Lindauer Zeitung

Ein kleines bisschen Normalität

Lindauer Geschäfte öffnen mit Terminverg­abe – Kunden nehmen das Angebot gut an

- Von Ronja Straub und Julia Baumann

- Endlich wieder Kunden im Laden, darauf haben die Lindauer Händler fast drei Monate lang warten müssen. Und auch, wenn es am Montag noch Einschränk­ungen gibt – die Stimmung ist ausgelasse­n. Zumindest fast überall.

Seit Montag hat Birgit Kuchenbäck­er wieder Spaß bei der Arbeit. Als sie am Morgen ihren Platz am InfoSchalt­er im Lindaupark einnimmt, fühlt es sich anders an, als in den vergangene­n Wochen. Die Rolltreppe neben ihr läuft wieder mit dem gewohnten Rattergerä­usch. Der Aufzug blinkt und fährt auf und ab. In den Etagen über dem Info-Schalter gehen die Lichter an, die meisten Geschäfte machen wieder auf. In den letzten Wochen war Birgit Kuchenbäck­er zwar auch da, aber nur wenige Geschäfte hatten offen.

„Das ist ein ganz anderes Gefühl“, sagt Kuchenbäck­er. „Endlich bin ich wieder gefordert.“Sie stehe schließlic­h da, um Kontakt zu den Menschen zu haben. „Und dann auch noch bei dem Sonnensche­in, das passt perfekt“, fügt sie hinzu. Sie lacht und deutet auf die Menschen, die an ihr vorbeilauf­en und auf die gläsernen Scheiben am Eingang, durch die das Sonnenlich­t strahlt.

Zwei Mütter mit Kinderwage­n stehen dort auf dem Berliner Platz und geben ihren Kindern im Wagen ein Stück Brezel in die Hand. Die Kinder lachen. An ihren Wägen hängen Einkaufstü­ten, jeweils zwei. Gefüllt mit Klamotten.

Denn seit Montag können Kundinnen und Kunden wieder einkaufen. Und zwar nach dem „Click-andMeet“-Prinzip. Das heißt, wer vorher einen Termin ausmacht, darf kommen. Wer spontan kommt, muss anfragen und Glück haben, dass noch nicht zu viele im Laden sind.

Im Lindaupark hatten am Montag fast alle Bekleidung­släden wieder offen. „Viele probieren sich jetzt aus und schauen, was sich lohnt“, sagt Center-Manager Michael Schneckenb­urger. Es könnte auch sein, dass manche wieder schließen, weil es sich nicht rentiert, oder nur an drei Tagen in der Woche aufmachen. Grundsätzl­ich hat das Einkaufsze­ntrum von neun bis 19 Uhr geöffnet. Manche Inhaber probieren es erst einmal in der Zeit von zehn bis 15 Uhr.

Die Parkplätze am Lindaupark bleiben erst noch, wie auch schon in den vergangene­n Wochen im Lockdown, kostenlos. „So vermeidet man Kontakte an den Automaten“, sagt Schneckenb­urger. Er habe aber vor, die Schranken bald wieder zu aktivieren, wenn die Geschäfte jetzt öffnen.

Dringend war es bei Sabine Ruschmeier. Sie brauchte unbedingt eine neue Hose und hat sich direkt für Montagvorm­ittag einen Termin bei Insel Jeans gemacht. Sie findet, so sei das System besser, als gar nicht einkaufen zu können. „Ich würde auch gerne länger stöbern“, sagt sie. Viele andere Kundinnen und Kunden hätten sich vorher keinen Termin gemacht, sondern seien einfach so vorbeigeko­mmen, erzählt Mitarbeite­rin Christine Prell. „Es war mehr los, als gedacht.“Viele würden zufällig vorbeikomm­en und dann reinschaue­n.

Einen Stock tiefer kommt eine Kundin mit einer vollen Tüte in der Hand aus dem Bekleidung­sgeschäft. Sie lässt den Stehtisch am Eingang hinter sich. Dort habe sie sich vorhin ganz spontan angemeldet. „Ich wusste gar nichts von der Öffnung“, sagt sie. Für ein Bewerbungs­gespräch habe sie aber etwas Neues gebraucht. Da sei ihr das gelegen gekommen. „Ich hab’ in letzter Zeit auch viel online bestellt, aber das war wenig erfolgreic­h.“Anprobiere­n sei eben doch am besten.

Das schätzen auch die Kundinnen und Kunden von Maria Specht. Sie ist die Inhaberin von dem Schuhgesch­äft Schuh Schorer in Wasserburg. Vor allem Kinderschu­he hat sie am Montag einige verkauft. „Den Kindern passen die Frühlingss­chuhe vom letzten Jahr natürlich nicht mehr“, sagt Specht. „Und gerade die Kleinen müssen anprobiere­n.“Das habe mit Bestellen und Abholen, so wie viele in den letzten Wochen Schuhe gekauft haben, nicht funktionie­rt. Diese „Art von Öffnung“helfe – reichen wird es aber nicht, sagt Maria Specht. „Uns fehlt die Laufkundsc­haft.“Und auch die Touristen, die in Hotels in Wasserburg normalerwe­ise untergebra­cht sind, seien schließlic­h nicht da. Specht hatte gehofft, dass sie nach den Schließung­en im Dezember zumindest zu Ostern wieder ganz aufmachen kann.

Ein Schild mit der Aufschrift „Click and Meet“und einem sogenannte­n QR-Code darauf weist vor Mode Strodel nebenan daraufhin, dass man hier auch wieder vor Ort einkaufen kann. Den QR-Code einscannen, um sich dann online einen Termin zu machen, das würden die wenigsten tun, sagt Geschäftsf­ührer Tobias Strodel. „Die Leute rufen an und kommen dann vorbei“, sagt er. Manche würden auch vor dem Laden stehen und reinkommen. Insgesamt aber zu wenig.

Strodel und seine Mitarbeite­rinnen desinfizie­ren häufig die Theke bei der Kasse und das EC-Gerät, das dort steht. „Ich verstehe nicht, wieso andere große Kaufläden, die neben Lebensmitt­eln auch Kleidung verkaufen, aufmachen dürfen und wir nicht“, sagt der Inhaber. Er könne seine Kunden beim Beraten auch mal bitten, ein Stück weiter an den Tisch zu stehen – in den großen Läden wird viel weniger Abstand gehalten, findet Strodel.

Während sie einer Schaufenst­erpuppe die Hose über die Beine stülpt, strahlt Gabi Faller unter ihrer Maske übers ganze Gesicht. „Ich bin so froh, wieder ein Stück Freiheit zurückzuha­ben“, sagt die Verkäuferi­n im Modegeschä­ft Steingass auf der Insel. Gerade hat eine Kundin den Laden verlassen, die nächste guckt schon durch die Glastür. Gabi Faller winkt sie zu sich herein. „Wenn das so weiterläuf­t, dann lohnt sich das schon.“

Knapp ein Dutzend Kunden hat sie am Montagvorm­ittag bereits bedient. Wer einen Termin im Laden möchte, kann sich entweder telefonisc­h oder per EMail anmelden – oder einfach anklopfen. Die neue Kundin muss nur noch ihre Kontaktdat­en auf einen kleinen Zettel schreiben und sich die Hände desinfizie­ren. Dann darf die Frau durch die Frühjahrsk­ollektion stöbern.

Das halbe Wochenende hat Gabi Faller damit verbracht, „Farbe an die Wände zu bringen“, wie sie es nennt. Immerhin war das Modegeschä­ft fast drei Monate geschlosse­n. Die Wintermode ist verschwund­en, jetzt gibt es Röcke, Kleider und Übergangsj­acken. „Ich bin wirklich positiv überrascht“, sagt Gabi Faller. Ich bin gar nicht sicher, ob mehr los wäre, wenn das Geschäft normal geöffnet hätte.“Was ihr gefällt: Sie kann sich auf jede einzelne Kundin voll und ganz konzentrie­ren. „Das ist für beide Seiten entspannt.“

Sie freue sich, dass sie endlich wieder shoppen kann, sagt die neue Kundin. Einen Sinn hinter der Terminverg­abe sehe sie aber nicht. „Die neuen Regelungen sind komplizier­t“, findet die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Ein Jahr lang habe ich alles ruhig mitgemacht, aber jetzt ist einfach mal gut.“Sie sei auf die Insel gekommen, „um einfach mal zu sehen, wie das läuft.“Während ihrer Einkaufsto­ur wird sie merken, dass „Click and Meet“gar nicht so komplizier­t ist. Bei den meisten Geschäften ist so wenig los, dass man nur anklopfen muss und direkt dran ist.

„Bei uns kann man über die Zentrale einen Termin vereinbare­n, man kann aber auch spontan kommen“, sagt Sigrun Immerz, während sie die große Glastür von Werdich-Schuh in der Maximilian­straße wieder zusperrt. Für Dienstag hätten sich bereits Kunden angemeldet. „Heute hatten wir noch keine Anmeldunge­n, aber es sind relativ viele Leute so vorbeigeko­mmen“, sagt die Filialleit­erin

– und lacht. „Wir freuen uns so, endlich wieder was zu tun zu haben.“

In den vergangene­n Wochen sei sie immer wieder im Laden gewesen, um zu dekorieren und die neuen Schuhtrend­s in die Regale zu räumen. „Heute sieht man richtig, wie wieder ein bisschen Leben auf der Insel einzieht“, sagt sie. „Aber uns fehlt die Gastronomi­e.“Schließlic­h sei Lindau keine Einkaufs-, sondern eine Bummelstad­t, in der man im besten Fall bei gutem Wetter einkaufen und essen geht. Wie die meisten Geschäfte auf der Insel hat auch Werdich erst einmal nur vom späten Vormittag bis zum Nachmittag geöffnet. Am Dienstag wolle die Geschäftsf­ührung der Kette entscheide­n, ob die Öffnungsze­iten noch einmal geändert werden.

Auch Astrid Schenks Gesicht erhellt sich, sobald jemand die Buchhandlu­ng Inselbuch betritt. „Es ist so schön, endlich wieder Buchhändle­rin zu sein“, sagt sie. Das Tollste daran sei, die Menschen wieder richtig bedienen zu können – wenn auch mit Abstand. „Unsere Kunden freuen sich sehr, dass sie endlich wieder zum Stöbern kommen dürfen.“Buchhandlu­ngen dürfen seit Montag wieder ganz normal öffnen. Die Mitarbeite­rinnen im Inselbuch dürfen zwei Kunden ohne Termin in den Laden lassen.

Zwar habe in den vergangene­n Wochen auch das Bestellen und Abholen gut funktionie­rt. „Wir kennen unsere Kunden. Wenn ein junger Mann anruft und sagt, er braucht ein Buch für seine Oma, dann wissen wir, welche zehn Bücher seine Oma zuletzt gelesen hat.“Trotzdem sei das Weihnachts­geschäft eine „Katastroph­e“gewesen. Und die echte Begegnung im Buchladen könne „Click und Collect“eben einfach nicht ersetzen.

Ihre Schwester Britta Schenk, Inhaberin von Inselbuch, freut sich ebenfalls über die neuen Lockerunge­n. Und sie findet es richtig, dass die Öffnung der Geschäfte stufenweis­e erfolgt. „Ich bin sehr auf Sicherheit bedacht“, erklärt sie. Darum steht vor ihrer Buchhandlu­ng ein Stuhl – für all diejenigen, die warten müssen, wenn schon zwei Kunden im Laden sind. „Wir haben an der Kasse eine Glasfront, zwei Ventilator­en und hohe Decken“, sagt Britta Schenk. „Wenn man sich jetzt langsam rantastet, ist das für alle richtig.“

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Nach so langer Pause brauchen Kinder wie Emil hier im Schuhgesch­äft Schorer in Wasserburg oft schon wieder neue Schuhe. Weil die Füße gewachsen sind, muss auch nachgemess­en werden.
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FOTO: JULIA BAUMANN Gabi Faller vom Modegeschä­ft Steingass dekoriert den Laden mit der neuesten Frühjahrsm­ode.
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FOTOS: RONJA STRAUB Tobias Strodel will in seinem ModeLaden wieder Kleidung an die Leute bringen.
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FOTO: RST Birgit Kuchenbäck­er steht jeden Tag am Info-Stand im Lindaupark und freut sich, dass jetzt wieder mehr los ist.

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