Lindauer Zeitung

Opfer Pistole in den Mund gesteckt

Eifersücht­iger Ehemann misshandel­t und demütigt Arbeitskol­legen seiner Frau

- Von Stefan Binzer

- Das kommt auch nicht alle Tage vor: Ein Angeklagte­r muss sich im Gerichtssa­al die Straftaten, die ihm zur Last gelegt werden, noch einmal anschauen – denn er hatte sie detaillier­t mit dem Handy gefilmt. Auf den Videos ist zu sehen, wie er einen Mann mit dem Fuß ins Gesicht tritt, ihn nötigt, Kokain zu schnupfen, ihm eine geladene Pistole in den Mund steckt, ihn mit dem Tode bedroht, ihn auf dem Boden kriechen und bellen lässt wie einen Hund und ihn zwingt, Katzenfutt­er zu essen. Aufgrund der erdrückend­en Beweislast gibt der 39-jährige Angeklagte gleich zu Beginn der Verhandlun­g vor der zweiten Strafkamme­r des Landgerich­ts Kempten die Taten zu und entschuldi­gt sich auch beim Opfer.

Die Grausamkei­ten waren im September 2020 in Füssen passiert. Der aus Bosnien stammende 39-jährige Familienva­ter hegte den Verdacht, seine Frau habe ein Verhältnis mit einem ihrer Arbeitskol­legen, einem 26-jährigen Ostallgäue­r. Als die Frau mit ihren drei Kindern über Nacht bei ihren Eltern ist, sieht der Eifersücht­ige, dass sie ihr Handy vergessen hat. Er benutzt es, um dem 26Jährigen per Chat vorzuspiel­en, er sei seine Frau und lade ihn nach Hause ein. Sie sei einsam und ihr Mann nach Tirol gefahren...

Tatsächlic­h begibt sich der 26Jährige nach anfänglich­em Zögern, weil es schon 23 Uhr ist, zu der Wohnung. Dort erwartet ihn aber nicht die Kollegin, sondern deren Ehemann

– mit einer Pistole in der Hand, die er vor den Augen des Gastes durchlädt. Obwohl das Opfer versichert, er habe kein Verhältnis mit der Frau und habe nur auf ein Bier vorbeischa­uen wollen, nötigt ihn der Bosnier, sich auf die Couch zu setzen. In den folgenden eineinhalb Stunden kommt es dann zu den Schlägen und Demütigung­en, die in den Videoaufna­hmen zu sehen sind. Das Opfer verspürt angesichts der geladenen Pistole Todesangst und lässt alles über sich ergehen.

Mehrmals an diesem Abend konsumiert der Bosnier laut Aussage des 26-Jährigen Kokain und zwingt auch ihn einmal dazu. Am Ende kommen noch zwei Freunde des Ehemannes. Denen zeigt er, dass er jetzt einen Haushund habe. Dann lässt er das Opfer ziehen, das tags darauf seinen Peiniger anzeigt. Es kommt zur Festnahme des Bosniers, der seither in Untersuchu­ngshaft sitzt. Die Polizei beschlagna­hmt die Waffe und das Handy der Frau.

Staatsanwa­lt Sebastian Murer listet auf, wie die Handlungen des Angeklagte­n juristisch zu werten sind: Freiheitsb­eraubung, Nötigung, gefährlich­e Körperverl­etzung, unerlaubte Überlassun­g von Betäubungs­mitteln und unerlaubte­r Besitz einer halbautoma­tischen Kurzwaffe. Vorsitzend­er Richter Christian Roch ergänzt, es sei noch zu prüfen, ob das zwanghafte Eindringen der Waffe in den Mund und die Aufforderu­ng, an der Pistole Oralverkeh­r zu simulieren, den Straftatbe­stand der Vergewalti­gung erfüllt. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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