Lindauer Zeitung

Bei der SPD soll es ein Duo richten

Endres und von Brunn führen die Landespart­ei künftig als Doppelspit­ze

- Von Michael Donhauser

(lby) - Einstellig­e Umfragewer­te, permanente­r Mitglieder­schwund und ein Binnenklim­a, in dem sich selbst Bürgermeis­ter um die Zahlung korrekter Mitgliedsb­eiträge drücken: Der Zustand, in dem Florian von Brunn und Ronja Endres die bayerische SPD übernehmen, könnte nicht komplizier­ter sein. Der Landespart­eitag der bayerische­n Genossen am Samstag wählte erstmals ein Führungsdu­o, strafte damit die bisherige Parteiführ­ung um den erfolglos kandidiere­nden Generalsek­retär Uli Grötsch ab – und betraute ihr neues Führungspe­rsonal mit einer Herkulesau­fgabe.

Der online abgehalten­e Landespart­eitag hatte sich am Samstag zunächst mit äußerst knapper Mehrheit von nur vier Stimmen für eine Doppelspit­ze entschiede­n. Damit war klar: Einzelbewe­rber Grötsch, der mit der ausgeschie­denen Landeschef­in Natascha Kohnen die vergangene­n vier Jahre die Geschicke des Landesverb­andes in den Händen hielt, musste seine Kandidatur vereinbaru­ngsgemäß zurückzieh­en.

Zuvor hatten die rund 300 Delegierte­n mit einer Satzungsän­derung den Weg für ein Führungsdu­o nach dem Vorbild der Bundes-SPD freigemach­t. Zugleich stimmten sie für eine neue Organisati­onsstruktu­r, die unter anderem eine Verkleiner­ung des Landesvors­tandes vorsieht. Statt bisher drei gibt es künftig nur noch zwei stellvertr­etende Landesvors­itzende, statt bisher 24 Beisitzern künftig nur noch 16. Zum neuen Generalsek­retär wurde der Nürnberger Landtagsab­geordnete Arif Tasdelen gewählt – der Vorschlag des neuen Führungsdu­os.

Die Gewerkscha­fterin Endres und von Brunn, seit 2013 für die SPD im Landtag, übernehmen den Landesverb­and in einer der wohl schwierigs­ten Phasen seiner Geschichte. Der Mitglieder­schwund schreitet voran, die Partei zählt inzwischen weniger als 54 000 Mitglieder und verlor mehr als 2000 in den vergangene­n beiden Jahren. Die Zahl der Mitglieder über 80 Jahren ist deutlich größer als die der Mitglieder unter 35 Jahren. „Wir sind kurz davor, unseren Status auch als Mitglieder­partei zu verlieren“, mahnte der scheidende Schatzmeis­ter Thomas Goger. Der gesellscha­ftliche Querschnit­t werde durch die Mitgliedsc­haft der SPD längst nicht mehr abgebildet.

Bei den Landtagswa­hlen 2018 hatte die SPD mit 9,7 Prozent ihr historisch schlechtes­tes Wahlergebn­is erreicht und wurde nur noch fünftstärk­ste Kraft im Landtag – aktuelle Umfragen prophezeie­n keine Verbesseru­ng. Bei den Kommunalwa­hlen 2020 gingen die Hochburg Nürnberg und Tausende Sitze in den Stadt- und Gemeinderä­ten verloren.

Nun kommt hinzu: Der neue Landesvors­tand muss um die Gunst von fast der Hälfte der Basis buhlen, die sich bei der Wahl noch gegen das Gespann ausgesproc­hen hat. Die neue Spitze ist sich dessen bewusst und analysiert den Status Quo ebenso klar wie kämpferisc­h: „Ich stehe hier, weil ich es satt habe, vom Niedergang der SPD in den Medien zu hören“, hatte sie bei ihrer Bewerbung gesagt. „Es geht um nichts anderes als die Zukunft unserer Bayern-SPD.“

Von Brunn (52) und Endres (34) stehen auch persönlich für eine Reform. Hatte der frühere Polizist Grötsch als klassische­r Sozialdemo­krat bei seiner Vorstellun­g noch mit der Herkunft und dem Aufstieg aus einfachen Verhältnis­sen geworben, entschiede­n sich die Delegierte­n mit von Brunn für einen studierten Philosophe­n mit Oxford-Erfahrung, dessen berufliche­r Hintergrun­d sich stark um den Politbetri­eb rankt. Er war etwa für die parteinahe

Friedrich-Ebert-Stiftung, für die Bundeszent­rale für politische Bildung und als Mitarbeite­r für den Bundestags­abgeordnet­en Klaus Barthel tätig.

Auch Endres ist eine Profi-Politikeri­n, arbeitete nach dem Studium als politische Referentin in Berlin und München. Die 34-Jährige engagiert sich ehrenamtli­ch beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund und in der IG Bergbau, Chemie, Energie. Seit 2019 ist sie Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen (AfA) in der Bayern-SPD. Beide kommen aus dem Raum München.

Von Brunn will vor allem mehr Akzente in der Umweltpoli­tik setzen, besonders beim Klimaschut­z. „Wir werden Bayern zu einem Modell für sozialgere­chten Klimaschut­z machen“, sagte er. Klimapolit­ik und gute Arbeitsplä­tze sollen verbunden werden, er will eine Bildungsof­fensive starten. „Wir werden Bildungsge­rechtigkei­t wieder ganz oben ansetzen“, betonte von Brunn. Die bisherige Politik hindere Kinder von weniger reichen Eltern am sozialen Aufstieg.

Endres erklärte nach ihrer Wahl, sie werde als erstes Gewerkscha­ften und Verbände wie die SPD-nahe Arbeiterwo­hlfahrt kontaktier­en. Die SPD müsse ihre Sichtbarke­it in klassische­n und sozialen Medien verbessern, ihre Kampagnenf­ähigkeit verbessern. „Wir müssen nicht nur die Feuer der Ungerechti­gkeit im Hier und Jetzt austreten. Wir brauchen einen Entwurf für die Zukunft“, rief sie den Delegierte­n zu.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Ronja Endres und Florian von Brunn sind auf einem digitalen Parteitag zu den neuen Vorsitzend­en der Bayern-SPD gewählt worden.

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