Umweltbundesamt fordert Halbierung des Fleischkonsums
Umweltschützer kritisieren hohen Fleischverzehr – Verbraucherschützer warnen vor zu hohen Preisen – Gewerkschaft droht mit Streiks
(epd/dpa) - Der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, fordert eine Halbierung des Fleischkonsums in Deutschland, um umweltschädliche Massentierhaltung zu reduzieren. „Wir müssen die Massentierhaltung reduzieren, damit die zu hohen Stickstoffeinträge sinken und Böden, Wasser, Biodiversität und menschliche Gesundheit weniger belastet werden“, sagte Messner den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Weniger Fleisch würde der Gesundheit und der Umwelt sehr guttun.
Bereits jetzt werde in Deutschland etwas weniger Fleisch gegessen, sagte Messner. „Aber wenn wir wirkungsvoll etwas ändern und uns an die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) halten wollen, dann wäre eine Halbierung des Fleischkonsums in Deutschland das Ziel“, erklärte er. „Das würde die Massentierhaltung reduzieren und hätte vielfältige positive Umweltwirkungen.“
Wer weniger Fleisch esse, dafür aber qualitativ besseres, könne das auch „im Geldbeutel ausbalancieren“, sagte Messner den Zeitungen. Auch Landwirte würden dann besser bezahlt. Klimaschutz und Gerechtigkeitsfragen müssten zusammengebracht werden. „Aber wenn wir nichts tun, unser Ernährungsund Konsumverhalten nicht verändern, wird es dramatische und sehr teure Klimafolgen geben, unter denen einkommensschwächere Haushalte oft viel stärker leiden“, warnte Messner.
In der Debatte um bessere Tierwohlstandards warnt der Chef des Verbraucherzentralen-Bundesverbands, Klaus Müller, vor zu hohen Preisen. „Fleisch darf nicht zu einem Luxusgut werden“, sagte er dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“. „Wir benötigen ein Konzept, wie jenseits von Bio gute Tierhaltung in einem mittleren Preissegment
möglich ist“. Zwar würden höhere Standards für die Tierhaltung Fleisch verteuern, das dürfe aber nicht zu Fleischpreisen führen, wie sie heute in Bioläden üblich seien.
Zugleich warnte der Verbraucherschützer davor, die Debatte über Fleischkonsum moralisch zu überhöhen. „Wir brauchen einen Umbau der Tierhaltung, aber der muss politisch vorangetrieben werden“, sagte Müller. „Wenn artgerecht produziertes Fleisch die teure Ausnahme bleibt und wir nur mit erhobenem Zeigefinger Einkaufstipps geben, werden wir das Problem nicht lösen.“
Unterdessen drohte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) der Fleischwirtschaft mit Streiks. „Wir wollen Schluss machen mit Hungerlöhnen für Knochenjobs“, sagte NGG-Verhandlungsführer Freddy Adjan der „Neuen Osnabrücker Zeitung“vor der an diesem Montag beginnenden dritten Runde der Tarifverhandlungen in der deutschen Fleischwirtschaft. Die Gewerkschaft will einen Mindestlohntarifvertrag für die etwa 160 000 Beschäftigten. Das Einstiegsgehalt soll demnach bei 12,50 Euro pro Stunde liegen und nach kurzer Einarbeitungszeit
auf 14 Euro steigen. Facharbeiter sollen mindestens 17 Euro in der Stunde erhalten.
Diesen Vorschlag hatten die Arbeitgeber als „realitätsfern und existenzgefährdend“zurückgewiesen. Sie hatten Mitte März erstmals ein Angebot auf den Tisch gelegt. Demnach soll der Mindestlohn in vier Stufen ab Juli 2021 bis Mitte 2024 von zehn auf zwölf Euro steigen.
Ein Vierteljahr nach dem Aus für Werkvertragsarbeitsverhältnisse in der Schlachthofbranche sieht sich die Branche wegen mangelnder Wertschätzung für die Arbeitskräfte anhaltender Kritik ausgesetzt. „An der Haltung hat es nichts geändert“, sagte etwa der katholische Pfarrer Peter Kossen, der im westfälischen Lengerich den Verein „Aktion Würde und Gerechtigkeit“zur Beratung von Arbeitsmigranten ins Leben gerufen hat. „Die Fleischindustrie hat das geändert, wozu sie der Gesetzgeber gezwungen hat.“Das Angebot der Arbeitgeberseite, bei den laufenden Tarifverhandlungen ein Angebot über einen Stundenlohn von zehn Euro zu machen, sei „schäbig.“Nach wie vor gebe es keine Wertschätzung für die Menschen.