Gefahr in den eigenen vier Wänden
In der Corona-Krise sind mehr Kinder zu Opfern geworden – Cyberangriffe nehmen zu
- Dass das Corona-Jahr ein schlechtes Jahr für Diebe aller Art war, ist nun auch statistisch belegt. Deutschlandweit ging die Zahl der Diebstahldelikte, die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2020 erfasst wurden, um 7,7 Prozent auf 1 682 610 zurück. Vor allem Autos wurden weniger gestohlen (minus 15 Prozent), zudem bearbeitete die Polizei weniger Wohnungseinbrüche (minus 13 Prozent) und Taschendiebstahl (minus elf Prozent). „Deutschland ist ein sicheres Land“, sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Donnerstag in Berlin, wo er mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), die Statistik vorstellte. Doch in anderen Bereichen führte die Corona-Pandemie zu mehr Straftaten – insbesondere bei der Computerkriminalität und auch der Verbreitung pornographischer Schriften. Die wichtigsten Zahlen und Einschätzungen.
Immer weniger Straftaten
Horst Seehofer stellte zum vierten Mal in Folge die Polizeiliche Kriminalstatistik vor. Seine positive Bilanz: Im Vergleich zu vor fünf Jahren ist die Zahl der Straftaten in Deutschland um mehr als eine Million gesunken – auf 5,3 Millionen Fälle. „Dabei hat die Gesamtbevölkerung in demselben Zeitraum deutlich zugenommen“, betonte der Bundesinnenminister. Gegenüber 2019 ist die Zahl der registrierten Straftaten um 2,3 Prozent gesunken. Das sei äußerst positiv, so Seehofer. Auch dass die Aufklärungsquote auf einen Höchstwert von durchschnittlich 58,4 Prozent gesteigert werden konnte, wertete der CSU-Politiker als Erfolg. Besonders werden die Täter bei Tötungsdelikten ermittelt (94,9 Prozent), eher selten hingegen bei Diebstahlsdelikten (15,7 Prozent).
Cyberkriminalität
statt Wohnungseinbruch
Der Wechsel vieler Arbeitnehmer ins Homeoffice und die neuen Abstandsregeln wegen der Corona-Pandemie hatte für Diebe zur Folge, dass sie sich neuen Einnahmequellen zuwenden mussten. Viele wurden offensichtlich im Bereich der Computerkriminalität fündig. Im Vergleich zu 2019 nahm die Zahl der Fälle insgesamt um 6,2 Prozent zu auf 130 6111 Straftaten. Besonders häufig gelang es Kriminellen, die Computer ihrer Opfer zu sabotieren oder deren Daten, auch Zahlungsdaten zu erbeuten. Strobl, der auch Digitalisierungsminister von Baden-Württemberg ist, freut sich zwar einerseits über den digitalen Schub, der in der Corona-Krise entstanden ist, warnte aber auch vor den Gefahren im Netz: „Die Cyberkriminalität ist die große neue Herausforderung der 20er-Jahre“, sagte er.
Die Schattenseiten und das Dunkelfeld
Die Vermutung steht seit Beginn des Lockdowns im Raum: In manchen Familien könnte der Rückzug ins Private zu einer echten Gefahr werden, da Gewaltausbrüche nun dort ausgelebt werden. Es gebe deutliche Hinweise auf mehr Gewalt im häuslichen Bereich, bestätigten sowohl Seehofer als auch Münch. Für das erste Quartal 2020 liegen bereits Zahlen vor, die diese Annahme bestätigen. Auch dass Hilfstelefone für Opfer häuslicher Gewalt häufiger angerufen werden, sei ein Beleg dafür. Allerdings ist das sogenannte
Dunkelfeld – so werden nicht angezeigte Straftaten bezeichnet – im häuslichen Umfeld groß. Der Bundesinnenminister sprach sich erneut dafür aus, Gewalt gegen Frauen in den Polizeistatistiken besser zu erfassen. Darüber sei er mit den Ländern im Gespräch.
Kinder als Opfer
Wie schlimm sich die Corona-Pandemie für manche Kinder ausgewirkt hat, belegen die Zahlen der Kriminalstatistik zu sexuellem Missbrauch von Kindern und zur Verbreitung kinderpornografischer und jugendpornographischer Schriften. Die Missbrauchsfälle nahmen im Vergleich zu 2019 um knapp sieben Prozent auf rund 14 500 zu. Bei der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie ging die Kurve steil nach oben. Im Schnitt wurden 54,5 Prozent mehr Straftaten behandelt. Das Gute im Schlechten: Aufgrund einer besseren Zusammenarbeit mit Internetbeschwerdestellen und einer halbstaatlichen Organisation in den USA sei es den Behörden gelungen, mehr Hinweise auf die Täter zu bekommen, so Seehofer.
Die Gewalt auf der Straße
Auf der Negativseite der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020 steht auch die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte. Mehr als 85 000 Polizistinnen und Polizisten wurden Opfer von Straftaten, das sind 6,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. „Das ist eine erschreckend hohe Zahl“, sagte Seehofer. Die Hemmschwelle zur Gewalt sei in Teilen der Gesellschaft verloren gegangen. Strobl kritisierte, dass sich Hass und Hetze immer häufiger gezielt gegen Behörden und Personen richteten. Mit Blick auf die sogenannten Querdenker und Corona-Demonstranten sagte er: „Sie beziehen sich auf Grundwerte, gleichzeitig werden von ihnen Grundrechte mit Füßen getreten.“Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagte diese Entwicklung. „Meine Kolleginnen und Kollegen erleben fast täglich Situationen, in denen ihnen unvermittelt Brutalität entgegenschlägt“, teilte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Dietmar Schilf mit. Die Polizeiliche Kriminalstatistik sei deshalb kein Anlass „für politisches Glanz und Gloria“.