Bei der SPD soll es ein Duo richten
Endres und von Brunn führen die Landespartei künftig als Doppelspitze
(lby) - Einstellige Umfragewerte, permanenter Mitgliederschwund und ein Binnenklima, in dem sich selbst Bürgermeister um die Zahlung korrekter Mitgliedsbeiträge drücken: Der Zustand, in dem Florian von Brunn und Ronja Endres die bayerische SPD übernehmen, könnte nicht komplizierter sein. Der Landesparteitag der bayerischen Genossen am Samstag wählte erstmals ein Führungsduo, strafte damit die bisherige Parteiführung um den erfolglos kandidierenden Generalsekretär Uli Grötsch ab – und betraute ihr neues Führungspersonal mit einer Herkulesaufgabe.
Der online abgehaltene Landesparteitag hatte sich am Samstag zunächst mit äußerst knapper Mehrheit von nur vier Stimmen für eine Doppelspitze entschieden. Damit war klar: Einzelbewerber Grötsch, der mit der ausgeschiedenen Landeschefin Natascha Kohnen die vergangenen vier Jahre die Geschicke des Landesverbandes in den Händen hielt, musste seine Kandidatur vereinbarungsgemäß zurückziehen.
Zuvor hatten die rund 300 Delegierten mit einer Satzungsänderung den Weg für ein Führungsduo nach dem Vorbild der Bundes-SPD freigemacht. Zugleich stimmten sie für eine neue Organisationsstruktur, die unter anderem eine Verkleinerung des Landesvorstandes vorsieht. Statt bisher drei gibt es künftig nur noch zwei stellvertretende Landesvorsitzende, statt bisher 24 Beisitzern künftig nur noch 16. Zum neuen Generalsekretär wurde der Nürnberger Landtagsabgeordnete Arif Tasdelen gewählt – der Vorschlag des neuen Führungsduos.
Die Gewerkschafterin Endres und von Brunn, seit 2013 für die SPD im Landtag, übernehmen den Landesverband in einer der wohl schwierigsten Phasen seiner Geschichte. Der Mitgliederschwund schreitet voran, die Partei zählt inzwischen weniger als 54 000 Mitglieder und verlor mehr als 2000 in den vergangenen beiden Jahren. Die Zahl der Mitglieder über 80 Jahren ist deutlich größer als die der Mitglieder unter 35 Jahren. „Wir sind kurz davor, unseren Status auch als Mitgliederpartei zu verlieren“, mahnte der scheidende Schatzmeister Thomas Goger. Der gesellschaftliche Querschnitt werde durch die Mitgliedschaft der SPD längst nicht mehr abgebildet.
Bei den Landtagswahlen 2018 hatte die SPD mit 9,7 Prozent ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis erreicht und wurde nur noch fünftstärkste Kraft im Landtag – aktuelle Umfragen prophezeien keine Verbesserung. Bei den Kommunalwahlen 2020 gingen die Hochburg Nürnberg und Tausende Sitze in den Stadt- und Gemeinderäten verloren.
Nun kommt hinzu: Der neue Landesvorstand muss um die Gunst von fast der Hälfte der Basis buhlen, die sich bei der Wahl noch gegen das Gespann ausgesprochen hat. Die neue Spitze ist sich dessen bewusst und analysiert den Status Quo ebenso klar wie kämpferisch: „Ich stehe hier, weil ich es satt habe, vom Niedergang der SPD in den Medien zu hören“, hatte sie bei ihrer Bewerbung gesagt. „Es geht um nichts anderes als die Zukunft unserer Bayern-SPD.“
Von Brunn (52) und Endres (34) stehen auch persönlich für eine Reform. Hatte der frühere Polizist Grötsch als klassischer Sozialdemokrat bei seiner Vorstellung noch mit der Herkunft und dem Aufstieg aus einfachen Verhältnissen geworben, entschieden sich die Delegierten mit von Brunn für einen studierten Philosophen mit Oxford-Erfahrung, dessen beruflicher Hintergrund sich stark um den Politbetrieb rankt. Er war etwa für die parteinahe
Friedrich-Ebert-Stiftung, für die Bundeszentrale für politische Bildung und als Mitarbeiter für den Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel tätig.
Auch Endres ist eine Profi-Politikerin, arbeitete nach dem Studium als politische Referentin in Berlin und München. Die 34-Jährige engagiert sich ehrenamtlich beim Deutschen Gewerkschaftsbund und in der IG Bergbau, Chemie, Energie. Seit 2019 ist sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der Bayern-SPD. Beide kommen aus dem Raum München.
Von Brunn will vor allem mehr Akzente in der Umweltpolitik setzen, besonders beim Klimaschutz. „Wir werden Bayern zu einem Modell für sozialgerechten Klimaschutz machen“, sagte er. Klimapolitik und gute Arbeitsplätze sollen verbunden werden, er will eine Bildungsoffensive starten. „Wir werden Bildungsgerechtigkeit wieder ganz oben ansetzen“, betonte von Brunn. Die bisherige Politik hindere Kinder von weniger reichen Eltern am sozialen Aufstieg.
Endres erklärte nach ihrer Wahl, sie werde als erstes Gewerkschaften und Verbände wie die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt kontaktieren. Die SPD müsse ihre Sichtbarkeit in klassischen und sozialen Medien verbessern, ihre Kampagnenfähigkeit verbessern. „Wir müssen nicht nur die Feuer der Ungerechtigkeit im Hier und Jetzt austreten. Wir brauchen einen Entwurf für die Zukunft“, rief sie den Delegierten zu.