Lindauer Zeitung

Gnabrys Tor reicht in Rumänien

Zwei Spiele, zwei Siege – der WM-Quali-Zug der deutschen Mannschaft rollt

- Von Felix Alex

(dpa) - Joachim Löw jubelte nicht groß, sondern klatschte entspannt mit Spielern und Betreuern ab. Der scheidende Bundestrai­ner hat seinem noch unbekannte­n Nachfolger mit dem nächsten Sieg im Gruppen-Topspiel gegen Rumänien den Weg zurWM 2022 schon weitgehend geebnet. Löw bot beim 1:0 (1:0) in Bukarest die Sieger-Elf des 3:0 gegen Island auf, die ihre diesmal anspruchsv­ollere Aufgabe knapper, aber bis auf ein unnötiges Zittern in den Schlussmin­uten insgesamt souverän löste. „Wir müssen früher den Deckel draufmache­n. Wir müssen das zweite oder dritte Tor machen“, sagte Kapitän Manuel Neuer.

Nur der stets gefährlich­e BayernProf­i Serge Gnabry traf in der 16. Minute nach einem feinem Zuspiel des spielfreud­ig beginnende­n Kai Havertz. Es war das 15. Tor des 25 Jahre alten Angreifers im 19. Länderspie­l. Der in Manndeckun­g genommene Münchner Mittelfeld­chef Joshua Kimmich hätte bei einem abgefälsch­ten Lattenschu­ss fast für den Doppelschl­ag und die frühe Entscheidu­ng gesorgt (19.). Die Chancenver­wertung war auch Kimmichs größter Kritikpunk­t: „Wir hätten uns das einfacher gestalten können. In der 90. Minute haben wir sogar Glück, der Ausgleich wäre die Rache gewesen“, sagte der Münchner.

Direkt nach dem Schlusspfi­ff wollte der DFB-Tross den Rückflug nach Deutschlan­d antreten, wo am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in Duisburg gegen Nordmazedo­nien der Neun-Punkte-Start in die WM-Ausscheidu­ng für Katar komplettie­rt werden soll. Für Löw war der erfolgreic­he Start in die Sommerzeit gegen den stärksten Gruppengeg­ner aber vor allem mit Blickricht­ung EM-Turnier im Juni wichtig: Sein Team beginnt, sich zu finden – allerdings werden die EM-Gruppengeg­ner Frankreich, Portugal und womöglich auch Ungarn von einem anderen Kaliber sein.

Vor dem Anpfiff gab es seitens der deutschen Spieler eine weitere Trikotakti­on für Menschenre­chte. „Wir für 30!“lautete dabei die Werbung für die 30 Artikel in der Allgemeine­n Erklärung der Menschenre­chte der Vereinten Nationen.

Verpasste Chancen können im Nachhinein nicht mehr verwandelt werden. Was auf das Leben zutrifft, ist im Sport noch offensicht­licher. Zwei Beispiele zeigen jedoch, dass man einst versäumte Gelegenhei­ten aber sehr wohl bedauern und daraus für die Zukunft lernen kann. Da hätten wir zum einen (siehe nebenstehe­nden Artikel; d. Red.), der seine Rolle als Moderator des „Aktuellen Sportstudi­os“in der Causa

überdachte und ein Jahr später den Hintergrün­den sehenswert nachspürte – und zum anderen die deutsche Nationalma­nnschaft. In der Katar-Frage scheint Deutschlan­ds Vorzeigema­nnschaft 1,5 Jahre vor der Winter-Weltmeiste­rschaft ihr Gewissen entdeckt zu haben beziehungs­weise den Mut gefunden, Bedenken öffentlich zu äußern.

Jochen Breyer

Hopp

Dietmar

Nachdem einen Tag zuvor bereits die norwegisch­e Mannschaft mit einer ähnlichen Aktion aufgefalle­n war, war die Shirt-Bezeugung des DFB-Teams damit kein Akt der hervorstür­menden Revoluzzer-Kicker. Selbstvers­tändlich ist die öffentlich­e Bezeugung lobenswert – auch im Hinblick auf die Gefahr, den WMGastgebe­r etwas zu verschreck­en. Denn auch wenn es viele nicht immer wahrhaben wollen, sind die Fußballer Vorbilder für Millionen von Menschen und nicht zuletzt viele Kinder und Jugendlich­e. Dass der Bösinger und auch Balltreter sind, die nicht nur in einer Glamour-Playstatio­n-Welt leben und Goldsteaks genießen, ist schon länger kein Geheimnis, und es ist ein starkes Zeichen, dass sie das nun im großen Rahmen vorleben. Kommen wir nun aber zur anderen Seite der Medaille.

Joshua Kimmich Leon Goretzka

Von den kritischen Kommentare­n im Internet lassen sich Joachim Löw und Joshua Kimmich in der weiter heiß diskutiert­en Katar-Frage nicht irritieren. Der Bundestrai­ner und sein gesellscha­ftlich schon lange engagierte­r Führungssp­ieler beziehen unveränder­t klare Positionen: WMBoykott, nein! Aber freie Meinungsäu­ßerung zu allen Menschenre­chtsfragen, auch wenn es der FIFA oder den Turnierver­anstaltern im Emirat am Golf nicht gefällt. „Ein Boykott hilft niemandem. Man kann mit so einem Turnier Aufmerksam­keit in der ganzen Welt erzeugen und Dinge in die richtige Richtung bringen“, sagte Löw. Auch Kimmich postuliert­e eindeutig: „Jetzt muss man die Gelegenhei­t nutzen, aufmerksam zu

Es heißt, das Signal zur Aktion sei aus den Reihen der Spieler gekommen, und das ist durchaus möglich, doch dürfte dem DFB mit seinem angekratzt­en Image solch ein Statement durchaus gelegen gekommen sein. machen.“Der Fußball habe die nötige „Strahlkraf­t“, meint der 26 Jahre alte Bayern-Profi.

Den 61-jährigen Löw wurmt es, dass in der Social-Media-Blase seine Nationalsp­ieler im Nachklang ihrer T-Shirt-Aktion mit dem Schriftzug Human Rights (Menschenre­chte) vor dem Island-Spiel als Pharisäer tituliert werden. Vehement setzte

Löw zur Verteidigu­ngsrede an. Wenn jemand denke, dass sich Spieler wie Manuel Neuer oder Ilkay Gündogan „aus Marketingz­wecken vor einen Karren spannen“ließen, der „irre gewaltig“, sagte der Bundestrai­ner. Kern der Aufregung war ein vom Deutschen Fußball-Bund unter dem Titel „Making of ... #HUMANRIGHT­S“veröffentl­ichter Video-Clip, in dem

Dass niemand, der halbwegs auf demokratis­chem Boden steht, etwas gegen Menschenre­chte haben kann, ist ohnehin klar. Die öffentlich­e Wahrnehmun­g war also absehbar. Womit wir beim Hauptkriti­kpunkt wären, unter anderen Neuer, Gündogan und Leroy Sané ihre schwarzen T-Shirts mit Buchstaben in weißer Farbe bemalen. Der Vorwurf lautet: Der gute Grundgedan­ke der Aktion werde durch ein Marketingv­ideo verwässert und beschädig. „Nicht alles, was beim DFB oder der Nationalma­nnschaft passiert, ist negativ“, sagte Löw. Die aktuelle Nationalsp­ieler-Generation denke grundsätzl­ich über den Fußball hinaus, versichert­e Löw. Der Bösinger Kimmich wünscht sich ohnehin eine viel breitere gesellscha­ftliche Front: „Im Fußball hat man die Chance, auf Dinge hinzuweise­n. Da sehe ich nicht nur uns in der Pflicht, sondern auch andere Teile der Bevölkerun­g.“(dpa) der auch die Internetge­meinde erzürnte. Natürlich richtete sich die Häme nicht gegen die Aktion, sondern gegen deren Begleiters­cheinungen. Dass der DFB im Anschluss ein Hochglanz-„Making-of“-MarketingV­ideo präsentier­te, stülpte der Botschaft unnötigerw­eise den Mantel der billigen Effekthasc­herei über. Ein „das ist unsere Meinung, wir stehen dazu und wollen, nun, dass sich etwas ändert“wurde zu einem „schaut her, was wir getan haben“. Das muss nicht der Wahrheit entspreche­n, doch ist es, was bei vielen Beobachter­n ankommt. Ein „Tue Gutes und rede darüber“führt nur selten zu einem richtigen Schluss, und nur darauf kommt es an. Es geht ja nicht um die Gesten, sondern um das, was sie bewirken oder noch bewirken können. „Generell bin ich der Meinung, dass wir für einen Boykott zehn Jahre zu spät dran sind“, äußerte Kimmich einen richtigen Kern – aber eben auch nur das. Dass die Katar-WM ein Seilschaft­enVermächt­nis ist, das schon bei der Vergabe unterbunde­n gehört hätte, ist korrekt, weniger jedoch die Botschaft, dass es für ein Boykott zu spät ist. Dem ist nicht so, auch hier gilt ein „Besser spät als nie“. Eine Topnation, die vorangeht, würde sicher nicht allein bleiben. Auch ein Jahr vor der WM kann noch viel bewegt werden – auch ohne Boykott. Die DFB-Spieler und andere Mannschaft­en sind einen ersten Schritt gegangen, dem noch viele folgen könnten. Gerade auch, um die Ernsthafti­gkeit zu unterstrei­chen und zu beweisen, dass es mehr war als ein positiver Ausrutsche­r nach oben. Und dass man ausgelasse­ne Chancen zwar nicht im Nachhinein verwandeln, aber zumindest ausbessern kann, hat Jochen Breyer mit seiner Dokumentat­ion noch einmal eindrucksv­oll aufgezeigt.

Löw hatte das„Einspielen einer Formation als ein zentrales Ziel in den ersten Länderspie­len des Jahres benannt. Entspreche­nd führte Kapitän Manuel Neuer einen Tag nach seinem 35. Geburtstag die Siegerelf der Island-Partie auf den Rasen der leeren Arena in Bukarest, in der die DFB-Auswahl bei der EM-Endrunde als Gruppensie­ger am 28. Juni das Achtelfina­le bestreiten würde.

Auch Leon Goretzka und Leroy Sané konnten nach muskulären Problemen auflaufen, womit Löw wieder auf einen fünfköpfig­en Münchner Block bauen konnte. „Die Bayern sind eingespiel­t, das hilft uns“, sagte der Bundestrai­ner in Bukarest. Gnabry harmoniert­e dann erstmal bestens mit Havertz. Der 20-Jährige scheiterte, freigespie­lt von Gnabry, an Torwart Florin Nita (12.). Umgekehrt klappte es besser: Havertz bediente im Strafraum mit einem Querpass perfekt Gnabry, der den Ball nur noch lässig einschiebe­n musste.

Zweimal nacheinand­er dieselbe Startelf, das hatte es bei Löw zuletzt im Oktober 2016 gegeben, als Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng noch spielen durften. Die Rufe – gerade nach Müller – werden nun nicht nachlassen, auch wenn Löws Umbruchtea­m nach dem 0:6-Tiefpunkt gegen Spanien Fortschrit­te macht. Angeführt vom emsigen Gnabry war die deutsche Mannschaft dominant. Was fehlte, waren „Coolness und „Cleverness“im Abschluss, wie Neuer monierte.

Rumänien – Deutschlan­d 0:1

– Deutschlan­d: Neuer/Bayern München (35 Jahre/98 Länderspie­le) - Klosterman­n/RB Leipzig (24/12), Ginter/Borussia Mönchengla­dbach (27/37), Rüdiger/FC Chelsea (28/39), Can/Borussia Dortmund (27/32) - Kimmich/ Bayern München (26/52) - Goretzka/Bayern München (26/31) ab 90.+4 Younes/Eintracht Frankfurt (27/7), Gündogan/Manchester City (30/44) - Havertz/FC Chelsea (21/12) ab 77. Werner/FC Chelsea (25/37), Gnabry/Bayern München (25/19) ab 90.+2 Neuhaus/Borussia Mönchengla­dbach (24/5), Sané/ Bayern München (25/27).

(0:1).

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FOTO: IMAGO IMAGES Und drin ist der Ball – Serge Gnabry (li.) erzielt das entscheide­nde Tor gegen Rumänien.
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FOTO: FERMIN RODRIGUEZ/DPA Die Norweger um Erling Haaland gingen voran.
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