Der Torwarttrainer allein ist zu wenig
THW Kiel unterliegt – mit einem starken 42-Jährigen im Tor – im Handballklassiker bei der SG Flensburg-Handewitt
FLENSBURG (dpa) - Die Freude über den Derbysieg gegen den alten Rivalen THW Kiel war groß. Dennoch wollte Trainer Maik Machulla von der SG Flensburg-Handewitt nach dem 31:28 (17:15) nicht von einer Vorentscheidung im Kampf um die deutsche Handballmeisterschaft sprechen. „Das ist schön, aber es ist noch lange nichts entschieden. Die Bundesliga ist ein brutales Geschäft“, sagte der 44-Jährige am Samstag. Das sah auch THW-Coach Filip Jicha so: „Beide Mannschaften haben noch 19 Spiele. Da kann noch so viel passieren.“
Und die Situation an der Tabellenspitze ist ohnehin noch eng genug. Durch den Erfolg rückten die Flensburger mit 34:4 Punkten auf Platz eins, doch die Kieler sind mit 33:5 Zählern gleich dahinter. Während die Rhein-Neckar Löwen (32:12) als Vierte durch den 29:27-Zittersieg über den TSV GWD Minden ihre Minimalchance auf das Erreichen der Champions League wahrten, müssen sich die Füchse Berlin schon fast von ihren internationalen Ambitionen verabschieden. Nach der 27:28-Heimniederlage gegen den SC DHfK Leipzig liegt der Hauptstadtclub mit 27:17 Zählern auf Rang sieben. „Wenn man 60 Minuten sieht, kann man Leipzig zum verdienten Sieg gratulieren“, gestand Füchse-Trainer Jaron Siewert ein.
Im hohen Norden gingen derweil die Ansichten der beiden Trainer über die Leistungen ihrer jeweiligen Akteure im 104. Schleswig-HolsteinDuell auseinander. „Die Mannschaft macht das seit Monaten sensationell. Ich kann einfach nur stolz sein“, sagte Machulla auch mit Blick auf die angespannte Flensburger Personaldecke. Bedient war dagegen Jicha. „Wir haben nie zu unserem Spiel gefunden“, kritisierte der Tscheche und lobte den Gegner: „Die Flensburger haben das schlau gemacht.“
In jedem Fall kamen die Gastgeber besser mit den Personalsorgen zurecht. Nach dem Ausfall der verletzten Jacob Heinl, Lasse Möller und Franz Semper sowie der beiden dänischen Nationalspieler Mads Mensah Larsen und Simon Hald, die noch in einer Corona-Quarantäne waren, standen der SG nur zehn Feldspieler zur Verfügung. Den Kielern nutzte die auf dem Papier stärkere Aufstellung nichts, da sich das Fehlen des dänischen Weltmeisterkeepers Niklas Landin (ebenfalls in Quarantäne) zu sehr bemerkbar machte.
Ersatzmann Dario Quenstedt bekam keine Hand an den Ball, wurde nach gut 20 Minuten ohne Parade durch den Kieler Torwarttrainer Mattias Andersson ersetzt. Zwei Tage vor seinem 43. Geburtstag wurde der Schwede mit zehn abgewehrten Bällen zum statistisch besten Schlussmann
der Partie. Ein allenfalls schwacher Trost: „Die Flensburger waren heute besser. Sie waren klarer im Kopf – und in den entscheidenden Momenten da“, sagte Andersson nach Spielende.
Besagte entscheidende Momente waren am Samstag die zweier anderer Schweden. Spielmacher Jim Gottfridsson sezierte die Deckungsformation der „Zebras“, setzte seine Mitspieler überragend in Szene und hatte am Ende sieben Treffer auf seinem Konto. Noch erfolgreicher war Linksaußen Hampus Wanne, der zehn Tore erzielte. Von einem Big Point im Titelkampf wollte aber auch Gottfridsson nichts wissen: „Wir freuen uns jetzt “, sagte der 28-Jährige – „bis zum nächsten Spiel.“
Nach der Bundesliga ist für die beiden Aushängeschilder des deutschen Vereinshandballs vor der Champions League. Am Mittwoch und Donnerstag (jeweils 18.30 Uhr/DAZN) stehen die Achtelfinalhinspiele in der Königsklasse auf dem Programm. Den Anfang machen die Kieler bei Pick Szeged in Ungarn, die Flensburger treten einen Tag später beim HC Zagreb in der kroatischen Hauptstadt an. „Wir wollen uns am Mittwoch besser präsentieren“, kündigte Filip Jicha an. Dem THW droht aber neues personelles Ungemach: Sowohl Kreisläufer Hendrik Pekeler als auch Abwehrstratege Pavel Horak mussten in Flensburg verletzt vom Feld. „Beide werden uns nicht zur Verfügung stehen“, sagte Jicha, der aber wieder auf Niklas Landin bauen kann.