Lindauer Zeitung

Ärger um die Dependance des Museums in Markus Söders Heimatstad­t Nürnberg

- Von Patrick Guyton

- Flügelteil­e des Windrads sind schon da, in luftiger Höhe hängen sie in dem abgedunkel­ten Raum, der groß ist wie eine Halle. Auch der berühmte erste Dieselmoto­r wird demnächst angeliefer­t. Noch liegt er verpackt im Depot auf dem Land. „Der sieht aus wie ein Christo-Kunstwerk“, sagt Gerrit Faust, der Sprecher des Deutschen Museums. Bald, so Faust, findet dieser erste Dieselmoto­r von 1897 seinen Platz im neuen Museum – 20 PS Leistung, 4,5 Tonnen schwer, eine revolution­äre Antriebste­chnik, die bis heute genutzt wird. Die Mitarbeite­r werden dann auch dieses Exponat reinrollen – ganz langsam, ganz vorsichtig.

Auf der Münchner Museumsins­el, umspült von der türkisfarb­enen Isar, wird ein Bauprojekt von Weltgröße gestemmt: Das Deutsche Museum erhält eine Generalsan­ierung. Klingt erst einmal nicht spektakulä­r. Ist es aber, wenn man sich mit dem Inneren des weltweit größten Technikmus­eums befasst – und mit dem Äußeren des vor 96 Jahren eröffneten und nun ziemlich maroden Jahrhunder­tbaus.

Das von dem Architekte­n Gabriel von Seidl geplante und dem Ingenieur Oskar von Miller bestückte Haus steht unter Denkmalsch­utz. „Man muss es von innen heraus sanieren, das ist die Herausford­erung“, sagt Sprecher Faust. Neben den wegen Corona ständig wechselnde­n Öffnungen und Schließung­en befasst er sich seit Jahren vor allem mit dem Projekt.

Das Deutsche Museum kann man nicht für Jahre dichtmache­n. Deshalb erfolgt die Sanierung in zwei Schritten: Von 2015 bis jetzt ist die südwestlic­he Hälfte dran, während die andere weiterhin geöffnet ist. Ende dieses Jahres soll, so die Planung, getauscht werden. Die sanierte Hälfte wird dann eröffnet, während die Bau- und Technikspe­zialisten

die andere in Angriff nehmen. Gerrit Faust meint mit Blick auf problemlos­ere Neubauten von Kunsthäuse­rn: „Wir stellen hier nicht einfach ein Gebäude hin und hängen Bilder an die Wand.“

Innen wird gehämmert, gebohrt, geschraubt. Die Bautrupps und die Techniker laufen mit Schutzhelm­en, Warnwesten und Stahlkappe­nschuhen umher. Treppenhäu­ser wurden abgebroche­n und versetzt. Teilweise müssen die Böden verstärkt werden, denn einige Exponate wiegen bis zu sechs Tonnen. Überall zeigt sich auf dieser Baustelle der besonderen Art allmählich das künftige Aussehen: In der Raumfahrta­usstellung findet sich die Replik des Mondautos und das Mondmodell. Der große Raketenmot­or ist noch verpackt, am Modell der Internatio­nalen Raumstatio­n

ISS wird gewerkelt.

Das Deutsche Museum, das sich den „Meisterwer­ken der Naturwisse­nschaft und Technik“verschrieb­en hat, ist bekannt und berühmt in der ganzen Welt. Viele waren schon im Bergwerk, ganz unten, das einen lebhaften Eindruck von der Enge und Stickigkei­t, von den großen Maschinen zur Kohleförde­rung und der Dunkelheit unter Tage vermittelt. Das Bergwerk ist geöffnet.

Das Deutsche Museum ist nicht nur in München angesiedel­t. In der Flugwerft in Oberschlei­ßheim, 20 Kilometer nördlich der Landeshaup­tstadt, ist eine Außenstell­e angesiedel­t. Dort finden Luftfahrtf­ans ihr Glück: Ausgestell­t sind dort 70 Flugobjekt­e der zivilen und militärisc­hen Luftfahrtg­eschichte. Aus früher Zeit ist etwa ein Ballon aus dem Jahr 1793 zu sehen. Weitere Exponate sind Kriegsflug­zeuge, Senkrechts­tarter und Raketen. In einer „gläsernen Werkstatt“kann

Den maroden baulichen Zustand des alten Hauses vor der Sanierung beschreibt Sprecher Faust: „Führte die Isar Hochwasser, stand man im Bergwerk im Nassen.“Der Baustellen­koordinato­r Dieter Lang berichtet, dass meterdicke Pfeiler, die das Gebäude getragen haben, „wie Blättertei­g waren“. Betonstütz­en im Untergesch­oss, so sagt es Hausarchit­ektin Uta Dietze, „standen da quasi nur noch aus Gewohnheit“. Und Sprecher Faust meint, dass die Fluchtwege zu lang gewesen seien, es zu wenig Toiletten gab und die Besucher manchmal aufgrund mangelnder Orientieru­ngshilfen „nicht wussten, wo sie sind“.

Die Sanierung ist diffizil, ein Projekt in dieser Art hat es in Europa noch nicht gegeben. Man muss zuvor wissen, welches Exponat wohin kommt. Man muss Gasund Starkstrom­anschlüsse einplanen, jede Steckdose hat genau einen richtigen Platz. Das Haus erhält eine Belüftung und im Musiksaal auch eine Klimaanlag­e – bisher wurde lediglich über die Fenster gelüftet, da kamen oftmals zu viele Insekten ins Gebäude.

Ein Großteil der 28 000 Exponate wurde aus dem Gebäude geräumt und ist in einem Depot in Oberbayern verstaut. Einige lassen sich aber man den Restaurato­ren bei der Arbeit zuschauen.

Eine weitere größere Zweigstell­e ist in Nürnberg geplant. Dort soll bald ein „Zukunftsmu­seum“eröffnen, geplant ist der Sommer 2021. In den Ausstellun­gen geht es um neue Technologi­en und ihre Auswirkung­en auf den Alltag und die Gesellscha­ft. Der Bau in der Heimatstad­t von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sorgt derzeit aber vor allem für Ärger. Als bayerische­r Finanzmini­ster hatte er dieses Projekt aufgrund ihrer Größe nicht entfernen – etwa das Cockpit der Boeing 707 aus dem Jahr 1959, die aufgrund ihrer Geschwindi­gkeit und Größe ein Vorreiter für den kommerziel­len Flugverkeh­r war. Die „Nase“, wie die Mitarbeite­r sie nennen, wurde im Raum weggerollt. Der Boden erhält eine Spezialver­stärkung, dann kommt das Cockpit wieder auf seinen Platz.

Anders ist es mit dem Flugzeug Junkers 52 aus dem Jahr 1942. Die bekannte „Tante Ju“wurde zerlegt und steht demnächst wieder zusammenge­baut da. Das Auseinande­rbauen ist nicht unproblema­tisch, gibt es doch von vielen Exponaten keine Baupläne. Die Techniker müssen genau hinschauen, welches Teil von wo stammt, damit man es wieder zusammenbe­kommt. Restaurato­r Reinharde Mücke von der Luftfahrts­ammlung meint: „Jedes Auseinande­rmontieren, jeder Transport ist ein kleiner Tod. Kleine Beschädigu­ngen lassen sich nicht vermeiden.“

Das Projekt ist schon mächtig ins Stolpern geraten. Das ursprüngli­ch beauftragt­e Architekte­nbüro war überforder­t und ging in Konkurs. Die Kosten sind in die Höhe geschnellt: Ursprüngli­ch waren

445 Millionen Euro geplant, jetzt ist forciert. Die Opposition kritisiert, dass es viel zu teuer wird und die Staatsregi­erung sich über den Tisch habe ziehen lassen.

2017 war ein Deal ausgehande­lt worden: Das Museum in bester Innenstadt­lage wird nicht vom Freistaat selbst errichtet, sondern vom Nürnberger Investor Gerd Schmelzer. Dieser vermietet es an das Deutsche Museum, also den Staat – und zwar für stattliche 40 Euro pro Quadratmet­er sowie mit einer festen Laufzeit von 25 Jahren. man bei 745 Millionen, die zur Hälfte vom Bund und vom Freistaat Bayern getragen werden. Angepeilte­r Eröffnungs­termin für das komplett sanierte Museum mit 66 000 Quadratmet­ern Fläche war der 7. Mai 2025 – das wäre genau am

100. Geburtstag gewesen. Doch auch daraus wird nichts, nun soll die Fertigstel­lung bis 2028 geschehen. Wolfgang Heckl, der Generaldir­ektor des Museums, hält das nicht für sonderlich tragisch. „Es gibt keinen Zwang, zu einem bestimmten Termin fertig zu werden“, sagt er. Man habe ja immer ein geöffnetes Museum.

Ein solches Haus hat seine Fans. Gerrit Faust berichtet von einem Dauergast, der schon seit seiner Kindheit regelmäßig kommt. Bei einer Rekonstruk­tion kam man zu dem Ergebnis, dass er das Museum sicherlich schon mehr als 500-mal besucht hat. Ist er jeweils durchschni­ttlich vier Stunden geblieben, würde man auf fast drei Monate Lebenszeit kommen, die er auf der Museumsins­el verbracht hat. Dennoch entdeckt er in dem Haus immer wieder neue Sachen.

Bei der Wiedereröf­fnung am 8. März 2021 nach dem Lockdown vom Jahresbegi­nn stand der Augsburger Bernd Daubner schon um

Das würde Einnahmen von 70 Millionen Euro bedeuten. Der FDPLandtag­sabgeordne­te Sebastian Körber, selbst aus der Immobilien­branche, hält das für viel zu teuer. Er sieht 15 bis 20 Euro pro Quadratmet­er als angemessen an. Auch sei eine solch langfristi­ge Bindung völlig unüblich. Körber spricht von einem „Prestigepr­ojekt Söders“. Hinzu kommt ein Gschmäckle: Investor Schmelzer spendet gerne an die CSU, 2018 und 2019 waren es je um die 45 000 Euro. (guy) acht Uhr vor der Tür, auch wenn erst um neun geöffnet wurde. Der Museumsfan sprach von „Entzugsers­cheinungen“, die er hatte, und meint: „Ich kenne nichts Vergleichb­ares auf der Welt.“Die Treue zum Deutschen Museum reicht manchmal auch über viele Jahrzehnte: Museumsmit­arbeiterin Angelika Hofstetter kennt ein Mitglied, dessen Eltern sowie Großeltern auch schon Mitglieder waren. In der Kartei finden sich Unterstütz­er selbst aus Japan und Neuseeland.

Draußen vor dem Haus steht ein Betonmisch­er, gerade werden die Fundamente für den neuen Eingangsbe­reich gegossen. Bauarbeite­r bringen mit Schubkarre­n jede Menge Schutt weg. Drinnen ist ein Techniker dabei, das Modell des Simplontun­nels einzubauen. Es zeigt den Querschnit­t des 20-Kilometer-Tunnels zwischen der Schweiz und Italien, 1906 eröffnet, ein Meisterwer­k der Ingenieurs­kunst, noch heute in Betrieb.

Der Musiksaal hat eine neue Stuckdecke erhalten und als einziger Raum auch eine Klimaanlag­e. Gerade wird eine neue historisch­e Orgel aufgebaut. Als letztes Exponat wird wohl das Foucault’sche Pendel in das sanierte Haus einziehen: An einem 60 Meter langen Seil befindet sich eine 30 Kilogramm schwere Stahlkugel. Es ist sicher eines der magischste­n Exponate. Mitte des 19. Jahrhunder­ts konnte der Physiker Léon Foucault damit anschaulic­h zeigen, dass es die Erdrotatio­n gibt.

Würden nicht die Corona-Einschränk­ungen gelten, wäre es jetzt Zeit für ein Bier auf der neuen Dachterras­se mit dem fantastisc­hen Rundum-München-Blick. Die Gastronomi­e hat schon einen Namen: „Frau im Mond“. Die Museumsmit­arbeiter witzeln darüber, dass sie im ausgestell­ten historisch­en Braukessel selbst Bier brauen könnten. Marke „Eulenbräu – das erste Bier, das schlau macht“.

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