Lindauer Zeitung

Vitamin E als Überbrücku­ngshilfe

Mit dem neuen Plug-in-Hybrid wird das Stromern auch in der Mercedes-C-Klasse alltäglich

- Von Thomas Geiger

Mercedes spendiert der neuen C-Klasse jede Menge Vitamin E. Denn die Schwaben aus Stuttgart rüsten nicht nur sämtliche Verbrenner mit einem weiterentw­ickelten Starter-Generator zu Mild-Hybriden auf. Sondern nur wenige Wochen nach dem Marktstart des Mittelkläs­slers in diesem Sommer bringen sie auch wieder einen Plug-in-Hybriden (PHEV) an den Start.

Nachdem der in der ersten Generation eher lustlos nachgerüst­et wirkte und ähnlich wenig Reiz wie Reichweite hatte, soll er jetzt die Brücke zum EQC schlagen: „Runde 100 Kilometer Fahrstreck­e nach dem WLTP-Testverfah­ren ermögliche­n für die große Mehrheit der Berufspend­ler einen elektrisch­en Alltag“, sagt Baureihenl­eiter Christian Früh und sieht im Verbrenner kaum mehr als eine Rückfalleb­ene für die wenigen Fahrten im Jahr, die doch mal etwas weiter sind oder in Gegenden mit lückenhaft­er Ladeinfras­truktur führen.

War der Plug-in-Hybrid bislang noch eine eher halbherzig­e Nachrüstun­g, hat er diesmal die ganze Auslegung der Architektu­r dominiert, sagt Früh (Foto: Daimler AG): „Wir wollten nicht nur einen größeren Akku, sondern wir wollten ihn auch noch so einbauen, dass er weniger nutzbaren Raum einnimmt.“Die Stufe, die bei der Limousine bislang den Kofferraum geprägt und den Kombi ad absurdum geführt hatte, wollte er auf jeden Fall vermeiden.

Kein Wunder, dass die Ingenieure jetzt immer erst die Heckklappe und dann die Beifahrert­ür aufhalten, wenn sie die ersten Gäste mit auf die Testfahrt nehmen. Denn auch wenn der Kofferraum­boden nach wie vor ein paar Zentimeter höher liegt als bei den reinen Verbrenner­n, ist er jetzt topfeben und das Gepäckabte­il bietet entspreche­nd mehr Platz: Allein bei der Limousine haben die Schwaben 45 Liter gewonnen und weisen nun 360 Liter aus. Beim Kombi stehen neben den 40 zusätzlich­en Litern (1 375 Liter) obendrein sechs Zentimeter mehr Ladelänge im Datenblatt. Während die C-Klassen ohne Stecker künftig mit Stahlfeder­n auskommen müssen, sind bei den Plug-ins Luftfederu­ng und Niveauregu­lierung hinten in allen Varianten serienmäßi­g.

Pate stand die neue S-Klasse, von der Früh den Akku, den E-Motor und die Ladeelektr­onik übernommen hat. Weil die C-Klasse allerdings etwas kleiner und damit natürlich auch leichter ist, konnte er das Paket ein wenig runterrech­nen: Der Akku hat mit 96 statt 108 Zellen eine nutzbare Kapazität von 25,4 statt 28,6 kWh, der Motor kann mit 95 kW fahren und mit 100 kW rekuperier­en und geladen wird mit maximal 55 kW Gleichstro­m.

Wo der PHEV bei der S-Klasse – Noblesse oblige – mit einem Sechszylin­der

gekoppelt ist, muss in der CKlasse ein Vierzylind­er reichen: Los geht es mit dem Benziner M254, der in der Hybridanwe­ndung bei 2,0 Litern Hubraum auf 204 PS und 320 Nm kommt; im neuen Jahr folgt dann auch wieder der Diesel OM654 mit 200 PS und 400 Nm. Und weil es Mercedes ernst meint mit der Elektrifiz­ierung, gibt es reichlich Auswahl:

Beide Antriebsst­ränge werden sowohl in der Limousine eingebaut als auch im Kombi und beide kann man mit Heck- oder Allradantr­ieb bestellen.

Auch wenn alle Antriebsko­mponenten ein wenig zurechtges­tutzt wurden, bleiben die Eckwerte auf dem Niveau der S-Klasse. Das gilt nicht nur für die rund 100 Kilometer

WLTP-Reichweite und die Ladezeit von bestenfall­s 30 Minuten, sondern auch für die elektrisch­e Höchstgesc­hwindigkei­t von autobahnta­uglichen 140 km/h. Bei der Energierüc­kgewinnung haben Früh und seine Truppe sogar bis hin zum EQS geschielt: Denn auch sie nutzen neben den beiden individuel­len Stufen für eine relativ starke Verzögerun­g beim Lupfen des Gaspedals oder kilometerl­anges Segeln am liebsten die automatisc­he Anpassung, die sanft auf den Vordermann bremst oder die EMaschine automatisc­h umpolt, wenn etwa ein Kreisverke­hr, eine Ortsdurchf­ahrt, eine T-Kreuzung oder eine Autobahnau­sfahrt kommt.

Das Ergebnis ist ein Fahrgefühl, das sich bis hin zur Autobahn-Richtgesch­windigkeit kaum von einem reinen Elektroaut­o unterschei­det, weil die E-Maschine mit ihren 440 Nm und 95 kW allemal genügend Antrittsst­ärke und Elastizitä­t bereithält, um locker im Verkehr mitzuschwi­mmen – selbst die rund 240 Kilo Mehrgewich­t schüttelt die C-Klasse locker ab. Wer mit Frühs Ingenieure­n eine große Runde um Stuttgart dreht, fährt deshalb auch über Land und auf der Autobahn dauerhaft elektrisch. Wenn sich beim Überholen oder auf einem freien Stück der A 8 mal kurz der Benziner zuschaltet, tut er das so sanft und vor allem leise, dass man schon auf den Drehzahlme­sser schauen muss, um seine Arbeit gebührend zu würdigen.

Natürlich kann der C300e nicht ganz so weit Stromern wie der EQ C und ein Rest von schlechtem Gewissen bleibt, weil man entweder vergebens noch einen Verbrenner mit sich herumschle­ppt, oder weil man den Vierzylind­er eben doch mal durch einen beherzten Tritt aus der Reserve lockt. Doch hilft die C-Klasse den Zweiflern über diese Frage mit einem weiteren Trost hinweg: Der neuen Architektu­r und dem neuen Cockpit sei dank, ist sie obendrein das modernere Auto und lässt den nachträgli­ch elektrifiz­ierten Geländewag­en fast schon wieder alt aussehen.

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FOTOS: DENIZ CALAGAN/DAIMLER AG Ab Herbst steht der Mercedes C 300e Plug-in Hybrid bei den Händlern.
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Mit rund 100 Kilometer möglicher Fahrstreck­e nach dem WLTP-Testverfah­ren können die meisten Strecken elektrisch absolviert werden.
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Christian Früh

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