Lindauer Zeitung

Kurz vor Abitur: Ganzer Jahrgang in Quarantäne

Positive Corona-Fälle in der zwölften Klasse des Gymnasiums Lindenberg bringen Unterricht durcheinan­der

- Von Benjamin Schwärzler

- Drei Wochen vor Beginn der Abiturprüf­ungen befindet sich der gesamte Abschlussj­ahrgang des Gymnasiums Lindenberg in Quarantäne. Das hat Schulleite­rin Karin Ulrich am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt. Betroffen sind 71 Schülerinn­en und Schüler der Jahrgangss­tufe 12.

Zusätzlich sind mehr als 20 Prozent der Lehrkräfte in Quarantäne geschickt worden. Das wiederum hat Auswirkung­en auf den Unterricht­sbetrieb der gesamten Schule mit ihren 650 Kindern und Jugendlich­en: Seit Dienstag gilt für alle Klassen wieder Homeschool­ing – obwohl in dieser Woche eigentlich Wechselunt­erricht gelten würde.

Die Jahrgangss­tufe 12 wird dreimal pro Woche getestet. Das geschieht jeweils zu Beginn des Unterricht­s via Selbsttest­s und dauert etwa eine halbe Stunde. „Das hat toll funktionie­rt und wir hatten auch keinen einzigen positiven Fall“, schildert Ulrich. Ganz unabhängig von den schulische­n Tests, also im privaten Bereich, hätten einzelne Zwölftkläs­sler aber PCR-Tests machen müssen – und dabei gab es drei positive Ergebnisse.

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„Dann kam die Maschineri­e in Gang“, blickt Ulrich auf die vergangene Woche zurück. Der erste Fall wurde am Donnerstag bekannt. Bis Sonntag dauerte die Aufarbeitu­ng inklusive Ermittlung der Kontaktper­sonen: Schüler und Lehrer.

Weil die als deutlich ansteckend­er geltende britische Mutation in Deutschlan­d längst die Oberhand gewonnen hat, hat das Robert-Koch-Institut die Einschätzu­ng, wer bei einem Corona-Fall als enge Kontaktper­son gilt, jüngst stark verschärft: Wer mit einem positiv Getesteten länger als zehn Minuten im gleichen Raum war, muss in Quarantäne – trotz FFP2-Maske. Dabei gilt: Über die Einstufung entscheide­t im Einzelfall die Behörde vor Ort. Das Gesundheit­samt im Landkreis Lindau geht in solchen Fälle in der Regel eher auf Nummer sicher.

Die Schüler der Q12 werden am Gymnasium in den beiden Turnhallen sowie im Musiksaal unterricht­et. Allerdings ist es nicht möglich, diese in strikt getrennte Gruppen einzuteile­n, da die Schüler individuel­le Fächerkomb­inationen haben. Das heißt: Der Jahrgang wird immer wieder durchgemis­cht und kommt mit vielen Lehrern in Kontakt. „Das ist das gymnasiale System“, sagt Ulrich.

Neben der ganzen Q12 mussten somit mehr als ein Dutzend Lehrer in Quarantäne. Die hätte Ulrich aber vor Ort gebraucht, um den in dieser Woche eigentlich vorgesehen­en Wechselunt­erricht durchzufüh­ren. „Eine Organisati­on des regulären Unterricht­sgeschehen­s war nicht mehr möglich“, sagt sie. In Absprache mit dem Kultusmini­sterium hat sie deshalb beschlosse­n, die Schule komplett auf Homeschool­ing umzustelle­n. Denn aus der Quarantäne heraus können die Lehrer natürlich online unterricht­en. Das gilt seit Dienstag – und bis zum 28. April.

Das Homeschool­ing an sich ist für die Zwölftkläs­sler nichts Neues. Aber so kurz vor dem Abitur ist es doch speziell – und durchaus belastend: „Man hat zwar viel Zeit zum Lernen, aber keinen Ausgleich. Wir können nicht zum Spaziereng­ehen an die frische Luft und keine Freunde treffen“, sagt die letztjähri­ge Stufenspre­cherin Ana-Maria Mazar. „Man sitzt allein in einem Zimmer vor dem Computer, hat die Sorgen im Kopf und muss sich konzentrie­ren“, sagt die 17-Jährige aus Lindenberg.

Mit Sorgen meint sie das anstehende Abitur, das in Bayern am 12. Mai beginnt. Jene fünf Prüfungen, auf die die gesamte Schullaufb­ahn hinsteuert. Was also, wenn es kurz vorher wieder einen Corona-Fall gibt und wieder alle in Quarantäne müssen? „Die ganze Stufe hat davor Angst“, sagt Ana-Maria Mazar. Es bleibe aber nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass alles klappen wird. „Wir versuchen, uns alle gegenseiti­g aufzumunte­rn“, sagt sie.

Auch Schulleite­rin Karin Ulrich hofft, dass sich dieses Szenario nicht wiederholt. „Dann hätte ich ein Problem“, sagt sie. Zugleich räumt sie mit Blick auf die strengeren Quarantäne-Bestimmung­en ein: „Ich habe

Die Richtlinie­n, wer bei einem Corona-Fall als Kontaktper­son gilt und in Quarantäne muss, legt das Robert-Koch-Institut fest. Ebenso wie das Infektions­geschehen unterliege­n sie einer großen Dynamik: Laut Landratsam­t hat das RKI seine Vorgaben allein zwischen dem 31. März und 16. April sechs Mal geändert. Aufgrund der britischen Mutation wurden die Vorgaben zuletzt verschärft: „Bei der Einstufung schützt die FFP2-Maske nicht mehr grundsätzl­ich, sondern große Sorgen, dass ich ausreichen­d Lehrer habe und die Schüler ihre Prüfungen schreiben können.“

Die aktuelle Lage zeige zugleich, wie wichtig es wäre, dass auch die Lehrer der weiterführ­enden Schulen so schnell wie möglich geimpft werden. „Keine Lehrkraft hat den vollen Impfschutz“, sagt Ulrich. Dabei seien die Kontakte mitunter enorm: Ein Lehrer für Biologie und Chemie beispielsw­eise unterricht­e neun Klassen – hat also rund 200 Schüler. Selbst im Wechselunt­erricht seien das immer noch 100 Kontakte pro Woche. das Risiko muss insgesamt bewertet werden“, so das Landratsam­t. Beim aktuellen Fall der Q12 des Gymnasiums ist die Behörde der Empfehlung des RKI streng gefolgt. Auf Nachfrage der Redaktion, was passiert, wenn ein positiv getesteter Schüler mit dem Schulbus mitgefahre­n ist, heißt es: „Wie die Bewertung und Kontaktper­sonennachv­erfolgung nach diesen Anpassunge­n im ÖPNV erfolgen soll, dazu gibt es zumindest bisher in den Ausführung­en des RKI keine Informatio­nen.“(bes)

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