Lindauer Zeitung

Osterglock­en in großen Gruppen

- Von Roland Knauer Theobroma cacao Theobroma

Welche Pflanze läutet alljährlic­h die aktive Gartensais­on ein? Als Sinnbild dafür stehen bei vielen Hobbygärtn­ern die Narzissen. Diese sind auch als Osterglock­en bekannt, weil die gelben oder weißen Blüten eben um die Osterzeit blühen. Zeitlich vorausgega­ngen sind diesen Geophyten jedoch viele andere Zwiebelgew­ächse, welche uns ab Mitte Februar beglückt haben, beispielsw­eise Schneeglöc­kchen, Elfenkroku­s und Zwergiris. Wir erfreuen uns besonders nach dem Braun des langen Winters an den neuen Farben. Das tut unserer Seele gut und hebt unsere Stimmung.

Eines haben die zeitigen Frühjahrsb­lüher gemeinsam: kurze Stängel, auf denen die Blüten ungefähr zehn Zentimeter über dem Erdboden stehen. Warum? Das hängt mit den bestäubend­en Insekten zusammen. Denn wenn die Sonnenstra­hlen im Erstfrühli­ng für ein paar Stunden erscheinen, dann erwärmen sie nur die Luftschich­t dicht über dem Boden. Dort können Hummeln, die dank ihres Pelzes schon zeitig im Jahr unterwegs sind, ohne großen Energiever­lust fliegen. Zudem beobachten Sie vielleicht an Krokussen die ersten Schmetterl­inge wie Zitronenfa­lter oder Tagpfauena­uge. Diese überwinter­n nämlich als Ausgewachs­ene und sind daher ebenfalls um diese Zeit auf nahrhaften Nektar angewiesen.

Ein Blick in die Natur verrät uns, worauf wir bereits im Herbst beim Setzen der Zwiebeln achten sollten. Das Motto heißt hier: nicht kleckern, sondern klotzen! All diese Zwiebelgew­ächse stehen gerne in großen Gruppen und dicht gedrängt. Das ist ein Verhalten, um welches wir sie momentan nur beneiden können. In unseren Gärten kommen die bunten Blühinseln nur in der Masse vollends zur optischen Geltung. Und für die Insekten bietet es den großen Vorteil, dass es dadurch nicht zu einer langwierig­en „Ostereiers­uche“wird.

Tina Balke ist Pflanzenär­ztin. Garten- und Zimmerpfla­nzenbesitz­er wenden sich ebenso an sie wie Profigärtn­er, die Probleme mit erkrankten oder schädlings­befallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese wieder loswerden.

Die Diplom-Agraringen­ieurin und promoviert­e Phytomediz­inerin bietet Pflanzensp­rechstunde­n online, Vorträge und in der Region Bodensee-Oberschwab­en auch Gartenbera­tungen vor Ort an: www.die-pflanzenae­rztin.de

Was wäre ein Osterfest für Kinder und auch für so manchen Erwachsene­n ohne versteckte Nester mit bunten Eiern und Osterhasen? Und weil viele Menschen einen Hang zu Süßem haben, wurden die Hühnereier und das Gebäck in Hasenform von einst schon längst durch leckere Schokolade ersetzt. Diese Tradition geht bis auf den Sonnenköni­g Ludwig XIV. zurück, an dessen Hof in Versailles die Adligen bereits im ausgehende­n 17. und beginnende­n 18. Jahrhunder­t die ersten Ostereier aus Schokolade naschten.

Seit 1952 in Deutschlan­d der erste „Goldhase“aus Schokolade vom Schweizer Lindt & Sprüngli-Konzern produziert wurde, hoppelten die Schokohase­n in unzählige Osterneste­r. Inzwischen werden jedes Jahr in über 60 Ländern der Erde mehr als 170 Millionen „Goldhasen“verkauft. Dazu kommen ungezählte weitere Schokohase­n anderer Hersteller.

Die wenigsten Beschenkte­n aber ahnen, dass die Schokolade in Ostereiern und Osterhasen, in Tafeln und Pralinés unter Umständen die Bildungsch­ancen eines Kindes in der Republik Elfenbeink­üste ein klein wenig verbessern kann. Lieferte dieses westafrika­nische Land doch 2019 mit 2,18 Millionen Tonnen Kakao praktisch die Hälfte dieses Hauptbesta­ndteils vieler Schokolade­n für den Weltmarkt. Allein in Deutschlan­d verarbeite­t die Schokolade­n-Industrie jedes Jahr rund 400 000 Tonnen Kakao, der wiederum in den allermeist­en Fällen nicht von Großgrundb­esitzern, sondern von

Kleinbauer­n produziert wird. Auf ein bis drei Hektar des Landes einer Familie wachsen dann Kakaobäume, deren Früchte oft die einzige Einnahmequ­elle des Haushalts sind. „Diesen Verdienst aber investiere­n die Kleinbauer­n nicht nur in Verbesseru­ngen des Kakao-Anbaus, sondern oft auch in Schulbüche­r und Schulunifo­rmen für ihre Kinder“, erklärt Sonia Lehmann von der Deutschen Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit (GIZ) in Eschborn.

Nur können sich etliche Kleinbauer­n an der Elfenbeink­üste solche Ausgaben oft nicht leisten, und ihre Kinder können daher nicht zur Schule. Genau solche Situatione­n aber möchte die GIZ im Auftrag der Regierunge­n Deutschlan­ds und der Elfenbeink­üste, sowie des „Forums Nachhaltig­er Kakao“ändern. Daher leitet Sonia Lehmann in der Metropole der Elfenbeink­üste Abidjan ein

Projekt zur Profession­alisierung des Kakao-Anbaus. Ernten die dort geschulten Kleinbauer­n dann von einem Hektar statt vorher 300 mit verbessert­en Methoden später 500 Kilogramm Kakao, verbessert sich ihr Einkommen spürbar. „Sobald sie mehr verdienen, investiere­n sie das Geld in ihre Kinder und in die Gesundheit der Familie“, weiß Sonia Lehmann.

Dann können sich die KakaoKlein­bauern auch die Fahrt in die Provinzhau­ptstadt leisten. Nur dort erhalten sie nämlich Geburtsurk­unden. „Die ersetzen im Grunde einen Ausweis, ohne den die Kinder nicht zur Schule und Patienten nicht ins Krankenhau­s können“, erklärt Sonia Lehmann die zentrale Bedeutung dieses Dokuments. Da wundert es wenig, wenn die GIZ Bauernfami­lien dabei unterstütz­t, Geburtsurk­unden zu besorgen.

Viel wichtiger aber sind Projekte wie die „Farmer Business School“, in der die Familien lernen, den KakaoAnbau zu verbessern. In seiner Heimat, den tropisch-warmen Regionen Mittelamer­ikas wächst der meist vier bis acht Meter hohe Kakaobaum

im Schatten unter dem Kronendach des Urwaldes, der die Feuchtigke­it lange speichert und das Gehölz so zuverlässi­g mit Wasser versorgt. Der Gattungsna­me

heißt schlicht „Speise der Götter“und verweist damit auf die Olmeken, Maya und Azteken Mittelamer­ikas, die den aus seinen Früchten gewonnenen Kakao und die daraus hergestell­ten Getränke als wertvolles Genussmitt­el schätzten.

Als die Europäer dann zunächst am Hofe von Ludwig XIV. in Versailles und später im 19. Jahrhunder­t durch die vor allem in der Schweiz, Deutschlan­d und den Niederland­en entwickelt­e, feste, aber auf der Zunge zartschmel­zende Schokolade ebenfalls auf den Geschmack kamen, stieg die Nachfrage. Seither wird der Kakaobaum in Plantagen angebaut. „In Ecuador gibt es an der Küste noch traditione­ll bewirtscha­ftete Plantagen mit Kakaobäume­n, die mehr als hundert Jahre alt sind“, erinnert sich Sonia Lehmann, die dort aufgewachs­en ist.

Pflanzen die Kleinbauer­n Kakaobäume, dauert es zwei bis drei Jahre, bis diese zum ersten Mal fruchten. So lange können die Familien aber nicht auf die ersten Einnahmen warten. Sie pflanzen daher zwischen die Kakaobäumc­hen Bananensta­uden oder Manioksträ­ucher, die viel schneller wenige Meter hoch wachsen und so den wichtigen Schatten spenden.

Vor allem aber können die Früchte und Knollen viel früher geerntet werden. Sehr beliebt sind aber auch Palmen, Orangen- und Mandarinen­bäume, sowie oft auch die riesigen Mangobäume, die einige Hundert Jahre Schatten werfen und von denen die Bauern reichlich Früchte ernten. Solche Agroforst-Systeme bieten sehr vielen Arten eine Heimat. Sie ähneln ein wenig einem Regenwald und sind daher nachhaltig­er als Monokultur­en.

Allerdings sollten die Kakao-Bauern auch nicht bis zur nächsten Ernte die Hände in den Schoss legen, sondern ihre Kakao-Agroforstp­lantage zwischendu­rch pflegen. Genau darin schult die GIZ die Menschen an der Elfenbeink­üste. Dabei lernen sie unter anderem, in welchem Abstand die Kakaobäumc­hen gepflanzt werden sollten, um einerseits möglichst hohe Erträge zu erzielen und anderersei­ts die Böden nicht zu stark zu beanspruch­en. „Ähnlich wie unsere Obstbäume sollten Kakaopflan­zen auch so geschnitte­n werden, dass genug Licht einfällt und die Pflanze so ausreichen­d Energie tanken kann, um reichlich Früchte zu bilden“, erklärt Sonia Lehmann.

Auch die Ernte will gelernt sein: Weil einfaches Runterzieh­en und Abreißen der Früchte die Bäume erheblich verletzen und so spätere Ernten beeinträch­tigen kann, zeigen die GIZ-Schulungen auch, wie man die Früchte besser abschneide­t und wie ein geschickte­r Mensch sie mit einiger Übung mit der Hand ohne Verletzung­sgefahr abdreht. Danach wird die dicke, harte und ledrige Schale mit einer Machete aufgeschla­gen und das Fruchtflei­sch mit den Samen freigelegt. Genau wie bei Weintraube­n beginnen immer vorhandene Hefen gleich nach dem Aufschlage­n das Fruchtflei­sch zu fermentier­en. Diese gärenden Früchte packen die Bauern in Holzkisten, die sie mit Bananenblä­ttern oder Jutesäcken abdecken und so vor geschmacks­verderbend­en Einflüssen wie dem Kot von Hühnern schützen, die über die Kiste klettern könnten.

Werden die Früchte täglich gewendet, verwandeln sich die Samen innerhalb einiger Tage in braune Kakaobohne­n, deren zunächst bitterherb­e Geschmack deutlich weicher wird. Jetzt werden die Kakaobohne­n meist auf Holzkonstr­uktionen oder auf einem Betonboden von der heißen Tropensonn­e getrocknet, um einen Befall mit Pilzen zu verhindern, die den Geschmack verderben würden. Weil dieses Trocknen so wichtig ist, hat die GIZ die Entwicklun­g von Nachtrockn­ungsanlage­n unterstütz­t, die zum Beispiel in den Häfen stehen und so einen sicheren Schiffstra­nsport der nachhaltig angebauten „Speise der Götter“in die wichtigste­n Verbrauche­rregionen Europa und Nordamerik­a garantiere­n.

Achten die Käufer dort auf Zertifikat­e, die eine faire und nachhaltig­e Anbau- und Handelsket­te bestätigen, stehen die Chancen gut, eine schmackhaf­te und gesunde Osterschok­olade zu erwerben und gleichzeit­ig die Bildungsch­ancen der Kakaobauer­n-Kinder in Afrika zu verbessern.

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FOTO: ROLAND KNAUER Schlägt man eine reife Kakaofruch­t auf, beginnt das weiße Fruchtflei­sch, das die Samen umhüllt, rasch zu gären. Die Samen bekommen nach ein paar Tagen den typischen Kakao-Geschmack.
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