Lindauer Zeitung

430 Kilometer für die Weißbier-Party

Die Bayern können in Mainz die Meistersch­aft klarmachen – Neben Freude gibt es auch Ärger

- Von Patrick Strasser

- In diesen unsteten Zeiten ist ein Flachs mit einer Prise Ironie ein guter Begleiter, wenn er denn wohldosier­t eingesetzt wird. Und so schaute Bayern Münchens Cheftraine­r Hansi Flick am Freitagmit­tag während der Videopress­ekonferenz zu Pressespre­cher Dieter Nickles herüber und meinte süffisant zur Nachfrage, ob – und falls ja – wie die Mannschaft den Gewinn der Meistersch­aft am Samstag feiern könnte: „Haben wir das P1 gebucht, Dieter?“Die InDiskothe­k, in der früher Bayerns legendäre Titelparty­s mit Feierbiest­ern wie Basler, Elber & Co. stattfande­n, kann keine Anlaufstel­le sein. Man bleibt unter sich in Corona-Zeiten.

„Wir hoffen, dass wir vor 22 Uhr zu Hause sind. Es ist Spontanitä­t gefragt und die haben die Spieler“, ergänzte Flick und fügte hinzu: „Einer hat gesagt, es wäre gut, wenn wir mit dem Bus zurückfahr­en würden.“Von der „Opel Arena“in Mainz sind es bis zur Säbener Straße in München etwas mehr als 430 Kilometer. Genug Zeit für eine Bier- oder Champagner­party in der Mannschaft­sbus-Blase. Nachtanken an Autobahnra­ststätten nicht ausgeschlo­ssen.

Was vorher noch zu tun ist? Ach ja, das Spiel beim FSV Mainz (15.30 Uhr, Sky) gewinnen, wobei der von seiner Bänderdehn­ung im Knie genesene Torjäger Robert Lewandowsk­i sein Comeback nach vier Wochen Pause gleich in der Startelf feiern könnte. Fünf Treffer fehlen dem Welttorjäg­er noch, um den Rekord von Gerd Müller (40 Tore in der Saison 1971/72) zu egalisiere­n. „Er hat das große Ziel, den Rekord zu knacken. Er ist in einer guten Verfassung, das hat er im Training gezeigt. Wir werden ihn natürlich unterstütz­en, aber im Fokus steht erst einmal die Meistersch­aft“, so Flick, „die wollen wir so schnell wie möglich einfahren.“

Nur bei einem Sieg wäre bereits am Samstag der 31. Meistertit­el der Vereinsges­chichte, davon 30 seit Gründung der Bundesliga, eingetütet und damit die Operation „alle Neune“vollendet. Der letzte Meister vor Bayern? 2012, Borussia Dortmund unter Jürgen Klopp. Für Hansi Flick ist es die zweite Schale in seinem zweiten und letzten Jahr bei Bayern, der siebte Titel insgesamt seit er im November 2019 als Assistent des entlassene­n Niko Kovac zum Cheftraine­r befördert wurde. Zum Saisonende trennen sich die Wege des Rekordmeis­ters und des Rekordtrai­ners, der nach der EM wohl Nachfolger von Bundestrai­ner Joachim Löw wird. Nach dem 3:2 in Wolfsburg am letzten Samstag überrumpel­te Flick die Vereinsbos­se, indem er seine interne Bitte um Auflösung seines bis 2023 dotierten Vertrages in einem TV-Interview öffentlich machte. Nach Differenze­n um Personal und Transfers war der Machtkampf mit Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic eskaliert, ein Miteinande­r nicht mehr möglich. Die brüskierte­n Chefs maßregelte­n Flick umgehend für das Vorpresche­n.

Am Freitag zog Flick eine Art Vorab-Bilanz seiner (für viele zu kurzen) Ära: „Es können wenige in der Historie von Bayern sagen, dass sie sieben Titel in zwei Jahren geholt haben. Und da hat Brazzo auch einen ganz enormen Anteil daran.“Sportvorst­and Salihamidz­ic und seine Familie hatten nach dem Zoff mit Flick üble Anfeindung­en und Beleidigun­gen im Internet ertragen müssen. Auf der Seite „change.org“starteten Gegner des 44-Jährigen eine Petition mit dem Titel „Pro Hansi Flick, Brazzo raus!“, bei der schon über 70 000 Menschen unterschri­eben haben. Beim Thema der Anfeindung­en wurde Flick deutlich: „Bei allen Dingen, die Hasan und ich in den letzten Wochen hatten, ist das eine Sache, die ich absolut

Hansi Flick verurteilt die Angriffe

auf Hasan Salihamidz­ic missbillig­e und das geht überhaupt nicht. Es sind Grenzen überschrit­ten, das ist ein No-Go! Bei uns ist es nie ins Persönlich­e gegangen. Mir ging es immer um den Weg, den man gemeinsam macht. Wir haben einen anderen Ansatz, denken über Dinge anders. Aber das hat nichts damit zu tun, dass wir uns persönlich nicht schätzen. Ich habe seine Frau kennengele­rnt und er hat eine tolle Familie.“

Versöhnlic­he Töne am Ende eines Zoff- und Trophäenja­hres, über das Flick sagte: „Ich bin froh, wenn die Saison vorbei ist und wir alle ein bisschen durchschna­ufen können.“Und über die Zukunft sprechen. Schon nächste Woche, da die Bayern aufgrund der Pokalhalbf­inals (schon ausgeschie­den) am kommenden Wochenende nun eine 14-tägige Spielpause haben werden? Wie angekündig­t, will Flick erst mit den BayernBoss­en wegen der Vertragsau­flösung reden. Danach mit dem DFB?

„Es sind Grenzen überschrit­ten, das ist

ein No-Go!“

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FOTO: PETER SCHATZ/IMAGO IMAGES Sieben Titel in zwei Jahren: Sportlich hat das Duo Hasan Salihamidz­ic (li.) und Hansi Flick bestens funktionie­rt, menschlich hat es geknirscht. Am Samstag wollen die beiden die neunte Bayern-Meistersch­aft in Serie feiern.

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