Hausärzte wollen mehr Tempo in der Impfkampagne
Forderungen nach mehr Vakzin – Über 700 000 Impfungen pro Tag
- Die Hausarztpraxen in Baden-Württemberg und Bayern haben in der Breite mit den CoronaImpfungen begonnen. Sie tragen seit Mittwoch dazu bei, dass sich bundesweit die Zahl der Corona-Impfungen in Deutschland sprunghaft erhöht. So wurden am Donnerstag in den bundesweit insgesamt 35 000 teilnehmenden Hausarztpraxen und Impfzentren rund 719 000 Dosen verabreicht – 50 000 mehr als am Vortag. Das geht aus der täglichen Impfstatistik des Robert-Koch-Instituts hervor. Bisher waren an keinem Tag mehr als 372 000 Corona-Impfdosen in Deutschland gespritzt worden. In der Regel waren es deutlich weniger.
Deutliche Kritik kommt aus den Reihen der Hausärzte an der Menge der verfügbaren Impfdosen: „Eine normale Hausarztpraxis hat nur 20 oder 30 Dosen bekommen“, sagt Hans Bürger, Allgemeinarzt in Vogt und Vorsitzender der Kreisärzteschaft im Landkreis Ravensburg, „aber wir könnten 70 bis 100 Impfungen pro Woche locker stemmen, aber dafür brauchen wir mehr Impfstoff.“
In den ersten beiden Aprilwochen haben die Hausarztpraxen in BadenWürttemberg nach Angaben des Sozialministeriums Impfstoff von Biontech erhalten. Ab Mitte April werde der Impfstoff von Astrazeneca an die niedergelassenen Praxen geliefert, die Impfzentren werden dann nur noch die Dosen erhalten, die für die Zweitimpfungen notwendig sind.
Am Mittwoch seien alle Praxen im Südwesten mit Impfstoff versorgt worden, am Donnerstag hätten alle beteiligten Ärzte die ersten Impfungen verabreicht, sagte Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), am Freitag. In der kommenden Woche sollen die Praxen jeweils 30 Dosen Corona-Impfstoff erhalten. Die Liefermengen für die Wochen danach seien derzeit noch unklar.
In den Hausarztpraxen hatten die Vorbereitungen auf die Impfkampagne am Osterwochenende begonnen: Viele Hausärzte hatten ihre Patientinnen und Patienten persönlich („Ich habe dann noch ein besonderes Osterei für Sie!“) kontaktiert: „Bis abends um 23 Uhr haben viele Mitarbeitende in den Praxen und die Ärzte selbst ihre Patientinnen und Patienten angerufen“, berichtet Allgemeinarzt Hans Bürger, „wir stellen uns der Aufgabe natürlich.“
Auch hier ging es geordnet zu: Weil es noch viel zu wenig Impfstoff gibt, bekamen zunächst Patienten aus den Risikogruppen einen Termin. Die Hausärzte orientieren sich an der bundesweiten Impfverordnung. Demnach werden zuerst ältere Menschen, Patienten mit Vorerkrankungen und einzelne Berufsgruppen geimpft.
Die Politik hat den Ärzten aber schon mehr Flexibilität zugesichert. Sie könnten beispielsweise chronisch Kranke schneller impfen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte wiederholt betont, dass er den Ärzten bei der Priorisierung vertraue.
In den Praxen seien die Prozesse und Abläufe auf die neue Impfkampagne eingestellt worden: „Das läuft ja alles nebenher, die Leute kommen mit ihren alltäglichen Krankheiten auch weiterhin zu uns“, sagt Bürger und zählt auf: „Wir müssen die Impflinge nicht nur einbestellen, sondern sie müssen bei uns auch nach der Impfung 15 bis 30 Minuten bleiben.“In dieser Zeit sind sie unter medizinischer Kontrolle: „Ob sich Nebenwirkungen einstellen.“Der komplexe Impfstoff, die Aufklärungsgespräche, der Diskussionsbedarf rund um den Impfstoff Astrazeneca: „Das verkompliziert die Abläufe.“
Unterdessen wollen die Kassenärzte im Südwesten mit einer Petition erreichen, dass die Corona-Impfkampagne nahezu vollständig in ihre Hände gelegt wird. Der Unmut unter den Mitgliedern sei groß, dass sie nur die „Reste“an Impfstoff bekämen, der über die Impfzentren hinaus übrig bleibe, sagte der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Norbert Metke. Nach einer Umfrage unter den KV-Mitgliedern gebe es eine hohe Bereitschaft zur Teilnahme. In der Petition plädiert die KVBW für einen sofortigen Strategiewechsel. Zu Beginn sei es richtig gewesen, die Impfungen zu konzentrieren. Doch dieser Ansatz sei jetzt „nicht mehr vermittelbar“. Die Impfzentren seien „teuer und erfordern einen riesigen Personalaufwand“.