Lindauer Zeitung

Mehr als 100 Jahre alte Kartusche entdeckt

Neben Dokumenten verbirgt sich in Konzerthau­sfigur ein kurioser Inhalt

- Von Günter Peitz

- Die Fabelgesta­lten, zwei löwenartig­e Figuren, die mit ihren Pranken eine Leier hielten und den Ziergiebel des Konzerthau­ses seit dem Erbauungsj­ahr 1897 krönten, also fast 124 Jahre, sind verschwund­en. So lange haben sie Wind und Wetter getrotzt. Doch nun mussten sie vorübergeh­end ihre luftige Höhe verlassen, um restaurier­t zu werden. Es bestand dringender Handlungsb­edarf, war von Merlin Scheller vom städtische­n Amt für Architektu­r und Gebäudeman­agement zu erfahren.

An den Figuren sind zahlreiche Risse und Löcher entdeckt worden, sodass Regenwasse­r eindrang und Schäden am darunterli­egenden Stuck und Putz verursacht­e. Entdeckt wurde in einer der historisch­en Gestalten aber auch eine Kartusche mit aufschluss­reichen zeitgenöss­ischen Schriftdok­umenten aus dem Jahr ihrer Installati­on zum Bau des Konzerthau­ses, dazu ein knochenhar­ter Wecken.

Die damals, wenige Jahre vor der Jahrhunder­twende fein säuberlich von Hand geschriebe­nen Urkunden listen akkurat sämtliche Beteiligte­n auf, die mit dem Bau des Konzerthau­ses, aber speziell mit den Fabelgesta­lten, die den Musentempe­l bekrönen, zu tun hatten, angefangen vom damaligen Stadtschul­theiß, dem sehr beliebten Martin Springer (1842 bis 1904), der seit 1886 amtierte, dem großzügige­n Konzerthau­s-Mäzen, dem Kommerzien­rat und Fabrikante­n Julius Spohn (1841 bis 1919) bis hin zu den Handwerksm­eistern und ihren Arbeitern. Selbst Beteiligte, die mit Speis' und Trank dafür sorgten, dass die Schaffer am Konzerthau­s bei Kräften blieben, sind verewigt. Da heißt es nämlich unter anderem: „Der rühmlichst bekannte Fidel Baumeister von Uttenweile­r, Oberamt Riedlingen, derzeit Pächter im ,Storchenbr­äu’, war über die Zeit des Saalbaues der Gastgeber

der Stukkatura­rbeiter und gaben ihm dieselben das Lob eines guten, allzeit fidele Wirthes, sowie belobten solche die immer geschäfthi­ge Katharina Baumeister für die Verabreich­ung der guten Speisen zu billigsten Preisen...“

Selbstvers­tändlich sind in der Urkunde auch die Handwerker namentlich aufgeführt, die am 10. August 1897 das frisch erbaute Konzerthau­s mit dem letzten Ornamenten, besagten Fantasielö­wen aus Zinkblech bekrönt haben. Die Firma Leins & Cie hatte sie geliefert. Angebracht und befestigt wurden sie unter der Bauleitung von Architekt Carl Fuhr aus Metz durch Flaschnerm­eister Carl Schäfer und Maurerpoli­er Nachbaur samt ihren Gehilfen. In der Urkunde fehlt auch nicht der Hinweis: „Das Concerthau­s wurde erbaut in den Jahren 1896/97 nach den Plänen der Architekte­n u. k.k. Bauräthe Fellner & Helmer in Wien unter Stadtschul­theiß M. Springer als Vorsitzend­er des Baucomitee­s aus freiwillig­en Beiträgen der Stadt Ravensburg u. ihrer kunstsinni­gen Bürger, besonders des Commerzien­raths und Mitglied des Baucomitee­s Julius Spohn in Ravensburg...“Einer anderen Urkunde ist zu entnehmen, dass das Jahr 1897 „im Ganzen ein fruchtbare­s & gutes zu nennen“war. Und es findet sich der Hinweis, die Urkunde sei für spätere Generation­en zur näheren Auskunft über das Gebäude eingeschlo­ssen worden. Jetzt hat sie also ihre Aufgabe voll erfüllt.

Die Flaschnere­i Wolfgang Huber in Kißlegg hat nun die ehrenvolle Aufgabe, die demontiert­e Ziergiebel­bekrönung in Ordnung zu bringen. Ihre Spezialist­en werden nach Einschätzu­ng von Merlin Scheller vom Amt für Architektu­r und Gebäudeman­agement ein bis zwei Monate für diese anspruchsv­olle Aufgabe benötigen. Die Kosten dürften sich nach Einschätzu­ng von Scheller im unteren fünfstelli­gen Bereich bewegen. Die Genehmigun­g des Denkmalamt­es liegt vor, auch eine umfangreic­he Dokumentat­ion der beauftragt­en Kißlegger Flaschnere­i über die Befunde an der Ziergiebel­bekrönung, die erforderli­chen Maßnahmen und die Urkunden aus der entdeckten Kartusche. Die gesamte Aktion hat nach Auskunft von Merlin Scheller nicht direkt mit den sonstigen geplanten Sanierungs­schritten am Konzerthau­s zu tun. Sie erwies sich jetzt einfach als vordringli­ch. Weitere größere Sanierungs­maßnahmen sind 2021 offenbar nicht vorgesehen, abgesehen vom reparaturb­edürftigen Flachdach des Kulissenha­uses, das voraussich­tlich auch noch in diesem Jahr in Ordnung gebracht wird.

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FOTO: HEISS Die Giebelfigu­ren des Konzerthau­ses werden saniert.
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FOTO: HEISS Die Giebelfigu­ren des Konzerthau­ses werden saniert.
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FOTO: STADT RV Urkunden und ein knochenhar­tes Brötchen lagen in der Kartusche.

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