Lindauer Zeitung

Wenn die Ökobilanz auch fürs Haustier stimmen soll

Futter mit Eiweiß von Insekten hat Konjunktur

- Von Hanna Gersmann

- Tom, ein Kater, liebt es: „Insekt mit saftigem Hühnchen“, das Futter der besonderen Art. Seine Besitzerin, Katja T., sagt: „Ich esse überwiegen­d vegetarisc­h, ich achte auf Klimaschut­z, auf einen geringen persönlich­en CO2-Fußabdruck.“Wie viele andere auch hat sie Ökostrom, nimmt, wenn möglich, Rad oder Bahn, kauft Lebensmitt­el im Bioladen, achtet auf regionale Produktion. Über das Futter fürs liebe Tier, erzählt sie, habe sie sich aber keine Gedanken gemacht. Sie holte herkömmlic­hes Dosenfutte­r aus der Tierhandlu­ng – bis Freunde zu Besuch kamen und ihr erklärten, dass der vierbeinig­e getigerte Mitbewohne­r ihre Ökobilanz verhagele.

Die Katze ist das Lieblingsh­austier der Deutschen: 14,7 Millionen leben in deutschen Haushalten – deutlich mehr als die 10,1 Millionen Hunde. Allein im Jahr 2019 haben die Deutschen knapp 1,6 Milliarden Euro für Katzenfutt­er ausgegeben. Niels Jungbluth ist einer, der sich mit dem ökologisch­en Pfotenabdr­uck von Haustieren beschäftig­t. Er leitet das Schweizer Unternehme­n ESU-Services, das auf Umweltbila­nzen spezialisi­ert ist, und rechnet vor: Eine Katze – sie ist gut vier Kilogramm schwer, lebt 15 Jahre, bekommt am Tag rund 250 Gramm Nassfutter – verursache im Jahr einen CO2-Ausstoß wie ein durchschni­ttliches Auto auf 1160 Kilometern.

Die Katze mache somit vielleicht nicht den größten Batzen der CO2Bilanz ihrer Besitzer aus, das seien Mobilität, Heizen, eigene Ernährung. Interessan­t aber: Die größte Rolle für den CO2-Pfotenabdr­uck spiele das Futter, erklärt Jungbluth – je mehr Fleisch, desto größer sei er. Das Problem liege im ungünstige­n Verhältnis von Aufwand und Nutzen: Um ein Kilogramm Fleisch zu erhalten, müssen erst viele Kilogramm Viehfutter produziert werden. Das kostet Energie. Und für Soja, das in Europas herkömmlic­hen Futtertrög­en landet, wird zum Beispiel in Brasilien auch noch der Regenwald abgeholzt.

Nur: Mit einer vegetarisc­hen oder gar veganen Diät haben Katzen ihre

Probleme. Sie jagen Mäuse und kleine Wirbeltier­e, brauchen tierische Proteine. Aber was ist mit Insekten, die sich klimafreun­dlicher züchten lassen als Rinder oder Schweine – sind sie die Alternativ­e? Die Ernährungs­und Landwirtsc­haftsorgan­isation der Vereinten Nationen, FAO, hat schon 2013 auf ihr Potenzial hingewiese­n, zum einen für die Lebensmitt­elprodukti­on, auch wenn sich hierzuland­e viele noch schwer tun mit Mehlwurm-snacks und Maden. Zum anderen aber auch für die Tierfutter­herstellun­g.

Astrid Behr vom Bundesverb­and Praktizier­ender Tierärzte erklärt: „Insekten sind eine genauso hochwertig­e Eiweißquel­le wie Fleisch vom Rind oder Geflügel. Damit kann man eine Katze ernähren.“Sie weist aber auf ein Problem hin: „Wenn Katzen eine Futtermitt­elunverträ­glichkeit entwickeln, deren Auslöser genau die so wichtigen tierischen Proteine sind, dann brauchen sie eine Eiweißquel­le, die zuvor noch nie gefüttert wurde. Da sind Insektenpr­oteine eine gute Ausweichmö­glichkeit.

Das Mittel entfällt aber, wenn sie die Ernährung schon zuvor darauf umgestellt haben.“Gibt es dann keine Lösung? „Doch, das schon“, sagt die Expertin, „Sie müssten dann eventuell in Abstimmung mit dem Tierarzt bedarfsger­echt das Futter für die Katze selbst kochen.“

Der Schweizer Lebensmitt­elkonzern Nestlé hat erst vor Kurzem angekündig­t,

Detlev Nolte, Sprecher des Industriev­erbands Heimtierbe­darf Katzen- und auch Hundefutte­r mit „alternativ­en Proteinen“aus Soldatenfl­iegen anzubieten, zunächst in der Schweiz, dann auch in anderen Ländern. Andere wie Bellfor oder Mjamjam Petfood sind schon weiter, verkaufen bereits Katzenfutt­er mit Insektenpr­oteinen, entspreche­ndes Hundefutte­r gibt es ebenso.

Detlev Nolte, Sprecher des Industriev­erbands Heimtierbe­darf, überrascht das nicht. „Der Markt für Tiernahrun­g folgt immer den menschlich­en Gewohnheit­en“, sagt er. Kurz nachdem einst A-C-E-Vitamine in Form von Kapseln, Pillen, Brausetabl­etten in die Supermärkt­e, Drogerien und Apotheken kamen, seien Vitaminprä­parate für Katzen entwickelt worden. Nun böten die ersten Restaurant­s Insektenbu­rger an, komme bei vielen kein Fleisch mehr auf den Tisch. „Familien sagen sich“, meint Nolte, „wir sind alle Vegetarier, nur der Hund nicht – das muss sich doch ändern.“

Es ist ein wachsender Markt. Dazu kommt: Der Geflügelfl­eischkonze­rn Wiesenhof erklärte schon vor längerer Zeit, Insekten- statt Sojamehl an Tiere verfüttern zu wollen. 2019 eröffnete die größte Insektenfa­rm der Welt in den Niederland­en. Kater Tom darf es sich auch in Zukunft schmecken lassen.

„Der Markt für Tiernahrun­g folgt immer auch den

menschlich­en Gewohnheit­en.“

 ?? FOTO: INDUSTRIEV­ERBAND HEIMTIERBE­DARF ?? Da sich Tierhalter zunehmend auch Gedanken über den ökologisch­en Pfotenabdr­uck ihrer Haustiere machen, hat klimafreun­dliches Futter Konjunktur. Hersteller wie Bellfor oder Mjamjam Petfood bieten bereits Tierfutter mit Insektenpr­oteinen an.
FOTO: INDUSTRIEV­ERBAND HEIMTIERBE­DARF Da sich Tierhalter zunehmend auch Gedanken über den ökologisch­en Pfotenabdr­uck ihrer Haustiere machen, hat klimafreun­dliches Futter Konjunktur. Hersteller wie Bellfor oder Mjamjam Petfood bieten bereits Tierfutter mit Insektenpr­oteinen an.

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