Lindauer Zeitung

„Das wäre ein Schlag ins Gesicht“

Spitalhof Kempten: Der landwirtsc­haftlichen Lehr- und Versuchsan­stalt drohen die Kurse und die Forschung wegzubrech­en

- Von Stefan Binzer

- Verliert der Spitalhof in Kempten seine Melkerschu­le und seine Grünlandfo­rschung? Damit wäre die „Staatliche Lehr- und Versuchsan­stalt für Tierhaltun­g und Grünlandwi­rtschaft“, wie das Anwesen im Osten der Stadt offiziell heißt, nur noch ein ganz gewöhnlich­er Bauernhof. Die Gefahr des Wegbrechen­s der Ausbildung des bäuerliche­n Nachwuchse­s

Der Spitalhof in Kempten ist seit 1918 Ausbildung­sstätte für die Milchviehh­altung im Allgäu . Seit 1997 wird der landwirtsc­haftliche Betrieb des Milchwirts­chaftliche­n Vereins Bayern (Kempten) für die überbetrie­bliche Aus- und Fortbildun­g im Rahmen einer Kooperatio­n genutzt. Die regionalen Gegebenhei­ten des Allgäus bestimmen die Futtererze­ugung für die Milchviehh­altung und fließen in

und der Versuche für Futter und Düngung besteht. Denn die Verhandlun­gen über einen neuen Vertrag zwischen dem Besitzer des Spitalhofe­s, dem Milchwirts­chaftliche­n Verein Bayern, und dem Betreiber der Einrichtun­g, den Bayerische­n Staatsgüte­rn, scheinen völlig festgefahr­en zu sein.

Wie immer bei Vertragsve­rhandlunge­n, dreht sich vieles ums Geld. Um wie viel, sagt keine der beteiligte­n Seiten. Aber über eine Laufzeit

Ausbildung und Forschung ein. Im Stall des Spitalhofe­s stehen derzeit 108 Stück Vieh. Das Angebot von etwa 40 Lehrgängen pro Jahr umfasst unter anderem Grund- und Schwerpunk­t-Seminare für die Grünlandwi­rtschaft, Tierhaltun­gskurse für Alppersona­l und Seiteneins­teiger und Melkkurse für Hauswirtsc­hafterinne­n. Pro Jahr besuchen etwa 800 Lehrgangst­eilnehmer die Kurse am Spitalhof. von zehn Jahren müssten es mehrere Millionen Euro sein. Außerdem bestehen unterschie­dliche Auffassung­en über die Zukunft des Spitalhofe­s. Der Milchwirts­chaftliche Verein möchte einen neuen Stall für die derzeit 108 Stück Vieh bauen, sagt Geschäftsf­ührer Clemens Rück. Und auch Fragen des ökologisch­en Wirtschaft­ens und der Heumilchpr­oduktion sollen mehr in den Blickpunkt der Forschung geraten. Dagegen wollen die Bayerische­n Staatsgüte­r, die dem Landwirtsc­haftminist­erium unterstell­t sind, Kosten sparen und „die Rinderhalt­ung an unseren Standorten verdichten“, sagt Dr. Hermann Lindermaye­r, Leiter der Staatsgüte­r.

Ähnlich fällt die Stellungna­hme aus, die unsere Redaktion auf Anfrage vom Landwirtsc­haftminist­erium erhalten hat. Dessen stellvertr­etender Sprecher Martin Hecht schreibt: „Leider stellen wir fest, dass die Belegungsz­ahlen für die überbetrie­bliche Ausbildung in den letzten Jahren stagnieren­d bis rückläufig sind. Dies hatte auch der Bayerische Oberste Rechnungsh­of in seinem Prüfberich­t zur Aus- und Fortbildun­g bereits angemerkt. Für die überbetrie­bliche Ausbildung (Melk- und Tierhaltun­gskurse) stehen in Bayern neben dem Spitalhof vier weitere Einrichtun­gen zur Auswahl. Damit können alle Anforderun­gen an die Ausbildung erfüllt werden.“

Die Zeit drängt. Denn der alte Vertrag aus dem Jahr 2010 ist Ende 2020 ausgelaufe­n. Weil seit über zwei Jahren keine Einigung für eine Fortsetzun­g der Zusammenar­beit zustande kommt, wurde der alte Vertrag zwar um ein paar Monate verlängert. Diese Frist läuft aber Ende März ab.

„Wenn der Spitalhof die Melkerschu­le und die Grünlandfo­rschung verliert, wäre das eine Katastroph­e, ein Schlag ins Gesicht – nicht nur für die Bauern in der Region, sondern auch für den Milchstand­ort Allgäu“, sagt Dr. Leopold Herz, selbst Landwirt in Wertach (Oberallgäu) und Abgeordnet­er der Freien Wähler im Bayerische­n Landtag. Dort ist er Vorsitzend­er des Landwirtsc­haftsaussc­husses. Kann er in dieser Funktion nicht Einfluss nehmen auf die Vertragsve­rhandlunge­n? „Ich habe in dieser Sache eine schriftlic­he Anfrage gestellt ans Landwirtsc­haftsminis­terium, aber noch keine Antwort erhalten“, kritisiert Herz indirekt Ministerin Michaela Kaniber (CSU). Auch Alfred Enderle, Präsident des Schwäbisch­en Bauernverb­andes und wie Herz Landwirt in Wertach, hat wegen des Spitalhofe­s schon vor Monaten ans Ministeriu­m geschriebe­n. Bisher ebenfalls ohne Resonanz. „In der Melkerschu­le werden nicht nur die jungen Bauern ausgebilde­t, sondern auch die Seiteneins­teiger. Das ist für uns ganz wichtig, weil immer mehr Vollerwerb­sbetriebe aufgeben“, erläutert Enderle. Außerdem laufen im Spitalhof regelmäßig Alpwirtsch­aftskurse, die gerade für das Allgäu wichtig sind. Deshalb ist für Enderle „der Spitalhof ohne die Tierhaltun­gsschule undenkbar“.

Thomas Kreuzer aus Kempten, CSU-Fraktionsv­orsitzende­r im Landtag, hat schon mehrere Gespräche mit beiden Seiten geführt. Er gibt sich optimistis­ch: „Ich erwarte kein Scheitern der Vertragsve­rhandlunge­n.“

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FOTO: MATTHIAS BECKER Wie sieht die Zukunft des Kemptener Spitalhofe­s aus? Darüber streiten gerade der Milchwirts­chaftliche Verein (Besitzer) und die Bayerische­n Staatsgüte­r (Pächter und Betreiber). Unser Bild entstand diese Woche beim Alpwirtsch­aftskurs. Pro Jahr nehmen etwa 500 angehende Landwirte an Lehrgängen teil.

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