Lindauer Zeitung

Lindauer ärgert sich: Nachbar fällt Baum

Die Birke stand an der Grundstück­sgrenze – Eines Morgens war sie einfach weg

- Von Barbara Baur

- In Lindau ist der Streit zweier Nachbarn um einen Baum eskaliert. Statt sich mit der Gegenseite zu einigen, schuf einer der beiden Fakten. Er sägte die Birke, die an der Grundstück­sgrenze stand, offenbar einfach um und behielt das Holz ein. Der Nachbar, auf dessen Grundstück der Baum wohl stand und der anonym bleiben möchte, ist aber auch wegen des Zeitpunkts wütend, zu dem der Baum gefällt wurde. Denn auch, wenn er von den Fällarbeit­en nichts mitbekomme­n hat, ist er sich sicher, dass der Baum aus Gründen den Artenschut­zes am 14. März nicht ohne weiteres hätte gefällt werden dürfen.

Er bemerkte wahrschein­lich erst am nächsten Morgen, dass die Birke fehlt. Als er aus dem Fenster geschaut habe, sei ihm die Lücke aufgefalle­n. „Es war eine schöne Birke“, sagt er. Sie sei 30 bis 40 Jahre alt und ungefähr 20 Meter hoch gewesen. Der Baum sei von selbst dort gewachsen, doch mit seinem Nachbarn habe er deswegen immer schon Krach gehabt. Deshalb vermute er, dass es nur der Nachbar gewesen sein könne, der die Birke gefällt habe.

„Sie stand an der Grenze, vermutlich auf meinem Grundstück“, berichtet er. Womöglich sei die Birke ein wenig auf die andere Seite hinübergew­achsen. Doch selbst wenn der Baum genau auf der Grenze gestanden hat, der Nachbar hätte die Birke auf keinen Fall ohne seine Einverstän­dnis fällen dürfen. „Und auch das Holz hätte er mit mir teilen müssen“, sagt er. „Aber stattdesse­n war der Baum auf einmal weg.“Grundsätzl­ich müssen Bäume zwei Meter von der Grundstück­sgrenze entfernt gepflanzt werden. Wenn der Abstand nicht eingehalte­n wird, muss derjenige, dem der Baum zu nah ist, seinen Nachbarn bitten, den Baum entspreche­nd zu versetzen. Dazu hat der Nachbar aber nur fünf Jahre Zeit, danach hat der Baum Bestandssc­hutz.

Der Lindauer sieht die Aktion aber nicht nur wegen der fehlenden Absprache und dem gestohlene­n Holz kritisch, sondern auch wegen des Zeitpunkts der Fällarbeit­en. Denn er ist sich sicher, dass der Baum am 14. März umgesägt wurde. Denn zwischen dem 1. März und den 30. September ist es laut Bundesnatu­rschutzges­etz verboten, Bäume, die außerhalb gärtnerisc­h genutzter Grundfläch­en stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche oder andere Gehölze abzuschnei­den, auf den Stock zu setzen oder zu fällen. Im Umkehrschl­uss bedeutet das, dass Bäume, die innerhalb gärtnerisc­h genutzter Grundfläch­en stehen, gefällt werden dürfen.

Der Stichtag am 1. März sei durchaus sinnvoll, denn dann beginne die Brutzeit für viele Vögel, sagt Ursula Sauter-Heiler von der Naturschut­zbehörde im Landratsam­t Lindau. Trotzdem handele es sich nicht um ein generelles Verbot. „Zum einen können wir den Zeitraum, in dem Fällarbeit­en erlaubt sind, verlängern“, sagt sie. Aufgrund des Wetters habe das Landratsam­t dieses Frühjahr den Stichtag um eine Woche auf den 7. März verschoben. Ein Grund dafür ist, dass bei Schnee viele Arbeiten, wie eben das Fällen von Bäumen oder Hecken, überhaupt nicht erledigt werden können. Doch selbst nach einer Verlängeru­ng der Frist seien Fällarbeit­en unter bestimmten Voraussetz­ungen noch erlaubt.

Ein weiterer Knackpunkt sei auch die Formulieru­ng ,gärtnerisc­h genutzte

Der Nachbar, auf dessen Grundstück

der Baum wohl stand. Grundfläch­en’ im Gesetzeste­xt. „Das bayerische Umweltmini­sterium interpreti­ert den Begriff so, dass private Hausgärten auch zu den ,gärtnerisc­h genutzten Grundfläch­en’ zählen“, sagt Sauter-Heiler. Voraussetz­ung dafür sei, dass im Vorfeld der Artenschut­z geprüft werde.

Derjenige, der einen Baum fällen will, müsse deshalb in Absprache mit der Umweltschu­tzbehörde einen Fachmann beauftrage­n, etwa einen Biologen oder einen Ornitholog­en, der den Baum untersucht. Dabei überprüft der Experte, ob der Baum zum Beispiel ein Lebensraum für Vögel ist. „Eine gute Zeit, um das sicher festzustel­len, ist, wenn der Tag mit dem ersten Licht anbricht“, sagt sie.

Das Fällen der Birke bleibt wohl ohne Folgen, denn nachträgli­ch konnte die Naturschut­zbehörde kein Vergehen gegen den Artenschut­z feststelle­n. „Der Baum war weg und schon zerlegt, deswegen konnten wir nicht mehr feststelle­n, ob dort zum Beisiel Vögel genistet hatten“, sagt Sauter-Heiler. Die Fällung der Birke sei allerdings nicht mit der Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts abgesproch­en worden. Nun hätte der Besitzer des Baums noch die Möglichkei­t, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Doch das kommt für den Mann derzeit nicht infrage, da das nachbarsch­aftliche Verhältnis ohnehin schon stark belastet ist.

„Und auch das Holz hätte er mit mir teilen

müssen. Aber stattdesse­n war der Baum auf einmal weg.“

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SYMBOLFOTO: TOBIAS HASE/DPA An einem Morgen Mitte März war der Baum an der Grundstück­sgrenze einfach weg.

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