BGH hebt Mordurteil gegen 84-Jährige auf
Strafrichter erheben Zweifel an Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln
- Mehr als ein halbes Jahr nach der Verurteilung der zu dem Zeitpunkt 84-jährigen Frau, die am Vormittag des 17. Januar 2020 ihren Ex-Mann im gemeinsamen Haus zuerst mit einem Fleischerhammer auf den Kopf schlug und danach mit Benzin überschüttete und anzündete, ist es am Mittwoch zu einer überraschenden Wendung in dem Fall gekommen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob ihre Verurteilung durch das Landgericht Konstanz zu elf Jahren Haft wegen Mordes auf.
Die obersten Strafrichter in Karlsruhe bezweifeln der Deutschen Presseagentur (dpa) zufolge, dass das Landgericht Konstanz zu Recht eine Tötung mit gemeingefährlichem Mittel angenommen hat, wie aus dem veröffentlichten Beschluss hervorgeht. Es sei nicht geklärt, ob die bei der Tat 84 Jahre alte Frau noch in einem Zustand gewesen sei, um „die ihr bekannten objektiven Umstände zutreffend einzuordnen“.
Die Frau hatte nach der Scheidung weiter mit ihrem neun Jahre jüngeren Ex-Mann in dessen Haus gelebt. Laut dem Landgerichts-Urteil hatte sie Angst, ausziehen zu müssen, denn das Verhältnis war von zunehmender Abneigung und gesundheitlichen Problemen geprägt. Am 17. Januar 2020 soll die Frau, die damals nur noch 31 Kilogramm wog, schlecht sah und hörte sowie dement wurde, dem Mann mit einem Fleischklopfer auf den Kopf geschlagen haben. Als er den Notruf wählte, überschüttete sie ihn laut Urteil mit Benzin und warf ein Streichholz. Bis
Feuerwehr und Notarzt da waren, war der Mann tot.
Der Fall und der darauf folgende Prozess hatten aufgrund der Grausamkeit und des hohen Alters der Angeklagten für Aufsehen gesorgt. „Es war ein absolut grausamer Mord“, sagte Richter Arno Hornstein bei der Urteilsverkündung Mitte August. Vor allem die sechs Minuten lange Aufnahme des Notrufs, die während der Verhandlung in Konstanz als Beweismittel abgespielt worden war, sei auch für erfahrene Juristen nur sehr schwer erträglich gewesen. „Wir waren in den letzten Minuten seines Lebens dabei“, meinte Hornstein im Gespräch mit der SZ. „Es wäre gelogen, wenn das einen kalt ließe, sogar als Analyst auf der Richterbank“, bilanzierte er den Prozess.
Kristina Müller, Pflichtverteidigerin der 84-Jährigen, hatte zwar ebenfalls vor Gericht eingeräumt, dass ihre Mandantin mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen müsse, forderte allerdings ein Strafmaß von deutlich unter zehn Jahren. Sie habe nicht in der Absicht gehandelt, ihren Ex-Mann zu töten, sondern es sei eine Kurzschlussreaktion gewesen, lautete Müllers Begründung.
Der Einsatz gemeingefährlicher Mittel ist ein Mordmerkmal. Das Landgericht hatte dies angenommen, weil das Feuer auf Nachbarhäuser hätte übergreifen können. Wie die dpa berichtet, ist der BGH davon, dass die Frau sich dessen bewusst war, aber nicht überzeugt. Die Richter hoben das Urteil nach ihrer Revision vollständig auf, der Prozess muss nun von vorn beginnen.