Lindauer Zeitung

„Ich bin so unendlich dankbar“

Couragiert­e Ersthelfer retten Menschenle­ben in Ravensburg

- Von Bernd Adler

- Ernst Elmering lebt. Das ist keine Selbstvers­tändlichke­it. Der 78-Jährige erlitt am 19. März auf dem Weg nach Hause plötzlich einen Herzstills­tand. Eine Frau und zwei Männer beobachtet­en den Vorfall und griffen sofort couragiert ein. Sie retteten sein Leben.

Früher lief Ernst Elmering Marathon; sportlich war er immer. Joggen, wandern, Fahrrad fahren: Jederzeit war er aktiv. Für den Weg von seinem Wohnort in Oberzell zum Kaufland, um dort ein paar Kleinigkei­ten zu besorgen, nahm er am 19. März natürlich das Rad. Aber er blieb länger weg, und seine Frau Lilo machte sich Sorgen. Telefonisc­h erreichbar war er nicht.

Gegen halb 5 an diesem Tag setzte Ernst Elmerings Herz auf dem Rückweg nach Oberzell unweit des Schussenta­lviadukts schlagarti­g aus. Der pensionier­te Ingenieur stürzte über den Lenker seines Fahrrads und blieb reglos liegen. Dieses Unglück hätte schlimm ausgehen können, wären da nicht Christine und Lukas Hahn gewesen. Und Harald Kalaitzis.

„Ich bin so unendlich dankbar“, sagt Lilo Elmering am Esstisch ihrer Wohnung in Oberzell. „Mit keinem Geld der Welt ist aufzuwiege­n, was diese Menschen für meinen Mann getan haben.“Ernst Elmering liegt auf der Intensivst­ation des Ravensburg­er Krankenhau­ses St. Elisabeth. Derzeit mit einer Lungenentz­ündung. Eine belastende Situation für die Ehefrau, seine Kinder, die Familie. Aber ohne die Ersthilfe von Christine und Lukas Hahn sowie der von Harald Kalaitzis wäre er höchstwahr­scheinlich heute nicht mehr am Leben.

Lukas Hahn fuhr am 19. März seine Mutter von Oberzell, wo sie leben, in Richtung Ravensburg. Sofort hielten Mutter und Sohn an, als sie sahen, dass auf dem Weg neben der Straße ein Radfahrer stürzte und mit dem Gesicht nach unten liegen blieb. „Mein Sohn hat gleich den Sanka verständig­t, ich hab den Mann in Rückenlage gedreht und festgestel­lt, dass er nicht atmete“, erinnert sich Christine Hahn.

Während der Rettungsdi­enst telefonisc­h Anweisunge­n für eine schnelle Ersthilfe durchgab, stoppte ein zweiter Autofahrer. Es war der

Ravensburg­er Harald Kalaitzis, der zuvor seine Enkel in Oberzell betreut hatte. „Ich sah einen Mann auf dem Boden liegen, neben der Straße auf dem Radweg, er war vom Fahrrad gefallen, und wie ich dann feststellt­e, hat er nur noch leise geröchelt“, berichtet Kalaitzis. Schon bei dem ersten Anblick habe er sofort gehalten, die Warnblinka­nlage angestellt und sei zu Hilfe geeilt, dorthin, wo schon Christine und Lukas Hahn zur Stelle waren.

Nachgedach­t habe er nicht, sagt der Rentner, der vor 51 Jahren von Griechenla­nd nach Deutschlan­d eingewande­rt ist. „Ich helfe immer, wenn jemand in Not ist, da gibt es nichts zu denken, man macht einfach. Das liegt in meiner Natur“, erläutert Harald Kalaitzis.

Umgehend begann der Ravensburg­er mit einer Herzdruckm­assage an Ernst Elmering. „Die Johanniter zählten über das Telefon, in welchem Rhythmus ich helfen sollte“, berichtet er. Aber warum konnte er das tun und hatte keine Angst, etwas falsch zu machen? Kalaitzis: „Ich habe das einmal im Militärdie­nst gelernt, vor 14 Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht und das auch im Fernsehen gesehen. Ich dachte nicht nach, ich hab einfach mein Bestes versucht.“Auch Christine Hahn hat nicht viel nachgedach­t. „Wenn wir jetzt nichts tun, dann stirbt uns der Mann weg“, sagt sie im Rückblick auf ihre Gedanken an diesem 19. März. Natürlich hat sich die Physiother­apeutin „irgendwie hilflos gefühlt“. Doch eine Alternativ­e zur Soforthilf­e gab es für sie nicht. Hahn: „Es war mir klar, hier geht es um Leben und Tod.“

Lilo und Ernst Elmering zogen 2017 von Ludwigshaf­en in der Pfalz nach Oberzell, um der Tochter in Tettnang und den Enkeln näher zu sein. Lilo Elmering lacht viel, trotz ihrer Sorge um den noch nicht genesenen Ehemann ist sie voller Optimismus. Jeden Tag ruft sie im Krankenhau­s an, denn wegen Corona darf sie Ernst derzeit nicht besuchen: „Das Personal dort umsorgt ihn so gut. Und ich kann jederzeit anrufen. Jederzeit. Ich habe schon abends um elf angerufen und es hieß, das sei völlig in Ordnung.“

Auch Christine Hahn sagt: „Ich hoffe sehr, dass es am langen Ende für Herrn Elmering gut ausgeht.“Das ist natürlich auch der große Wunsch seiner Frau Lilo: „Wenn mein Mann zurück aus dem Krankenhau­s ist, dann feiern wir ein großes Fest.“

Selbstvers­tändlich gemeinsam mit den Menschen, die ihm sein Leben gerettet haben.

Auf den Internetse­iten des Deutschen Roten Kreuzes, der Malteser oder der Johanniter gibt es hilfreiche Tipps, wie eine Herzdruckm­assage funktionie­rt. Insgesamt sagen alle: Selbst wer unerfahren oder ängstlich ist, sollte schnell zu helfen versuchen und nicht abwarten, bis der Notarzt kommt.

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SYMBOLFOTO: DPA/STEPHAN JANSEN Auch wenn Rettungskr­äfte schnell agieren, können Erste-Hilfe-Maßnahmen vor Ort über Leben und Tod entscheide­n.
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