Gnabrys Tor reicht in Rumänien
Zwei Spiele, zwei Siege – der WM-Quali-Zug der deutschen Mannschaft rollt
(dpa) - Joachim Löw jubelte nicht groß, sondern klatschte entspannt mit Spielern und Betreuern ab. Der scheidende Bundestrainer hat seinem noch unbekannten Nachfolger mit dem nächsten Sieg im Gruppen-Topspiel gegen Rumänien den Weg zurWM 2022 schon weitgehend geebnet. Löw bot beim 1:0 (1:0) in Bukarest die Sieger-Elf des 3:0 gegen Island auf, die ihre diesmal anspruchsvollere Aufgabe knapper, aber bis auf ein unnötiges Zittern in den Schlussminuten insgesamt souverän löste. „Wir müssen früher den Deckel draufmachen. Wir müssen das zweite oder dritte Tor machen“, sagte Kapitän Manuel Neuer.
Nur der stets gefährliche BayernProfi Serge Gnabry traf in der 16. Minute nach einem feinem Zuspiel des spielfreudig beginnenden Kai Havertz. Es war das 15. Tor des 25 Jahre alten Angreifers im 19. Länderspiel. Der in Manndeckung genommene Münchner Mittelfeldchef Joshua Kimmich hätte bei einem abgefälschten Lattenschuss fast für den Doppelschlag und die frühe Entscheidung gesorgt (19.). Die Chancenverwertung war auch Kimmichs größter Kritikpunkt: „Wir hätten uns das einfacher gestalten können. In der 90. Minute haben wir sogar Glück, der Ausgleich wäre die Rache gewesen“, sagte der Münchner.
Direkt nach dem Schlusspfiff wollte der DFB-Tross den Rückflug nach Deutschland antreten, wo am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in Duisburg gegen Nordmazedonien der Neun-Punkte-Start in die WM-Ausscheidung für Katar komplettiert werden soll. Für Löw war der erfolgreiche Start in die Sommerzeit gegen den stärksten Gruppengegner aber vor allem mit Blickrichtung EM-Turnier im Juni wichtig: Sein Team beginnt, sich zu finden – allerdings werden die EM-Gruppengegner Frankreich, Portugal und womöglich auch Ungarn von einem anderen Kaliber sein.
Vor dem Anpfiff gab es seitens der deutschen Spieler eine weitere Trikotaktion für Menschenrechte. „Wir für 30!“lautete dabei die Werbung für die 30 Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen.
Verpasste Chancen können im Nachhinein nicht mehr verwandelt werden. Was auf das Leben zutrifft, ist im Sport noch offensichtlicher. Zwei Beispiele zeigen jedoch, dass man einst versäumte Gelegenheiten aber sehr wohl bedauern und daraus für die Zukunft lernen kann. Da hätten wir zum einen (siehe nebenstehenden Artikel; d. Red.), der seine Rolle als Moderator des „Aktuellen Sportstudios“in der Causa
überdachte und ein Jahr später den Hintergründen sehenswert nachspürte – und zum anderen die deutsche Nationalmannschaft. In der Katar-Frage scheint Deutschlands Vorzeigemannschaft 1,5 Jahre vor der Winter-Weltmeisterschaft ihr Gewissen entdeckt zu haben beziehungsweise den Mut gefunden, Bedenken öffentlich zu äußern.
Jochen Breyer
Hopp
Dietmar
Nachdem einen Tag zuvor bereits die norwegische Mannschaft mit einer ähnlichen Aktion aufgefallen war, war die Shirt-Bezeugung des DFB-Teams damit kein Akt der hervorstürmenden Revoluzzer-Kicker. Selbstverständlich ist die öffentliche Bezeugung lobenswert – auch im Hinblick auf die Gefahr, den WMGastgeber etwas zu verschrecken. Denn auch wenn es viele nicht immer wahrhaben wollen, sind die Fußballer Vorbilder für Millionen von Menschen und nicht zuletzt viele Kinder und Jugendliche. Dass der Bösinger und auch Balltreter sind, die nicht nur in einer Glamour-Playstation-Welt leben und Goldsteaks genießen, ist schon länger kein Geheimnis, und es ist ein starkes Zeichen, dass sie das nun im großen Rahmen vorleben. Kommen wir nun aber zur anderen Seite der Medaille.
Joshua Kimmich Leon Goretzka
Von den kritischen Kommentaren im Internet lassen sich Joachim Löw und Joshua Kimmich in der weiter heiß diskutierten Katar-Frage nicht irritieren. Der Bundestrainer und sein gesellschaftlich schon lange engagierter Führungsspieler beziehen unverändert klare Positionen: WMBoykott, nein! Aber freie Meinungsäußerung zu allen Menschenrechtsfragen, auch wenn es der FIFA oder den Turnierveranstaltern im Emirat am Golf nicht gefällt. „Ein Boykott hilft niemandem. Man kann mit so einem Turnier Aufmerksamkeit in der ganzen Welt erzeugen und Dinge in die richtige Richtung bringen“, sagte Löw. Auch Kimmich postulierte eindeutig: „Jetzt muss man die Gelegenheit nutzen, aufmerksam zu
Es heißt, das Signal zur Aktion sei aus den Reihen der Spieler gekommen, und das ist durchaus möglich, doch dürfte dem DFB mit seinem angekratzten Image solch ein Statement durchaus gelegen gekommen sein. machen.“Der Fußball habe die nötige „Strahlkraft“, meint der 26 Jahre alte Bayern-Profi.
Den 61-jährigen Löw wurmt es, dass in der Social-Media-Blase seine Nationalspieler im Nachklang ihrer T-Shirt-Aktion mit dem Schriftzug Human Rights (Menschenrechte) vor dem Island-Spiel als Pharisäer tituliert werden. Vehement setzte
Löw zur Verteidigungsrede an. Wenn jemand denke, dass sich Spieler wie Manuel Neuer oder Ilkay Gündogan „aus Marketingzwecken vor einen Karren spannen“ließen, der „irre gewaltig“, sagte der Bundestrainer. Kern der Aufregung war ein vom Deutschen Fußball-Bund unter dem Titel „Making of ... #HUMANRIGHTS“veröffentlichter Video-Clip, in dem
Dass niemand, der halbwegs auf demokratischem Boden steht, etwas gegen Menschenrechte haben kann, ist ohnehin klar. Die öffentliche Wahrnehmung war also absehbar. Womit wir beim Hauptkritikpunkt wären, unter anderen Neuer, Gündogan und Leroy Sané ihre schwarzen T-Shirts mit Buchstaben in weißer Farbe bemalen. Der Vorwurf lautet: Der gute Grundgedanke der Aktion werde durch ein Marketingvideo verwässert und beschädig. „Nicht alles, was beim DFB oder der Nationalmannschaft passiert, ist negativ“, sagte Löw. Die aktuelle Nationalspieler-Generation denke grundsätzlich über den Fußball hinaus, versicherte Löw. Der Bösinger Kimmich wünscht sich ohnehin eine viel breitere gesellschaftliche Front: „Im Fußball hat man die Chance, auf Dinge hinzuweisen. Da sehe ich nicht nur uns in der Pflicht, sondern auch andere Teile der Bevölkerung.“(dpa) der auch die Internetgemeinde erzürnte. Natürlich richtete sich die Häme nicht gegen die Aktion, sondern gegen deren Begleiterscheinungen. Dass der DFB im Anschluss ein Hochglanz-„Making-of“-MarketingVideo präsentierte, stülpte der Botschaft unnötigerweise den Mantel der billigen Effekthascherei über. Ein „das ist unsere Meinung, wir stehen dazu und wollen, nun, dass sich etwas ändert“wurde zu einem „schaut her, was wir getan haben“. Das muss nicht der Wahrheit entsprechen, doch ist es, was bei vielen Beobachtern ankommt. Ein „Tue Gutes und rede darüber“führt nur selten zu einem richtigen Schluss, und nur darauf kommt es an. Es geht ja nicht um die Gesten, sondern um das, was sie bewirken oder noch bewirken können. „Generell bin ich der Meinung, dass wir für einen Boykott zehn Jahre zu spät dran sind“, äußerte Kimmich einen richtigen Kern – aber eben auch nur das. Dass die Katar-WM ein SeilschaftenVermächtnis ist, das schon bei der Vergabe unterbunden gehört hätte, ist korrekt, weniger jedoch die Botschaft, dass es für ein Boykott zu spät ist. Dem ist nicht so, auch hier gilt ein „Besser spät als nie“. Eine Topnation, die vorangeht, würde sicher nicht allein bleiben. Auch ein Jahr vor der WM kann noch viel bewegt werden – auch ohne Boykott. Die DFB-Spieler und andere Mannschaften sind einen ersten Schritt gegangen, dem noch viele folgen könnten. Gerade auch, um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen und zu beweisen, dass es mehr war als ein positiver Ausrutscher nach oben. Und dass man ausgelassene Chancen zwar nicht im Nachhinein verwandeln, aber zumindest ausbessern kann, hat Jochen Breyer mit seiner Dokumentation noch einmal eindrucksvoll aufgezeigt.
Löw hatte das„Einspielen einer Formation als ein zentrales Ziel in den ersten Länderspielen des Jahres benannt. Entsprechend führte Kapitän Manuel Neuer einen Tag nach seinem 35. Geburtstag die Siegerelf der Island-Partie auf den Rasen der leeren Arena in Bukarest, in der die DFB-Auswahl bei der EM-Endrunde als Gruppensieger am 28. Juni das Achtelfinale bestreiten würde.
Auch Leon Goretzka und Leroy Sané konnten nach muskulären Problemen auflaufen, womit Löw wieder auf einen fünfköpfigen Münchner Block bauen konnte. „Die Bayern sind eingespielt, das hilft uns“, sagte der Bundestrainer in Bukarest. Gnabry harmonierte dann erstmal bestens mit Havertz. Der 20-Jährige scheiterte, freigespielt von Gnabry, an Torwart Florin Nita (12.). Umgekehrt klappte es besser: Havertz bediente im Strafraum mit einem Querpass perfekt Gnabry, der den Ball nur noch lässig einschieben musste.
Zweimal nacheinander dieselbe Startelf, das hatte es bei Löw zuletzt im Oktober 2016 gegeben, als Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng noch spielen durften. Die Rufe – gerade nach Müller – werden nun nicht nachlassen, auch wenn Löws Umbruchteam nach dem 0:6-Tiefpunkt gegen Spanien Fortschritte macht. Angeführt vom emsigen Gnabry war die deutsche Mannschaft dominant. Was fehlte, waren „Coolness und „Cleverness“im Abschluss, wie Neuer monierte.
Rumänien – Deutschland 0:1
– Deutschland: Neuer/Bayern München (35 Jahre/98 Länderspiele) - Klostermann/RB Leipzig (24/12), Ginter/Borussia Mönchengladbach (27/37), Rüdiger/FC Chelsea (28/39), Can/Borussia Dortmund (27/32) - Kimmich/ Bayern München (26/52) - Goretzka/Bayern München (26/31) ab 90.+4 Younes/Eintracht Frankfurt (27/7), Gündogan/Manchester City (30/44) - Havertz/FC Chelsea (21/12) ab 77. Werner/FC Chelsea (25/37), Gnabry/Bayern München (25/19) ab 90.+2 Neuhaus/Borussia Mönchengladbach (24/5), Sané/ Bayern München (25/27).
(0:1).