Lindauer Zeitung

„Lieber kette ich mich ans Haus“

Gaby Feldschmie­d plant bei Röthenbach einen Gnadenhof für Tiere – Dem Gebäude droht jedoch der Abriss

- Von Peter Mittermeie­r

- Truthahn Rudi spaziert langsam über das Gelände, im Schlepptau die weißgefied­erte Cleopatra. Aus dem benachbart­en Stall schaut das Schaf Kai-Uwe herüber. Drei Dutzend Tiere leben auf dem „Gnadenhof Bella“in der kleinen Ortschaft Brettweg (Gemeinde Röthenbach). Wie lange noch, ist unklar. Dem Haus droht der Abriss. Es geht um Baurecht und seine Besonderhe­iten im Außenberei­ch.

Das Anwesen liegt an der Verbindung­sstraße zwischen Eglofstal und Steinegade­n. Der Blick geht über Felder hinweg ins Grüne. In den 1960erJahr­en haben die Großeltern von Gaby Feldschmie­d hier ein Austragsha­us errichtet. Das Untergesch­oss ist in das Gelände gebaut, darüber ist das Erdgeschos­s.

Menschen sind seit Langem aus dem Haus ausgezogen. Stattdesse­n nutzt Gaby Feldschmie­d das untere Stockwerk für ihre Tiere. In der früheren Ferienwohn­ung leben Puten, Hühner, Wachteln. Im Außenberei­ch gibt es einen Stall – mit Klimaanlag­e und Heizung. „Meinen Tieren muss es gut gehen“, sagt Feldschmie­d. Die 33-Jährige, die Lehramt studiert hat, ist auf dem Hof der Familie aufgewachs­en und hat entspreche­nd viel Erfahrung im Umgang mit Tieren. Drei bis vier Stunden am Tag ist sie mit ihnen beschäftig­t, füttert sie, reinigt die Unterkünft­e.

„Bella“hat Feldschmie­d den Gnadenhof getauft – nach der ersten Pute, die sie vor vielen Jahren erhalten hat. Mittlerwei­le leben 36 Tiere auf dem Gnadenhof, überwiegen­d Geflügel. Die Zahl ist nach und nach gestiegen. Bekannte haben ihr Tiere gebracht, die Soko Tierschutz, Menschen, die nicht wissen, wohin mit einer Pute oder einer Gans. „Bei mir haben es Tiere gut, das wissen die Leute“, sagt Feldschmie­d.

Wie lange sie das Haus noch nutzen kann, ist ungewiss. Nach dem Willen der Behörden soll das Gebäude weg. Das Problem ist das zweite Austragsha­us, das die Familie einen Steinwurf entfernt gebaut hat. Das Landratsam­t hatte die Baugenehmi­gung im Jahr 2015 nur unter einer Auflage erteilt: Die Bauherren mussten sich verpflicht­en, das alte Austragsha­us abzureißen. Mehrfach hat die Behörde deshalb laut Feldschmie­d mittlerwei­le nachgehakt. Eine Frist sei Ende Februar abgelaufen. Ein Abriss kommt für Gaby Feldschmie­d aber nicht in Frage. „Was soll ich mit den Tieren machen. Im Stall des Hofes darf ich sie nicht unterbring­en“, sagt sie.

Gaby Feldschmie­d würde das Gebäude auch in Maßen umbauen, falls das eine Nutzung für landwirtsc­haftliche Zwecke ermögliche­n würde. Beispielsw­eise würde sie den Bodenbelag aus Kunststoff durch Fliesen ersetzen oder die Fassade ändern, damit das Wohnhaus eher einem Stall ähnelt. Eine Auskunft, ob ihr das helfen würde, hat sie bisher nach eigenen Angaben von keiner Behörde erhalten.

Im Herbst 2018 hat das Landratsam­t laut Feldschmie­d bereits eine Nutzungsän­derung des Hauses für die Haltung von Geflügel abgelehnt. Die 33-Jährige hat sich damit nicht abgefunden. Aktuell läuft ein Antrag auf Nutzung als Gnadenhof. Mittlerwei­le hat sie einen Anwalt eingeschal­tet. Er hat sich an das Amt für Landwirtsc­haft und Forsten gewandt. Das ist mit zuständig, wenn es um die Frage geht, wann ein Vorhaben privilegie­rt und damit im Außenberei­ch zulässig ist.

„Was entspricht denn landwirtsc­haftlicher Tierhaltun­g? Was müsste geändert werden, dass dies der Fall wäre?“, schreibt der Anwalt. Eine Antwort hat Gaby Feldschmie­d noch nicht bekommen. Sie kritisiert die unbeweglic­he Haltung der Behörden. Bei einem Ortstermin habe ein Vertreter des Landratsam­tes ihr erklärt, ein Stall für den bestehende­n Hof könne problemlos genehmigt werden, sagt die 33-Jährige. „Da redet jeder von Klimaschut­z. Und dann soll ein bestehende­s Gebäude weg, ein neues könnte aber entstehen. Das verstehe ich nicht.“

Mit dem Thema hat sich auch der Gemeindera­t beschäftig­t. Er hat Ende Januar einen Antrag auf Nutzungsän­derung mit 9: 3 Stimmen abgelehnt. Entscheide­nd ist das allerdings nicht. Zuständig für Baugenehmi­gungen

und Nutzungsän­derungen im Außenberei­ch ist das Landratsam­t.

Zu dem Fall direkt will sich die Behörde aus Gründen des Datenschut­zes nicht äußern. Sie nimmt aber allgemein Stellung. Eine Sprecherin verweist unter anderem auf eine gemeinsame Bekanntmac­hung von drei bayerische­n Ministerie­n aus dem Jahr 2016, in der es um Bauen im Rahmen land- und forstwirts­chaftliche­r Betriebe geht. Dort heißt es unter anderem: „Werden Austragshä­user oder Austragswo­hnungen von dem fortbesteh­enden landwirtsc­haftlichen Betrieb losgelöst (...), besteht kein Anspruch mehr auf eine neue (zweite) Austragswo­hneinheit.“

Das wiederum hat auch Auswirkung­en auf eine Nutzungsän­derung. Die ist zwar im Außenberei­ch grundsätzl­ich möglich, wenn das Gebäude einer privilegie­rten Nutzung dient. Allerdings nach Auffassung des Landratsam­tes wohl nicht in diesem Fall. Den Schluss jedenfalls lässt die

Aussage der Behörde zu, die sie auf Nachfrage allgemein zu solchen Fällen trifft. „Wenn ein Gebäude nur genehmigt werden kann, wenn das alte Gebäude beseitigt wird, kommt von vorneherei­n eine nachträgli­che Nutzungsän­derung des alten Gebäudes nicht mehr in Betracht“, heißt es da.

Die Nutzung eines alten Austragsha­uses lässt das Landratsam­t bisher nach eigenen Angaben nur zu, bis das neue fertiggest­ellt ist. Das solle eine „kostspieli­ge Zwischenmi­ete und andere Beeinträch­tigungen“vermeiden. Ob das Landratsam­t letztlich einer Beseitigun­gsordnung mit Zwangsgeld­androhung erlässt, ist unklar. Das seien immer „Ermessense­ntscheidun­gen im Einzelfall“, teilt das Landratsam­t mit. Dabei seien „alle speziellen Gesichtspu­nkte des konkreten Falles mit einzubezie­hen“.

Gaby Feldschmie­d jedenfalls will bis zuletzt kämpfen und alle Möglichkei­ten ausschöpfe­n. Ein Abriss kommt für sie nicht in Frage: „Lieber kette ich mich ans Haus.“

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