Das Gedankenkarussell nachts zum Stillstand bringen
Guter Schlaf ist in Corona-Zeiten oft schwer zu finden – Experten erklären, woran das liegt und was helfen kann
Der Wecker zeigt schon 1.20 Uhr, die Gedanken kreisen immer noch um dasselbe Problem. Nicht einschlafen zu können, ist eine Qual. Während der Corona-Pandemie finden eine Menge Menschen schlechter zur Ruhe als sonst – darauf deuten einige Studien und Umfragen hin.
Sorgen um die eigene Gesundheit oder das Wohlbefinden von Angehörigen, finanzielle Probleme und fehlende soziale Kontakte können zu Stress und Verunsicherung führen. „Und Anspannung ist der Feind des guten Schlafes“, sagt der Schlafmediziner Hans-Günter Weeß. Er ist Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster in Rheinland-Pfalz und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
„Erschwerend kommt hinzu, dass unser Alltag weniger strukturiert ist“, sagt die Schlafmedizinerin Dora Triché, die das Schlaflabor am Klinikum Nürnberg leitet und ebenfalls zum DGSM-Vorstand gehört. So fehle vielen im Homeoffice die räumliche Distanz, um Arbeit und Entspannung trennen zu können. Zudem bewegten sich die Menschen weniger draußen und bekommen so auch weniger Sonnenlicht ab. „Wenn der Körper so viel drinnen ist, nimmt er den Lichtwechsel zwischen Tag und Nacht nicht mehr so gut wahr. Dadurch kann es sein, dass man abends nicht automatisch müde wird“, sagt Triché.
Immerhin: Es gibt durchaus auch Schlafgewinner in Corona-Zeiten – etwa jene, die sonst durch frühes Aufstehen stets übermüdet waren und nun durch den wegfallenden Arbeitsweg im Homeoffice länger schlafen und sich dadurch fitter und erholter fühlen
Wer aber Schlafprobleme hat, für den haben die Fachleute Tipps, um besser zur Ruhe zu kommen. „Um gut einschlafen zu können, muss man sich sicher, geborgen und entspannt fühlen, das ist bei allen Menschen gleich“, sagt Weeß. Wie es konkret gelinge, diesen Zustand zu erreichen, sei sehr individuell. „Am besten probiert man einfach ein paar Dinge aus.“Vielen Menschen helfe es zum Beispiel, störende Stressfaktoren räumlich und zeitlich vom Bett zu trennen, sagt Weeß. Wer also sein Homeoffice im Schlafzimmer eingerichtet hat, sollte damit in einen anderen Raum umziehen. Geht das nicht, kann man den Schreibtisch zumindest mit einem Raumtrenner verdecken.
Fällt das Einschlafen schwer, sollte man möglichst wenig Zeit wach im Bett verbringen und dort nicht etwa fernsehen, rät Triché. „Das Bett sollte der Ort sein, an dem der Kopf weiß: Hier wird geschlafen.“Neben solchen greifbaren Abgrenzungen ist es zudem ratsam, vorm Einschlafen zeitlichen Abstand zu den Problemen und Sorgen des Tages zu gewinnen. Hierbei helfen feste Arbeitsund Schlafenszeiten. Dazu kommt: Nachrichtensendungen und CoronaTalkshows nicht direkt vorm Schlafengehen anschauen, weil sie das Gedankenkarussell erst so richtig in Schwung bringen können.
„Wer die grübelnden Gedanken abends einfach nicht abstellen kann, darf sich vorm Zubettgehen eine feste Zeit setzen, in der er sich mit seinen Sorgen beschäftigt“, rät Weeß für solche Fälle.
Wer sich trotz aller Vorbereitung schlaflos umherwälzt, sollte aufstehen. „Auch wenn es schwerfällt, muss man in solchen Fällen gelassen bleiben“, sagt Weeß. Sich Druck zu machen und die Stunden bis zum Weckerklingeln zu zählen, erzeugt Stress – und das führt wiederum zu Schlaflosigkeit. Stattdessen sollte man etwas Entspannendes tun, rät Triché. Zum Beispiel ruhige Musik hören. „Dann kommt die Müdigkeit irgendwann von selbst.“Um solche Situationen von vornherein zu vermeiden, ist hier ein weiterer Ratschlag: Nie ins Bett gehen, nur weil es Schlafenszeit ist, sondern erst dann, wenn man wirklich müde ist.
Ein nicht zu unterschätzender Baustein für guten Schlaf ist der Zustand des eigenen Körpers: Habe ich mich heute genug bewegt? War ich an der frischen Luft? Bin ich früh genug aufgestanden, damit ich überhaupt jetzt müde werden kann? Bestimmte Umstände können das Abschalten zudem erschweren: Ist es dunkel und leise genug, um einzuschlafen? Wenn die Augen spätabends zu viel Blaulicht aufnehmen, etwa vom Display des Laptops oder Smartphones, kann das dazu führen, dass man schwerer müde wird.
„Ich rate schlechten Schläfern daher eher dazu, abends ein Buch zu lesen oder eine Zeitschrift durchzublättern“, sagt Triché. Eine Arztpraxis aufsuchen sollte man, wenn man über einen längeren Zeitraum mindestens dreimal pro Woche schlecht schläft und das auch tagsüber merkt. Triché: „Guter Schlaf ist wichtig, damit sich der Mensch regenerieren kann und gesund bleibt.“