Lindauer Zeitung

Mehr Impfstoff kommt ins Land

Nebenwirku­ngen bei Astrazenec­a und Johnson & Johnson als gering eingestuft

- Von Basil Wegener, Sascha Meyer und Gisela Gross

(dpa) - Nach Inkrafttre­ten der Corona-Notbremse in Deutschlan­d rücken nun mehr Freiheiten für Geimpfte in den Fokus. Darüber soll auf einer Bund-Länder-Spitzenrun­de an diesem Montag in Berlin debattiert werden, wie Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) ankündigte. Zugleich gab es gute Nachrichte­n für die Impfwillig­en in Deutschlan­d. Die oberste deutsche Impfbehörd­e stuft die Nebenwirku­ngen der Präparate von Astrazenec­a und Johnson & Johnson als sehr gering ein.

Spahn zeigte sich aber auch wegen konstanter Lieferunge­n von Biontech/Pfizer optimistis­ch. Laut EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen ist auch der angekündig­te EU-Vertrag zum Kauf von weiteren 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer fast fertig. „Wir werden in den nächsten Tagen abschließe­n“, sagte sie beim Besuch eines Pfizer-Werks im belgischen Puurs. Die Dosen sollen bis 2023 geliefert werden. Damit sollen Impfungen von Erwachsene­n aufgefrisc­ht und die 70 bis 80 Millionen Kinder in der EU gegen das Coronaviru­s immunisier­t werden.

Impfungen und Nebenwirku­ngen:

Hinsichtli­ch der Nebenwirku­ngen erläuterte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, den aktuellen Stand. So kam in Deutschlan­d auf 100 000 Impfungen mit Astrazenec­a ein gemeldeter Fall eines Blutgerinn­sels. Auch eine erneuerte Untersuchu­ng in Großbritan­nien habe gezeigt, dass die Thrombosef­älle in Zusammenha­ng mit Astrazenec­a sehr selten seien. Bei dem Impfstoff von Johnson & Johnson sei das Verhältnis nach USDaten sogar 1 zu 1 Millionen. Cichutek begrüßte eine Freigabe des Astrazenec­a-Impfstoffs auch für Unter-60-Jährige nach Abwägung mit dem Arzt. „Ich bewerte das als sehr vernünftig­e Maßnahme“, sagte der PEI-Präsident. Die Menschen sollten sich über Risiken informiere­n und der Arzt diese individuel­l beurteilen. Bayern, Berlin, Sachsen und Mecklenbur­g-Vorpommern hatten mitgeteilt, dass Praxen den Astrazenec­aImpfstoff allen spritzen können. Die ständige Impfkommis­sion hatte ihn für unter 60-Jährige empfohlen, seinen Einsatz nach Abwägung mit Ärztin oder Arzt aber ermöglicht. Bei Johnson & Johnson sieht die Impfkommis­sion keine Altersbesc­hränkung vor.

Mehr Rechte für Geimpfte:

Welche Beschränku­ngen fallen für Geimpfte weg? Diese ethisch heikle Frage soll laut Spahn bei der geplanten Ministerpr­äsidentenk­onferenz am Montag mit im Zentrum stehen.

Ein Aspekt sei: „Wie behandele ich vollständi­ge Geimpfte in Relation zu tagesaktue­ll negativ Getesteten?“Voller Impfschutz könne einem negativen Testergebn­is gleichgest­ellt werden. Das betrifft laut Spahn etwa den Wegfall der Quarantäne­pflicht nach einem Kontakt zu einem Infizierte­n, die Regeln bei Einreiseve­rordungen und bei Öffnungssc­hritten etwa für Geschäfte.

Eine andere Frage sei: „Darf man jemanden, der vollständi­g geimpft ist, noch Kontaktbes­chränkunge­n auferlegen?“Laut Spahn müssen die im Grundgeset­z geschützte­n Interessen

des Einzelnen und die gleichzeit­ig hoch zu wertenden Schutzbedü­rfnisse insgesamt abgewogen werden.

Impfstoff auf Halde:

Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt kritisiert­e beim Redaktions­netzwerk Deutschlan­d, dass „mehr als fünf Millionen Impfdosen ungenutzt gelagert“würden. Spahn wies das zurück. Nach mehr als 600 000 Impfungen am Vortag seien im Moment vier Millionen Dosen auf Lager. Bis zur nächsten Lieferung zu Wochenbegi­nn würden davon zwei Millionen verimpft. Die übrigen seien verplant. Vom Astrazenen­ca-Vakzin seien wenige 100 000 unverimpft. Der Zuspruch bei Astrazeenc­a sei zwar etwas gesunken. Doch seiner Einschätzu­ng nach würden Millionen Menschen ihn nehmen, sobald genug davon geliefert werde, sagte Spahn.

Wie geht es weiter bei der Impfkampag­ne?

Ein Großteil der EUBürger kann nach Einschätzu­ng von der Leyens viel früher geimpft werden als gedacht. Sie sei zuversicht­lich, dass es im Juli genügend Impfstoff gebe, um 70 Prozent der Erwachsene­n in der EU zu impfen. Bislang war dieses Ziel für den 21. September angepeilt. Spahn erklärte in Berlin, dass auf Basis der Lieferprog­nosen im Juni mit einem Ende der bisherigen festen Impfreihen­folge in Deutschlan­d zu rechnen sei. Das bedeute nicht, dass allen gleich ein Termin gegeben werden könne. Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz warnte, dann forderten immer mehr Menschen ihre Impfung ein. Die Büchse der Pandora würde geöffnet. 22,2 Prozent der Bevölkerun­g sind derzeit mindestens einmal geimpft.

Sputnik V:

Unklar ist noch, ob der russische Impfstoff Sputnik V in Deutschlan­d eingesetzt wird. Voraussetz­ung sei eine Zulassung in der EU, für die noch Hersteller­daten geliefert werden müssten, so Spahn. Der Impfstoff müsse auch rechtzeiti­g kommen, sodass er überhaupt noch einen Unterschie­d mache. Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) hatte gesagt, dass Deutschlan­d 30 Millionen Dosen von Sputnik V erwerben wolle.

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FOTO: MARCUS BRANDT/DPA Die EU kauft weitere 1,8 Milliarden Dosen Biontech-Impfstoff.

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