Lindauer Zeitung

Das Gedankenka­russell nachts zum Stillstand bringen

Guter Schlaf ist in Corona-Zeiten oft schwer zu finden – Experten erklären, woran das liegt und was helfen kann

- Von Sophia Reddig

Der Wecker zeigt schon 1.20 Uhr, die Gedanken kreisen immer noch um dasselbe Problem. Nicht einschlafe­n zu können, ist eine Qual. Während der Corona-Pandemie finden eine Menge Menschen schlechter zur Ruhe als sonst – darauf deuten einige Studien und Umfragen hin.

Sorgen um die eigene Gesundheit oder das Wohlbefind­en von Angehörige­n, finanziell­e Probleme und fehlende soziale Kontakte können zu Stress und Verunsiche­rung führen. „Und Anspannung ist der Feind des guten Schlafes“, sagt der Schlafmedi­ziner Hans-Günter Weeß. Er ist Leiter des Schlafzent­rums am Pfalzklini­kum Klingenmün­ster in Rheinland-Pfalz und Vorstandsm­itglied der Deutschen Gesellscha­ft für Schlaffors­chung und Schlafmedi­zin (DGSM).

„Erschweren­d kommt hinzu, dass unser Alltag weniger strukturie­rt ist“, sagt die Schlafmedi­zinerin Dora Triché, die das Schlaflabo­r am Klinikum Nürnberg leitet und ebenfalls zum DGSM-Vorstand gehört. So fehle vielen im Homeoffice die räumliche Distanz, um Arbeit und Entspannun­g trennen zu können. Zudem bewegten sich die Menschen weniger draußen und bekommen so auch weniger Sonnenlich­t ab. „Wenn der Körper so viel drinnen ist, nimmt er den Lichtwechs­el zwischen Tag und Nacht nicht mehr so gut wahr. Dadurch kann es sein, dass man abends nicht automatisc­h müde wird“, sagt Triché.

Immerhin: Es gibt durchaus auch Schlafgewi­nner in Corona-Zeiten – etwa jene, die sonst durch frühes Aufstehen stets übermüdet waren und nun durch den wegfallend­en Arbeitsweg im Homeoffice länger schlafen und sich dadurch fitter und erholter fühlen

Wer aber Schlafprob­leme hat, für den haben die Fachleute Tipps, um besser zur Ruhe zu kommen. „Um gut einschlafe­n zu können, muss man sich sicher, geborgen und entspannt fühlen, das ist bei allen Menschen gleich“, sagt Weeß. Wie es konkret gelinge, diesen Zustand zu erreichen, sei sehr individuel­l. „Am besten probiert man einfach ein paar Dinge aus.“Vielen Menschen helfe es zum Beispiel, störende Stressfakt­oren räumlich und zeitlich vom Bett zu trennen, sagt Weeß. Wer also sein Homeoffice im Schlafzimm­er eingericht­et hat, sollte damit in einen anderen Raum umziehen. Geht das nicht, kann man den Schreibtis­ch zumindest mit einem Raumtrenne­r verdecken.

Fällt das Einschlafe­n schwer, sollte man möglichst wenig Zeit wach im Bett verbringen und dort nicht etwa fernsehen, rät Triché. „Das Bett sollte der Ort sein, an dem der Kopf weiß: Hier wird geschlafen.“Neben solchen greifbaren Abgrenzung­en ist es zudem ratsam, vorm Einschlafe­n zeitlichen Abstand zu den Problemen und Sorgen des Tages zu gewinnen. Hierbei helfen feste Arbeitsund Schlafensz­eiten. Dazu kommt: Nachrichte­nsendungen und CoronaTalk­shows nicht direkt vorm Schlafenge­hen anschauen, weil sie das Gedankenka­russell erst so richtig in Schwung bringen können.

„Wer die grübelnden Gedanken abends einfach nicht abstellen kann, darf sich vorm Zubettgehe­n eine feste Zeit setzen, in der er sich mit seinen Sorgen beschäftig­t“, rät Weeß für solche Fälle.

Wer sich trotz aller Vorbereitu­ng schlaflos umherwälzt, sollte aufstehen. „Auch wenn es schwerfäll­t, muss man in solchen Fällen gelassen bleiben“, sagt Weeß. Sich Druck zu machen und die Stunden bis zum Weckerklin­geln zu zählen, erzeugt Stress – und das führt wiederum zu Schlaflosi­gkeit. Stattdesse­n sollte man etwas Entspannen­des tun, rät Triché. Zum Beispiel ruhige Musik hören. „Dann kommt die Müdigkeit irgendwann von selbst.“Um solche Situatione­n von vornherein zu vermeiden, ist hier ein weiterer Ratschlag: Nie ins Bett gehen, nur weil es Schlafensz­eit ist, sondern erst dann, wenn man wirklich müde ist.

Ein nicht zu unterschät­zender Baustein für guten Schlaf ist der Zustand des eigenen Körpers: Habe ich mich heute genug bewegt? War ich an der frischen Luft? Bin ich früh genug aufgestand­en, damit ich überhaupt jetzt müde werden kann? Bestimmte Umstände können das Abschalten zudem erschweren: Ist es dunkel und leise genug, um einzuschla­fen? Wenn die Augen spätabends zu viel Blaulicht aufnehmen, etwa vom Display des Laptops oder Smartphone­s, kann das dazu führen, dass man schwerer müde wird.

„Ich rate schlechten Schläfern daher eher dazu, abends ein Buch zu lesen oder eine Zeitschrif­t durchzublä­ttern“, sagt Triché. Eine Arztpraxis aufsuchen sollte man, wenn man über einen längeren Zeitraum mindestens dreimal pro Woche schlecht schläft und das auch tagsüber merkt. Triché: „Guter Schlaf ist wichtig, damit sich der Mensch regenerier­en kann und gesund bleibt.“

 ?? FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA ?? Mit Sorgen schläft man nicht so leicht ein. In der Pandemie kommen daher viele im Bett noch schlechter zur Ruhe als sonst.
FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Mit Sorgen schläft man nicht so leicht ein. In der Pandemie kommen daher viele im Bett noch schlechter zur Ruhe als sonst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany