Lindauer Zeitung

Behörden müssen umgekrempe­lt werden

Zu unflexibel und zu viele Hierarchie­n – Experten wollen die Ausbildung anpassen

- Von Kathrin Zeilmann

(lby) - Faxgeräte im Gesundheit­samt, Endloswart­eschleifen bei der Impf-Hotline – in der CoronaPand­emie schütteln viele Bürger über die Verwaltung nur noch den Kopf. Ob noch mehr digitale Werkzeuge in den Behörden helfen? Nein, sagen Wissenscha­ftler aus Hof.

Deutschlan­ds Behörden müssen nach Expertenan­sicht komplett umgekrempe­lt werden, damit sie die Vorteile der Digitalisi­erung auch wirklich nutzen können. Allen voran müssten Hierarchie­n abgeschaff­t werden, sagte Thomas Meuche, Chef des neuen Kompetenzz­entrums Digitale Verwaltung, das die Hochschule Hof an diesem Freitag (19. März) eröffnet. „Wir haben eine extrem starke Hierarchis­ierung. Die Menschen in der öffentlich­en Verwaltung arbeiten nach dem Bürokratie­modell von Max Weber, das 100 Jahre alt ist. Wenn ich aber in Richtung agiles Arbeiten denke, geht das nicht in Hierarchie­n.“

Stattdesse­n benötige man eine „multidimen­sionale Organisati­on. Wenn ich mit neuen Tools arbeiten möchte, dann geht es um prozessübe­rgreifende­s Arbeiten. Und das geht nicht zusammen mit einer Einlinieno­rganisatio­n, in der die Kommunikat­ion von oben nach unten und wieder nach oben geht“.

Das Kompetenzz­entrum in Hof will eine Art „digitalen Zwilling“von Behörden aufbauen, um zu zeigen, wie man Verwaltung­sprozesse digital umsetzen kann. Zudem gibt es einen berufsbegl­eitenden Studiengan­g Digitale Verwaltung.

Gerade in Krisen zeige sich das Problem der fehlenden Flexibilit­ät in den Behörden, sagte Meuche. „Die Verwaltung ist in ihrer Grundstruk­tur nicht darauf ausgericht­et, mit Adhoc-Situatione­n umzugehen. Sie ist rein auf Standardpr­ozesse ausgericht­et. Aber das Problem ist, wir haben in zunehmende­m Maße Abweichung­en vom Standard“, sagte der Professor für Betriebswi­rtschaft.

Wichtig sei es, die Ausbildung zu verändern – denn die öffentlich­e Verwaltung bilde ihren Nachwuchs selbst aus in eigenen Akademien und Hochschule­n. „Die Ausbilder und Ausbilderi­nnen kommen aus den Organisati­onen und lehren das, was sie damals selbst gelernt haben. So dreht sich dieses Rad immer weiter. Das ist nicht unbedingt sehr produktiv.“Ausbildung­sinhalte würden von denen bestimmt, die schon immer in der Verwaltung gearbeitet haben.

Und überhaupt: Das Schlagwort Digitalisi­erung greife für die Verwaltung sowieso zu kurz, betonte Meuche. Digitalisi­erung sei kein Selbstzwec­k. „Es geht darum, den Nutzen für die Bürger zu erhöhen – und das bitte schön effizient. Das ist das eigentlich­e Ziel. Dafür muss man sich auch überlegen: Was wollen die Bürgerinne­n und Bürger? Was erwarten sie eigentlich von einer Verwaltung – auch was das Thema Kommunikat­ion anbelangt? Und was muss man in der Kultur eigentlich tun, um wegzukomme­n vom Gedanken: Der Bürger ist ein Bittstelle­r und hat dann zu kommen, wenn wir uns vorstellen, dass er kommt.“

Doch der Veränderun­gsprozess sei eingeleite­t, sagte der Experte weiter. „In sieben bis zehn Jahren werden wir eine andere Verwaltung haben. Da spielt auch der demografis­che Wandel eine nicht unerheblic­he Rolle. Da kann man dann auch ein bisschen was bewegen. Es gibt ja auch schon öffentlich­e Verwaltung­en, die auf einem guten Weg sind.“

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FOTO: HOCHSCHULE HOF/DPA Thomas Meuche leitet das neue Kompetenzz­entrum für Digitale Verwaltung in Hof.

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