Söder hält an der Notbremse fest
Maßnahmen bei 100-Inzidenz bleiben – Staatsregierung verspricht Perspektiven für Schulen
- Die bayerische Staatsregierung hält an den Infektionsgrenzwerten für Lockerungen und Schließungen in der Corona-Pandemie fest. Die bei 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche (Inzidenz) festgelegte Grenze „muss stabil bleiben“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Kabinetts-Videokonferenz am Dienstag in München. Alle Versuche, die Inzidenzzahlen „umzuinterpretieren oder Schlupflöcher zu suchen sind der falsche Weg“, so der Regierungschef: „Wir sind keine Lockdown-Fetischisten, aber eine besorgte Staatsregierung.“
Zuvor hatte die Stadt Rosenheim eine Ausnahme von der Inzidenzregelung mit dem Argument beantragt, wegen der vergleichsweise geringen Einwohnerzahl würden schon relativ wenige Infektionen ausreichen, um über die Grenze von 100 zu kommen. Die bei einer Inzidenz von 100 greifende „Notbremse“sei der einzige Schlüssel, um Öffnungen darunter rechtfertigen zu können, hielt Söder dem entgegen.
Unterdessen steigt die Zahl der Städte und Landkreise im Freistaat, die über 100 liegen, ständig an. Am Dienstag lag sie nach Angaben Söders bei 39 – 19 waren es am 1. März. Knapp ein Drittel der bayerischen Bevölkerung ist damit wieder von verschärften Maßnahmen wie nächtlicher Ausgangssperre, eingeschränktem Einzelhandel und Distanzunterricht an den Schulen betroffen. Unter einer Inzidenz von 50 lagen gestern nur noch 13 Städte und Kreise. Vor einer Woche waren es noch 40.
Um die schulische Situation in den Regionen zu verbessern, hat Söder Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) für die Zeit nach den Osterferien um ein neues Konzept gebeten. Wenn man aus den freiwilligen Corona-Testangeboten „Testpflichten“machen könne, könnte es wenigstens für die Abschlussklassen und die vierten Klassen an Grundschulen Präsenzunterricht geben, sagte Söder. Ziel seien zwei Selbsttests pro Woche für die Lehrkräfte und einer für alle Schüler unabhängig vom Alter.
Er lasse prüfen, ob eine solche Testpflicht juristisch haltbar sei, sagte Piazolo. Nach seinen Angaben sind derzeit 23 Prozent der Schulklassen in Bayern in Präsenzunterricht, weitere 49 Prozent praktizieren Wechselunterricht und für 28 Prozent findet Distanzunterricht statt. Derzeit machen vom freiwilligen Testangebot 40 Prozent der Lehrer und neun bis zehn Prozent der Schüler Gebrauch. „Das ist noch zu wenig“, sagte Söder.
Die bayerische Staatsregierung drängt außerdem auf eine rasche Klarstellung der europäischen Arzneimittelbehörde über den AstraZeneca-Impfstoff, dessen Verwendung seit Montag in Deutschland aus Sicherheitsgründen untersagt ist. Keinesfalls dürfe es zu einer „Hängepartie über mehrere Wochen“kommen, sagte Gesundheitsminister Holetschek
(CSU). Auch Ministerpräsident Söder bezeichnete den Impfstopp für AstraZeneca als „bitter“. Auch wenn er wieder zugelassen werden sollte, werde seine Akzeptanz in der Bevölkerung „nicht in den Himmel wachsen“. Deshalb sollte man diesen Impfstoff vorwiegend den Hausärzten zur Verfügung stellen, welche im Gegensatz zu den Impfzentren ihre Patienten eingehend beraten und auch nach der Impfung betreuen könnten. Gesundheitsminister Holetschek bekräftigte, dass trotz des Impfstopps für AstraZeneca in Bayern daran festgehalten wird, die Hausärzte ab 1. April in die Impfkampagne einzubeziehen.
Die steigenden Infektionszahlen bezeichnete Söder als „Wettlauf mit der Zeit und der Geduld der Menschen“. Die Inzidenzzahlen als Vorwarnstufen seien unverändert von großer Bedeutung. Es habe sich schon wiederholt gezeigt, dass mit zeitlicher Verzögerung nach einem Anstieg der Infektionszahlen auch die Belastung der Krankenhäuser zunehme. Das System der Inzidenzen mit den eingebauten Notbremsen abzuschaffen, wäre daher „ein Blindflug mit erheblichem Gefahrenpotential“, so der Ministerpräsident.
Vor allem angesichts der britischen Virus-Mutante, die in Bayern „von Ost nach West“auf dem Vormarsch sei. Bei der britischen Mutante sei mit schweren und längeren Krankheitsverläufen zu rechnen. 60 Prozent der in Bayern derzeit registrierten Infektionen gingen auf diese Variante zurück.