Kurz vor Abitur: Ganzer Jahrgang in Quarantäne
Positive Corona-Fälle in der zwölften Klasse des Gymnasiums Lindenberg bringen Unterricht durcheinander
- Drei Wochen vor Beginn der Abiturprüfungen befindet sich der gesamte Abschlussjahrgang des Gymnasiums Lindenberg in Quarantäne. Das hat Schulleiterin Karin Ulrich am Donnerstag auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt. Betroffen sind 71 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12.
Zusätzlich sind mehr als 20 Prozent der Lehrkräfte in Quarantäne geschickt worden. Das wiederum hat Auswirkungen auf den Unterrichtsbetrieb der gesamten Schule mit ihren 650 Kindern und Jugendlichen: Seit Dienstag gilt für alle Klassen wieder Homeschooling – obwohl in dieser Woche eigentlich Wechselunterricht gelten würde.
Die Jahrgangsstufe 12 wird dreimal pro Woche getestet. Das geschieht jeweils zu Beginn des Unterrichts via Selbsttests und dauert etwa eine halbe Stunde. „Das hat toll funktioniert und wir hatten auch keinen einzigen positiven Fall“, schildert Ulrich. Ganz unabhängig von den schulischen Tests, also im privaten Bereich, hätten einzelne Zwölftklässler aber PCR-Tests machen müssen – und dabei gab es drei positive Ergebnisse.
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„Dann kam die Maschinerie in Gang“, blickt Ulrich auf die vergangene Woche zurück. Der erste Fall wurde am Donnerstag bekannt. Bis Sonntag dauerte die Aufarbeitung inklusive Ermittlung der Kontaktpersonen: Schüler und Lehrer.
Weil die als deutlich ansteckender geltende britische Mutation in Deutschland längst die Oberhand gewonnen hat, hat das Robert-Koch-Institut die Einschätzung, wer bei einem Corona-Fall als enge Kontaktperson gilt, jüngst stark verschärft: Wer mit einem positiv Getesteten länger als zehn Minuten im gleichen Raum war, muss in Quarantäne – trotz FFP2-Maske. Dabei gilt: Über die Einstufung entscheidet im Einzelfall die Behörde vor Ort. Das Gesundheitsamt im Landkreis Lindau geht in solchen Fälle in der Regel eher auf Nummer sicher.
Die Schüler der Q12 werden am Gymnasium in den beiden Turnhallen sowie im Musiksaal unterrichtet. Allerdings ist es nicht möglich, diese in strikt getrennte Gruppen einzuteilen, da die Schüler individuelle Fächerkombinationen haben. Das heißt: Der Jahrgang wird immer wieder durchgemischt und kommt mit vielen Lehrern in Kontakt. „Das ist das gymnasiale System“, sagt Ulrich.
Neben der ganzen Q12 mussten somit mehr als ein Dutzend Lehrer in Quarantäne. Die hätte Ulrich aber vor Ort gebraucht, um den in dieser Woche eigentlich vorgesehenen Wechselunterricht durchzuführen. „Eine Organisation des regulären Unterrichtsgeschehens war nicht mehr möglich“, sagt sie. In Absprache mit dem Kultusministerium hat sie deshalb beschlossen, die Schule komplett auf Homeschooling umzustellen. Denn aus der Quarantäne heraus können die Lehrer natürlich online unterrichten. Das gilt seit Dienstag – und bis zum 28. April.
Das Homeschooling an sich ist für die Zwölftklässler nichts Neues. Aber so kurz vor dem Abitur ist es doch speziell – und durchaus belastend: „Man hat zwar viel Zeit zum Lernen, aber keinen Ausgleich. Wir können nicht zum Spazierengehen an die frische Luft und keine Freunde treffen“, sagt die letztjährige Stufensprecherin Ana-Maria Mazar. „Man sitzt allein in einem Zimmer vor dem Computer, hat die Sorgen im Kopf und muss sich konzentrieren“, sagt die 17-Jährige aus Lindenberg.
Mit Sorgen meint sie das anstehende Abitur, das in Bayern am 12. Mai beginnt. Jene fünf Prüfungen, auf die die gesamte Schullaufbahn hinsteuert. Was also, wenn es kurz vorher wieder einen Corona-Fall gibt und wieder alle in Quarantäne müssen? „Die ganze Stufe hat davor Angst“, sagt Ana-Maria Mazar. Es bleibe aber nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass alles klappen wird. „Wir versuchen, uns alle gegenseitig aufzumuntern“, sagt sie.
Auch Schulleiterin Karin Ulrich hofft, dass sich dieses Szenario nicht wiederholt. „Dann hätte ich ein Problem“, sagt sie. Zugleich räumt sie mit Blick auf die strengeren Quarantäne-Bestimmungen ein: „Ich habe
Die Richtlinien, wer bei einem Corona-Fall als Kontaktperson gilt und in Quarantäne muss, legt das Robert-Koch-Institut fest. Ebenso wie das Infektionsgeschehen unterliegen sie einer großen Dynamik: Laut Landratsamt hat das RKI seine Vorgaben allein zwischen dem 31. März und 16. April sechs Mal geändert. Aufgrund der britischen Mutation wurden die Vorgaben zuletzt verschärft: „Bei der Einstufung schützt die FFP2-Maske nicht mehr grundsätzlich, sondern große Sorgen, dass ich ausreichend Lehrer habe und die Schüler ihre Prüfungen schreiben können.“
Die aktuelle Lage zeige zugleich, wie wichtig es wäre, dass auch die Lehrer der weiterführenden Schulen so schnell wie möglich geimpft werden. „Keine Lehrkraft hat den vollen Impfschutz“, sagt Ulrich. Dabei seien die Kontakte mitunter enorm: Ein Lehrer für Biologie und Chemie beispielsweise unterrichte neun Klassen – hat also rund 200 Schüler. Selbst im Wechselunterricht seien das immer noch 100 Kontakte pro Woche. das Risiko muss insgesamt bewertet werden“, so das Landratsamt. Beim aktuellen Fall der Q12 des Gymnasiums ist die Behörde der Empfehlung des RKI streng gefolgt. Auf Nachfrage der Redaktion, was passiert, wenn ein positiv getesteter Schüler mit dem Schulbus mitgefahren ist, heißt es: „Wie die Bewertung und Kontaktpersonennachverfolgung nach diesen Anpassungen im ÖPNV erfolgen soll, dazu gibt es zumindest bisher in den Ausführungen des RKI keine Informationen.“(bes)