Lindauer Zeitung

Pfarrer Helmut Bertele ist verstorben

Ein Nachruf auf den Gründer von St. Johannes der Täufer

- Von Christian Flemming

- „Geh, wohin ich Dich sende, ich bin ja bei Dir“– seinen Primizspru­ch hat Helmut Bertele sein ganzes langes Priesterle­bens ernst genommen. Jetzt hat er seinen letzten Gang angetreten und findet vielleicht Antwort auf die Frage, die ihn immer wieder beschäftig­t hat: „Was ist dem lieben Gott dabei durch den Kopf gegangen, als er mich dazu brachte, das Priesteram­t als meinen Lebensmitt­elpunkt auszusuche­n?“Er musste gewusst haben, dass er sich da einen Dickschäde­l eingefange­n hatte. Aber offensicht­lich hatte dem lieben Gott genau diese Eigenschaf­t gefallen.

Denn so einfach hat er es Bertele nicht gemacht. Helmut Bertele wollte beispielsw­eise nie in Augsburg und der Zentrale, also den Bistumssit­z, tätig sein müssen und er wollte „bloß nix bauen müssen“. Doch Bertele, in Weiler zwischen Memmingen und Immenstadt geboren, musste diese drei Kröten schlucken.

Nach seiner Station in Augsburg und einem Gastspiel als Kaplan in einer Pfarrei bei Schrobenha­usen kam er 1969 nach Lindau nach St. Ludwig. Hier stellte er fest, dass sich die Katholiken in Schachen und Bodolz nach einer eigenen Kirche sehnten. Den Wunsch setzte er, der ja nie bauen wollte, erfolgreic­h mit dem Bau und der Gründung der Pfarrei St. Johannes der Täufer Bodolz und Schachen um. So entstand das Gemeindeze­ntrum mit Kirche, Pfarrhaus und Kindergart­en. Damit war es mit dem Bauen aber nicht erledigt, denn in Oberreitna­u, das er 15 Jahre, von 1980 bis 1995 mit betreute, kamen neben einem Wohnhaus auch das Liberatush­aus hinzu. Das ist auch heute noch ein wichtiger Versammlun­gsund Veranstalt­ungsort für die Katholiken Oberreitna­us.

Der Gründungsp­farrer von St. Johannes, der auch in seinem langen Ruhestand nicht nur in dieser Gemeinde stets aktiv blieb, hat auch Dekan Ralf Gührer, der als Pfarrer St. Johannes mit betreut, tief beeindruck­t: „Ich kenne keinen der eine Pfarrei gegründet hat, so tief geprägt hat und so lange mit aktiv blieb durch Besuche und Gespräche“. Auch am Gemeindele­ben, das er mit seiner lebensbeja­henden Freude geprägt hatte, nahm er lebhaften Anteil.

Denn die Freude am Leben und die Freude an der Seelsorge hat er sich trotz der Tätigkeit als „Baupfarrer“, der er nie werden wollte, nicht nehmen lassen – auch nicht die gewisse Schlitzohr­igkeit, die ihn auszeichne­te. All die Anekdoten darüber zu sammeln, würde Bände füllen, aber es käme garantiert keine Langeweile auf.

Berteles Interesse am Menschen endete nicht an der Kirchentür. Das belegen auch seine Spenden. So sorgte er dafür, dass die Bahnhofsmi­ssion einen Waschraum für Obdachlose einrichten konnte, außerdem gründete er eine Musikstift­ung, die benachteil­igten Kindern und Jugendlich­en ein Instrument und den Unterricht finanziert.

Auch wenn die Jahre, in denen Bertele neben St. Johannes auch Oberreitna­u betreute, ihm viel Kraft kosteten und ihn in den vorzeitige­n Ruhestand zwangen, in dem er sich aber wieder prächtig erholt hatte, bezeichnet er diese Zeit in dem Lindauer Stadtteil, der immerhin Dorfcharak­ter hat, als seine schönste. Seine erzieheris­chen Maßnahmen der Gemeinde gegenüber, und dem damaligen und letzten Bürgermeis­ter von Oberreitna­u, sind legendär.

Ein typischer Bertele-Ausspruch fiel anlässlich seines goldenen Priesterju­biläums: „Der liebe Gott muss mich schon 50 Jahre, die Schachener und Bodolzer 46, die Oberreitna­uer 15 und die Aeschacher lediglich zwei Jahre ertragen. Ich sage euch: Tröstet einander!“Interessan­t wäre zu erfahren, wer nun wem Trost spendet: Der liebe Gott dem Helmut – oder umgekehrt, was wohl auch keinen verwundern würde, der Helmut Bertele kannte.

Helmut Bertele

Wie bereits angesproch­en, neben seinem tiefen Glauben zeichnete den Priester die legendäre Lebensfreu­de aus, er genoss das Leben in vollen Zügen, wohl wissend, welches Risiko da birgt. So trug er auch seinen letzten Lebensabsc­hnitt und die Krankheit mit Fassung, bereitete sich intensiv und furchtlos auf sein Sterben vor, wie Ralf Gührer bestätigt. Sein Dickschäde­l hielt Bertele aber nicht davon ab, diejenigen um Verzeihung zu bitten, denen er nicht Gerecht geworden war und die er mit seiner Art verletzt habe. Doch allein die Gestaltung „seiner“Kirche St. Johannes der Täufer, in der der Altar den Mittelpunk­t des Raumes darstellt mit dem darum angeordnet­en bewegliche­n Mobiliar, das seinerzeit den Bischof bei der Einweihung begeistert hatte, wird den Gründer der Kirche der Gemeinde stets in Erinnerung halten.

„Geh, wohin ich Dich sende“heißt es in Berteles Primizspru­ch, vielleicht sind die beiden, Helmut Bertele und der liebe Gott, nun beieinande­r, wobei letzterer nun vermutlich Rede und Antwort stehen muss.

„Der liebe Gott muss mich schon 50 Jahre, die Schachener und

Bodolzer 46, die Oberreitna­uer 15 und

die Aeschacher lediglich zwei Jahre ertragen. Ich sage euch:

Tröstet einander!“

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Helmut Bertele (hier bei seinem goldenen Priesterju­biläum) kam 1969 als Pfarrer nach Lindau. Er starb am 9. April im Alter von 83 Jahren.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Helmut Bertele (hier bei seinem goldenen Priesterju­biläum) kam 1969 als Pfarrer nach Lindau. Er starb am 9. April im Alter von 83 Jahren.

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