Gemeinderäte knöpfen sich Architekten vor
Im Juni soll das Martin-Grisar-Haus endlich fertig sein – Räte erheben Vorwürfe
- Nach mehreren Verzögerungen soll das Martin-Grisar-Haus im Juni fertig werden. Schon in dieser Woche hat im neuen Saal eine Gemeinderatssitzung stattgefunden. Dort versuchte das zuständige Architektenbüro, die Verschiebungen und immer neuen Kosten zu erklären. Die Gemeinderäte und Bürgermeister Johannes Aschauer kritisierten die Planer scharf, übten aber auch Selbstkritik.
Johannes Aschauer führt mit Begeisterung durch das neue MartinGrisar-Haus und hebt die vielen Details hervor. So sei beispielsweise die Akustik im Kindergarten deutlich besser als die im alten Gebäude. Aschauer schwärmt auch von den vielen Nutzungsmöglichkeiten des neuen Gemeindehauses. Im Saal werden Chorproben stattfinden, Sitzungen gehalten und Feste gefeiert.
Außerdem habe man es geschafft, neue Räume für das Gemeindearchiv im Dachboden zu schaffen. Auch die Möglichkeit, Kunstausstellungen zu veranstalten oder ein Kochprojekt zu starten begeistert Aschauer, der in weniger als zwei Monaten an seinen Nachfolger Tobias Walch übergeben wird. Die Vorfreude ist jedoch getrübt. Denn eigentlich hatte das zuständige Architekturbüro aus Ravensburg die Fertigstellung für Oktober 2020 angekündigt. Während die Kita Anfang des letzten Jahres mit Verspätung eingezogen ist, ziehen sich auch die Arbeiten am Ober- und Dachgeschoss in die Länge und werden immer teurer. Aus den geplanten Kosten von rund einer Millionen Euro werden bis zur geplanten Fertigstellung im Juni mindestens 1,5 Millionen Euro. Warum der zuletzt geplante Termin im Oktober nicht eingehalten werden konnte, versuchten die zuständigen Architekten einen Tag nach der Führung im Gemeinderat am vergangenen Donnerstag zu erklären.
Vor allem die Probleme am Dach seien schuld, sagt Architekt Dirk Püschel. Die Achberger Zimmerei, die für die Arbeiten am Dach beauftragt wurde, brannte im April 2020 ab. Der Auftrag wurde zwar neu vergeben, doch schon da sei Zeit verloren gegangen.
Die Historie des Martin-GrisarHauses begann vor rund 110 Jahren. Martin Grisar war damals Pfarrer im Achberger Ortsteil Siberatsweiler und spendete einen großen Teil seiner Erbschaft für den Bau eines Krankenhauses. Eigentlich waren die Hauptarbeiten am Gebäude bereits 1910 beendet, doch schon damals zogen sich einige Bauprobleme über mehrere Jahre. So brauchte es bis 1913, bis die Elektronik und die Wasserleitungen „Wir hatten dann außerdem eine Mehraufwendung in der Dachholzkonstruktion und den Dämmarbeiten“, fügt Püschel hinzu. Im September sei klar gewesen, dass der Fertigungstermin im Oktober nicht einzuhalten sei.
Wegen der Probleme am Dach hätten die Planer dann außerdem die Arbeiten an der Außenfassade aufschieben müssen. Laut Püschel hätten diese erst Ende November 2020 beginnen können, „da hatte es dann aber schon Temperaturen von minus vier Grad, ein Beginn war nicht möglich“. Wegen der langen Frostperiode konnten erst jetzt im April die Handwerker an der Außenfassade loslegen. Neben den Problemen am Dach, hätten außerdem die Handwerksbetriebe eine Mitschuld an der Verzögerung. Die seien teilweise ohne Grund nicht aufgetaucht.
Laut Architekt Püschel habe es dann auch noch im Innenbereich Hauses Überraschungen gegeben. Der Boden des Wintergartens war verfault – Mehraufwand. Die Tragkonstruktion des Saals musste verstärkt werden – Mehraufwand. Der Balkon im Dachgeschoss ist undicht – Mehraufwand.
„Ich wundere mich permanent“, ergreift Klaus Wirthwein als erster Gemeinderat das Wort. Erst im Nachhinein hätten die Architekten bemerkt, dass ein Klemmschutz an Türen montiert werden muss. Erst im Nachhinein bemerkt, dass es Fluchtpläne braucht. Erst im Nachhinein bemerkt, dass man die falschen Dachziegel hat. „Das ist keine gute Arbeit und die immer neuen Anträge haben mich maßlos gestört.“
Manfred Vogler, zweiter Bürgermeister, erinnert an die Vereinbarung, dass ab Juli 2020 die Gemeinde, die Architekten und Handwerker zu einem festen wöchentlichen Termin zusammenkommen sollten, um sich besser abzustimmen. „Im Herbst habe ich dann mitbekommen, dass bei den Terminen immer wieder die Architekten gefehlt haben – auch die Kommunikation mit den Handwerkern war schlecht.“Es sei doch völlig klar, dass auf so einer Baustelle unvorhergesehene Dinge passieren, schließt sich Gerold Nuber an. „Dass die Termine so eng gesetzt wurden, eingebaut waren und die ersten Kranken behandelt werden konnten. In den 1970er-Jahren wandelte sich das Krankenhaus dann in ein Altersheim. Anfangs betreuen die Schwestern vor allem Knechte aus der Landwirtschaft, die nie eine Heimat hatten und nun versorgt werden mussten. 1994 übernahm ein Pächterpaar das Martin-GrisarHaus und wandelten das Altersheim in eine modernere Pflegeeinrichtung um. hat mich am meisten gestört. Das war doch zum Scheitern verurteilt.“Die Koordination der Handwerksbetriebe habe nicht gestimmt, sagt auch Bürgermeister Aschauer.
Sie sei einfach enttäuscht, schließt sich Brigitte Hartmann an. Wegen dieser Fehler müsse sie sich als Gemeinderätin vor den Bürgern erklären. „Die Leute denken schon, dass es uns egal ist, wo das Geld hinkommt. Dabei können wir dafür ja gar nichts.“Auch Vogler beschäftigt das: „Wir sind richtig in Erklärungsnot gegenüber der Bürgerschaft. Die denken, wir haben die Kosten nicht im Griff.“
Matthias Kaeß hat kein Verständnis dafür, dass erst so spät im Projekt herauskommt, dass das Dach komplett repariert werden muss. „Am Anfang muss man doch das ganze Gebäude von oben bis unten durchchecken.“
Architekt Dirk Püschel will diese Kritik so nicht stehen lassen: „Vom Dach war anfangs gar nicht die Rede. Dass daran etwas gemacht werden soll, kam erst später.“Natürlich sei das jetzt im Nachhinein bitter, aber das Dach wurde vorher nicht kontrolliert, weil die Gemeinde ursprünglich nichts daran verändern wollte.
Das bestätigten Johannes Aschauer und sein Vize Manfred Vogler. Der Gemeinderat habe sich zu Beginn entschieden, nicht direkt ein ganz großes Projekt zu planen. Man wollte einen Schritt nach dem andern machen und das Geld gestaffelt ausgeben.
Es habe gute Gründe gegeben, vorsichtig und mit einem kleineren Budget anzufangen, sagt Aschauer, „ein bisschen Angst vor der eigenen Courage müssen wir uns eingestehen“. Ob ein allumfassender Projektplan von Beginn an schneller und billiger gewesen wäre – diese Frage blieb offen.
Bei Aschauers Führung durch das fast fertig Gebäude braucht es noch etwas Fantasie, wie das Achberger Martin-Grisar-Haus schon ab diesem Sommer mit Leben gefüllt werden soll. Der Bürgermeister geht nun außen um das Gebäude herum und zeigt auf ein paar Garagentore, die ins Untergeschoss des neuen Gemeindehauses
Die Tage des Pflegeheimes waren wiederum 2009 gezählt. Die neue Landesheimbauverordnung schrieb Einrichtungen vor, bis 2019 jedem Pflegebedürftigen ein Einzelzimmer mit Nasszelle zur Verfügung zu stellen. Im Martin-Grisar-Haus war das unvorstellbar, die Pächter gaben auf. 2016 begann dann der Prozess der Umgestaltung mit der Entscheidung, die Achberger Kita in das Untergeschoss des MartinGrisar-Hauses zu erweitern. (ehe)
führen. „Da soll mal ein Café für die Mütter der Kindergartenkinder rein“, sagt Aschauer voller Optimismus.
In seinen 24 Jahren als Bürgermeister habe er gelernt, dass Achberger vorsichtig und skeptisch seien, sagt Aschauer wohlwollend. „Wenn dann aber etwas klappt, bekommt man auch viel Zustimmung und Dankbarkeit – vielleicht wird das auch irgendwann auf das MartinGrisar-Haus zutreffen.“
Einen 360-Grad-Foto-Rundgang durch das Martin-Grisar-Haus finden Sie unter
schwaebische.de/grisarhaus