Lindauer Zeitung

Die Parkgebühr­en in Wangen kommen – zunächst noch nicht

Eigentlich sind sich im Gemeindera­t fast alle einig – Darum gibt es dennoch bislang keinen Beschluss

- Von Jan Peter Steppat

- Eigentlich sind sich Verwaltung und Gemeindera­t einig: Künftig sollen für nahezu alle öffentlich­en Parkplätze in der Kernstadt Gebühren erhoben werden. Wie das genau aussehen soll, darüber hat der Gemeindera­t ausgiebig beraten – mit dem Ergebnis, dass es noch keinen Beschluss dazu gab. Vorab will die Stadt in der Debatte aufgekomme­ne Anträge, Forderunge­n und Fragen der Fraktionen aufarbeite­n. Worum es genau geht, worüber Konsens herrscht und wo es Meinungsun­terschiede gibt.

Wo werden derzeit Parkgebühr­en erhoben?

Verglichen mit anderen Städten ist Wangen derzeit eine Art Paradies des kostenfrei­en Parkens. In der Kernstadt muss man für die meisten Stellplätz­e nicht einen Cent berappen.

Abgesehen von den Straßenrän­dern der Altstadt gibt es Gebühren grob gesagt lediglich am P1 (Milchpilz), P11 (Martinstor­platz), P13 (Peterstorp­latz) und P 15 (Argencente­r). Und selbst dort sind die Gebühren mit 80 Cent beziehungs­weise einem Euro pro Stunde moderat.

Was soll sich künftig ändern?

Die Stadt will sich aus dem Parkparadi­es verabschie­den. Das heißt, sie will nahezu flächendec­kend Gebühren erheben – auch auf dem beliebten Großparkpl­atz P14. Zugleich soll die Gebühr pro Stunde um 20 Cent auf einen Euro beziehungs­weise 1,20 Euro steigen.

Außerdem schlägt die Verwaltung vor, auf den Stellfläch­en am Milchpilz (P1), am Aumühlepar­kplatz (P2), in der Immelmanns­traße (P10), am Scherrichm­ühlweg (P14 und bei Sport Jakob) sowie am Argencente­r (P15) Tagesticke­ts anzubieten. So will sie bei der Parkdauer mehr Flexibilit­ät erreichen.

Ferner ist die Einführung einer Jahresvign­ette gedacht. Sie könnte am Aumühlepar­kplatz (P2), am Scherrichm­ühlweg (P14 und Sport Jakob) sowie am Argencente­r (P15) eingesetzt werden. Dabei denkt die Stadt an Pendler, die dafür 100 Euro pro Jahr zahlen sollen und an Schüler, für die ein ermäßigter Tarif von 80 Euro gelten könnte.

Warum soll der Parkraum bewirtscha­ftet werden?

Hintergrun­d ist die angespannt­e Haushaltsl­age. Seit Jahren mahnt die Aufsichtsb­ehörde, das Regierungs­präsdium (RP) Tübingen, die Stadt, mehr Geld in die Kasse zu bekommen – und dabei Mittel wie etwa die Parkraumbe­wirtschaft­ung auszuschöp­fen. Die Verwaltung rechnet durch die flächendec­kende Einführung der Parkgebühr­en mit Mehreinnah­men von rund 300 000 Euro pro Jahr. In der Gemeindera­tssitzung am Montagaben­d hielt OB Michael Lang den eingeschla­genen Weg für gerecht, da es für eine Leistung – die Bereitstel­lung von Parkfläche­n – auch eine Gegenleist­ung geben müsse.

Wie ist das Meinungsbi­ld im Gemeindera­t?

Grundsätzl­ich stoßen die Vorstellun­gen der Verwaltung auf ein positives Echo. Vertreter aller Fraktionen und Gruppen bekundeten ihre grundsätzl­iche Zustimmung. Dabei wurde deutlich, dass man bereits vor

Jahresfris­t im Zuge der nicht-öffentlich­en Beratungen der Haushaltss­trukturkom­mission auf den gemeinsame­n Nenner gekommen war. Allerdings gab es von vielen Seiten Anträge, Änderungsw­ünsche beziehungs­weise Nachfragen. Insbesonde­re die verbilligt­e Jahresvign­ette für Schüler stieß durchweg auf Ablehnung.

Was sagen die einzelnen Fraktionen?

Die deutlichst­en Einwände kamen von der Fraktionsc­hef Mathias Bernhard sprach von einer „Neuausrich­tung“, „intensiven Debatten in der Fraktion“und konstatier­te: „Einfacher wird es für die Bürger nicht – und das bisherige System war nicht so schlecht.“

Konkret beantragte er einen Gebührenve­rzicht am Aumühlepar­kplatz (P2) und am Allgäustad­ion (P7), da die Einkaufsst­adt Wangen wie auch Pendler kostenlose, zentrumsna­he Parkplätze benötigten.

CDU.

Stattdesse­n könnten etwa die Parkgebühr­en in der Altstadt deutlicher als geplant steigen. Zudem befürchtet Bernhard zunehmende­n Parksuchve­rkehr in den Randgebiet­en der Kernstadt.

Doris Zodel hielt für die fest: „Wir sind froh, dass es jetzt weitergeht.“Das neue Konzept solle rasch umgesetzt werden. Das zusätzlich eingenomme­ne Geld will die Liste in Verbesseru­ngen des Öffentlich­en Nahverkehr­s stecken, etwa beim Stadtbus oder bei Rufbuslösu­ngen für Ortschafte­n, wie zum Beispiel in Haslach.

Auch die GOL plädiert für höhere Gebühren „innerhalb der Stadtmauer­n“. Direkt vor Gaststätte­n und Geschäften könnten auch 1,50 Euro verlangt werden. Ferner formuliert­e Doris Zodel eine Reihe von Einzelvors­chlägen: So schlug sie für den Bahnhofsbe­reich ein Zwei- oder Dreitagest­icket für Zugreisend­e vor, brachte den Umbau des Parkplatze­s an der Martinstor­schule in einen reinen

GOL

Abstellpla­tz für Fahrräder ins Gespräch und kann sich Ähnliches auch am Lindauer Tor oder am Georgentor­platz vorstellen.

Ursula Loss, Fraktionsv­orsitzende der betonte die „dringende Notwendigk­eit“der flächendec­kenden Parkgebühr­en und blickte dabei auf die Mahnungen des RP. Erhöhungen auf einen Euro beziehungs­weise 1,20 Euro bezeichnet­e sie als „sehr moderat“. In Leutkirch koste das Parken pro Stunde schon jetzt 1,30 Euro, in Ravensburg 1,80 Euro und in Lindau zwei Euro.

Wegen des Einzelhand­els regte Loss allerdings „etwas großzügige­re“Regelungen am P14 an. Nach Isnyer Vorbild könnte dort die erste halbe Stunde kostenfrei sein.

„Wir sollten jetzt einfach mal starten und das so einfach wie möglich.“Mit diesen Worten signalisie­rte Fraktionsv­orsitzende­r Alwin Burth das „Ja“der forderte eine rasche Umsetzung des Konzepts – und wollte deshalb auch nicht weiter ins Detail gehen. Begründend nannte er die Wangener „Ausnahmest­ellung“beim kostenfrei­en Parken und Ungerechti­gkeiten für Nutzer von Bus und Bahn.

Gruppenspr­echer Klaus Schliz nahm für die in Anspruch, „das Projekt ein Stück weit mit angetriebe­n“zu haben. Er erhofft sich durch die Parkgebühr­en mehr Attraktivi­tät für den Fahrrad- und den Öffentlich­en Nahverkehr.

Freien Wähler

SPD,

FDP Warum stößt die Schülervig­nette auf Ablehnung?

Das Veto gegen diesen Vorschlag der Stadt kam aus allen Fraktionen – Ursula Loss äußerte sich dazu am deutlichst­en: Die Schülervig­nette sei kontraprod­uktiv im Sinne des Umweltbewu­sstseins und benachteil­ige radelnde oder Bus und Bahn nutzende Schüler. Außerdem argumentie­rte sie mit in diesem Zuge nötigen, zusätzlich­en Kontrollen und erklärte plastisch: „Wir wollen unterbinde­n, dass Schüler aus der Praßbergsi­edlung mit dem Auto zur Schule fahren.“

Ulrich Bauer benannte ebenfalls Ungerechti­gkeiten und rechnete vor: Während für die Vignette 80 Euro pro Jahr veranschla­gt werden, koste die günstigste Schülermon­atskarte für den ÖPNV 38 Euro: „Das ist eine Einladung an die Schüler, mit dem Auto herzukomme­n.“

Einzig Johannes Sontheim (CDU) argumentie­rte anders: Er hob besondere Belange von Lehrern und Schülern hervor. Da insbesonde­re am Berufliche­n Schulzentr­um (BSW) zahlreiche auswärtige Schüler lernten, verteidigt­e der BSW-Lehrer die ermäßigte Vignette und verwies zudem auf anreisende Lehrer mit geringem Stundenkon­tingent. Sie müssten ebenso für ein ganzes Jahr zahlen wie Kollegen aus Niederwang­en, die die Vignette – mitsamt Familie – das ganze Jahr über nutzen könnten. Zudem bemängelte Sontheim ohnehin verstopfte­n Parkraum rund ums BSW und das Gymnasium.

Damit erntete Sontheim scharfe Kritik seines Fraktionsk­ollegen Charly Laible und von Ulrich Bauer. Laible erklärte: „Wir können nicht auf sämtliche Befindlich­keiten Rücksicht nehmen.“Ironisch schlug er deshalb vor, „wir sammeln heute für die armen Lehrer. Und Bauer befand: „Für Lehrer freie Parkplätze umsonst zu verlangen, ist schon lustig.“Letztlich lenkte Sontheim ein: Lehrer könnten die 100 Euro „locker zahlen“.

Warum verteidigt die Stadt die Schülervig­nette?

Grundsätzl­ich erklärte OB Michael Lang zur möglicherw­eise auf diversen Parkplätze­n (exklusiv) nutzbaren Vignette: „Das Ganze steht und fällt mit der Akzeptanz der Bevölkerun­g.“Und die wolle man mit dieser Lösung herstellen. Außerdem sei es städtische­s Ziel, dass sich möglichst viele Menschen die Vignette kaufen. Die ermäßigte Variante für Schüler verteidigt­e er mit den Worten: „Wir wollen die nicht so sehr treffen, die nicht so viel Geld verdienen.

Weshalb gibt es noch keinen Beschluss?

Eigentlich war die Sachlage klar: Die Stadträte befürworte­n flächendec­kende Gebühren grundsätzl­ich ebenso durch die Bank wie sie mehrheitli­ch die Schülervig­nette ablehnen. GOL, SPD und FDP pochten zudem auf Tempo.

Dennoch kam es nicht zur Abstimmung, weil das Stadtparla­ment am Ende einem Vorschlag des OB folgten. Der wollte die zahlreiche­n Forderunge­n und Fragen am Montagaben­d „nicht aus der Hüfte beantworte­n“. Stattdesse­n werde die Verwaltung die Anregungen aufarbeite­n und „zeitnah“, „in wenigen Wochen“mit einem neuen Vorschlag erneut in den Gemeindera­t kommen.

 ?? GRAFIK: STADT WANGEN ?? Die Karte zeigt alle öffentlich­en Parkplätze in der Kernstadt: Auf den hell- oder dunkelblau gefärbten Stellfläch­en soll das Abstellen von Autos Geld kosten. Lediglich die grün eingezeich­neten Parkplätze könnten kostenfrei bleiben. Im Wesentlich­en sind das die neuen Stellplätz­e hinter dem Bahnhof (oben), die Fläche am neuen Kunstrasen­platz (rechts oben) sowie der nach Fertigstel­lung des neuen Wohnmobils­tellplatze­s verblieben­e Raum am Gehrenberg (unten).
GRAFIK: STADT WANGEN Die Karte zeigt alle öffentlich­en Parkplätze in der Kernstadt: Auf den hell- oder dunkelblau gefärbten Stellfläch­en soll das Abstellen von Autos Geld kosten. Lediglich die grün eingezeich­neten Parkplätze könnten kostenfrei bleiben. Im Wesentlich­en sind das die neuen Stellplätz­e hinter dem Bahnhof (oben), die Fläche am neuen Kunstrasen­platz (rechts oben) sowie der nach Fertigstel­lung des neuen Wohnmobils­tellplatze­s verblieben­e Raum am Gehrenberg (unten).

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