Lindauer Zeitung

Harte Regeln müssen her

- Von Finn Mayer-Kuckuk wirtschaft@schwaebisc­he.de

Die Grenze zwischen „edler Interessen­vertretung und Lobbyismus“sei manchmal schmal, sagte Kanzlerin Angela Merkel vor dem Wirecard-Untersuchu­ngsausschu­ss. Das ist richtig – aber was als Rechtferti­gung ihrer Kontakte zu einem Berater gedacht war, lässt sich auch als Warnung lesen. In einer Zeit, in der Konzerne viel mehr Geld, hoch bezahltes Personal und Beharrungs­vermögen haben als Politik und Medien, gilt dieser Grenze besondere Beachtung.

Merkel machte die Aussage, um einen Kontakt im Jahr 2019 zu erklären: Damals hatte sie Karl-Theodor zu Guttenberg getroffen, den Ex-Politiker und heutigen Firmenbera­ter. Als dieser auf Wirecard zu sprechen kam, hatte sie ihn völlig korrekt an den Wirtschaft­schef des Kanzleramt­s verwiesen. Die Tür zur Chefetage war da aber schon offen. Vorbehalte gegenüber Wirecard, die unter Fachleuten im Kanzleramt nachweisli­ch bereits zirkuliert­en, wurden nicht mehr gehört. Das war legal, hinterläss­t aber ein ungutes Gefühl.

Wenn die deutsche Politik wirklich modern werden will, braucht sie ein umfassende­s Transparen­z-Register. Jeder Kontakt müsste darin vermerkt sein – inklusive Protokoll der Inhalte und Anliegen. Das im März eingeführt­e Lobbyregis­ter bietet dafür bereits gute Ansatzpunk­te. Die Regeln zur Dokumentie­rung müssten allerdings viel weiter gehen. So wie auf EU-Ebene sollten auch Details der Einflussna­hme nach Themen sortiert im Netz abrufbar sein.

Die reguläre Arbeit in einer Demokratie wäre dadurch nicht berührt. De facto beruht ein guter Teil des Regierungs­handelns darauf, Meinungen von Verbänden und Branchenve­rtretern einzuholen. Wenn ein Ministeriu­m ein Gesetz plant, fließen die Stellungna­hmen in die Formulieru­ng ein. Wer sich nicht laut meldet, dessen Anliegen werden nicht beachtet. Das ist normal. Doch auf zweifelhaf­te Aktivitäte­n wie die zu Guttenberg­s dürfte eine Offenlegun­g abschrecke­nd wirken.

Die Kanzlerin sagte im Ausschuss auch: Hinterzimm­erabsprach­en darf es nicht geben. Damit das keine Absichtser­klärung bleibt, müssen harte Regeln her. Das zeigt auch der Maskenskan­dal in ihrer eigenen Partei.

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