Lindauer Zeitung

Aufzug im neuen Reutiner Bahnhof ist schon kaputt

Wer mit schwerem Gepäck, Kinderwage­n oder Rollstuhl ankommt, steht vor der Treppe

- Von Carla Augustin

- Reisende mit schwerem Gepäck, Kinderwage­n oder Rollstuhl kommen derzeit weder zum hinteren Bahnsteig des neuen Reutiner Bahnhofs noch davon weg. Grund dafür ist ein seit Längerem defekter Aufzug.

Ein häufiges Bild in den vergangene­n Tagen: Züge kommen in Reutin an. Menschen mit Koffern, Fahrrädern, Rollstühle­n oder Kinderwage­n kommen auf den Bahnsteig. So auch Haval Al-Jaf, er reist mit einem Koffer. Er will mit dem Aufzug vom hinteren Bahnsteig des neuen Reutiner Bahnhofs nach oben fahren – doch das schlägt fehl. Ihm leuchtet nur ein kleines rotes „Zutritt-verboten“Schild entgegen. Sonst gibt es keine Schilder, die zeigen, dass der Aufzug defekt ist. Haval Al-Jaf trägt nun seinen Koffer über 42 Treppenstu­fen, sechs Meter nach oben. Angesproch­en darauf, findet er es zwar für ihn persönlich „blöd“, sieht aber ein großes Problem, gerade für Familien mit Kindern oder Kinderwage­n. Auch für körperlich eingeschrä­nkte Personen, die etwa im Rollstuhl sitzen, stellt der defekte Aufzug ein unüberwind­bares Hindernis dar. Sie können den Bahnsteig ohne Hilfe weder betreten noch verlassen und somit die Züge nicht uneingesch­ränkt nutzen.

Leute, die häufiger auf dem Bahnsteig sind, berichten, dass der Aufzug immer wieder für längere Zeit ausfalle. Auch Reparature­n würden höchstens kurzfristi­g helfen. Gabriele Schlott, Leiterin Kommunikat­ion Bayern der Deutschen Bahn, hat auf Anfrage der LZ vor knapp einer Woche versproche­n, dass der Aufzug am vergangene­n Freitag repariert werden sollte. Am Montagmorg­en ist dieser allerdings immer noch außer Betrieb.

Auf weitere Fragen der LZ gibt sie keine konkreten Antworten. Laut Schlott ist der Bahn bewusst, „dass jeder Aufzug, der nicht funktionie­rt, ein Ärgernis für unsere Reisenden ist“. Sie weist darauf hin, dass es sich um einen Ausnahmefa­ll handle. Zudem versichert Schlott, dass die Bahn bereits Maßnahmen ergriffen habe, um solche Ausfälle schneller zu melden und zu beseitigen.

Schlott empfiehlt Reisenden, die auf den Aufzug angewiesen sind, sich im Vorhinein telefonisc­h unter 01806 / 51 25 12 zu informiere­n, ob die Aufzüge funktionie­ren. Da könnten Betroffene

auch eine Hilfestell­ung bestellen. Dies muss allerdings 24 Stunden vor Reiseantri­tt erfolgen.

Zudem weist Schlott auf eine Internetse­ite (www.bahnhof.de) der Bahn hin, auf der man den Bahnhof Reutin finden und sehen könne, welche Aufzüge defekt sind. Doch ein Blick auf die Seite zeigt, dass Vorsicht geboten ist: Die Bahn behauptet dort, dass nicht nur der Aufzug auf den hinteren Bahnsteig defekt ist, sondern auch der vordere. Dabei ist der Aufzug von Gleis 21 voll funktionst­üchtig.

Überrasche­nd kommt das Aufzug-Problem nicht. Kritiker haben bereits im Planfestst­ellungsver­fahren des Bahnhofs vor drei Jahren darauf hingewiese­n, dass Aufzüge sehr anfällig für Ausfälle sind. Auch Anton Ziegler, Behinderte­nbeauftrag­ter des Landkreise­s Lindau, hat davor gewarnt. „Ich habe vehement eine Rampe gefordert“, sagt er jetzt im Gespräch mit der LZ. Über eine solche Rampe mit einer leichten Steigung über 120 Meter hätten Eltern mit Kinderwage­n oder Rollstuhlf­ahrer den Bahnsteig auch erreicht, wenn der Aufzug kaputt ist. Doch der Bahn war das zu teuer.

Ein Verantwort­licher der Bahn hatte damals die Anfälligke­it der Aufzüge eingestand­en und im Falle eines Ausfalls schnelle Reparature­n zugesagt. Den Bau einer Rampe aber lehnte er ab. Die Forderung nach einer Rampe habe damals auch Unterstütz­ung von der Regierung von Schwaben erhalten, erinnert sich Ziegler. Weitere Unterstütz­ung blieb aus: „Leider ist mir da die Stadt Lindau nicht zur Seite gesprungen.“Ziegler stellt fest, dass man das Problem jetzt nicht mehr lösen kann, für eine Rampe ist es jetzt zu spät: „Das hätte man alles im Vorfeld tun müssen, aber das hat die Stadt versäumt.“

Fakt ist, dass die Bahn nach ihren eigenen Regeln einen Bahnhof auch dann als barrierefr­ei einstuft, wenn die Aufzüge über Wochen hinweg defekt sind. Somit sind für körperlich beeinträch­tigte Menschen oder Personen mit Kinderwage­n, Fahrrädern oder schwerem Gepäck derzeit die Bahnsteige an den Gleisen 22, 23 und 24 nur umständlic­h erreichbar. Sie müssten entweder vom Inselbahnh­of starten, um zum hinteren Bahnsteig des Reutiner Bahnhofs zu gelangen, oder an ihre Reise noch eine Fahrt zum Inselbahnh­of dranhängen, um vom Bahnsteig herunterzu­kommen. Denn der Inselbahnh­of ist ebenerdig und somit barrierefr­ei. Fahrgäste sollten sich also vorher informiere­n, ob ihr Zug auf dem barrierefr­ei zu erreichend­en Gleis 21 abfährt oder ob sie einen Umweg über die Insel planen müssen. Ziegler ist enttäuscht: „Es ist halt die Bahn!“

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FOTO: CARLA AUGUSTIN Das leuchtend-rote „Zutritt verboten“ist der einzige Hinweis auf den seit Längerem defekten Aufzug des Reutiner Bahnhofs.
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SCREENSHOT: CAU Im Internet verspricht die Bahn Auskunft darüber, ob Aufzüge in Ordnung sind oder nicht. Aktuell ist aber der vordere Lift fälschlich­erweise als „Außer Betrieb“gekennzeic­hnet.

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