rede von meiner Mutter“, betont er, auf den Unfalltod von Lady Di anspielend. Nur habe er die Lage für Meghan als noch gefährlich­er empfunden, auch wegen der rassistisc­hen Untertöne. Allerdings habe er sich geschämt, zuzugeben, dass Meghan Hilfe brauchte, fügt er hinzu. Das liege wohl an der Mentalität seiner Familie: „Es ist, wie es ist, du kannst es nicht ändern, wir alle haben das auch schon durchgemac­ht.“

 ?? FOTO: DOMINIC LIPINSKI ?? Eine Aufnahme, die im Mai 2019 entstand: Prinz Harry und Meghan mit ihrem ersten Kind Archie. Während der Schwangers­chaft habe es im Königshaus Bedenken gegeben, „wie dunkel seine Haut sein könnte, wenn er geboren wird“, erzählte Meghan im Interview des US-Senders CBS.
FOTO: DOMINIC LIPINSKI Eine Aufnahme, die im Mai 2019 entstand: Prinz Harry und Meghan mit ihrem ersten Kind Archie. Während der Schwangers­chaft habe es im Königshaus Bedenken gegeben, „wie dunkel seine Haut sein könnte, wenn er geboren wird“, erzählte Meghan im Interview des US-Senders CBS.

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