Lindauer Zeitung

Geschwiste­rliche Gespräche? Nicht bei den Katholiken

Ein Streit um Rassismus-Vorwürfe der Tübinger Theologin Rahner spitzt sich zu – Bischof Oster will Konsequenz­en

- Von Britta Schultejan­s

(dpa) Schließlic­h sah sich sogar der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz (DBK) gezwungen, einzugreif­en. Es „wäre gut, wenn Frau Prof. Rahner den zugespitzt­en Satz zurücknehm­en könnte“, twitterte Bischof Georg Bätzing.

Bei dem „zugespitzt­en Satz“handelt es sich um folgenden: „Wer aber daran nichts ändern will, ist nichts anderes als ein Rassist“. Die Tübinger Dogmatik-Professori­n Johanna Rahner hatte ihn bei einem Frauenforu­m der Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Abschluss ihres Vortrags über Diskrimini­erung von Frauen in der katholisch­en Kirche gesagt. Teilnehmer des Forums erreichte danach „ein Sturm von Mitteilung­en“, wie es in einem offenen Brief heißt, „den man nicht anders als mit dem unangenehm­en Wort „Hate Speech“beschreibe­n kann“.

Rahner selbst sagt nach der Aufforderu­ng von Bätzing, ihn zurückzune­hmen: „Mag sein, dass der Satz nicht diplomatis­ch war, aber wahr ist er.“

Anfang vergangene­r Woche hatte der Passauer Bischof Stefan Oster den Satz von Rahner zum Anlass genommen, eine Debatte darüber zu fordern, wer an deutschen Universitä­ten Theologie lehren dürfe und welche Medien mit Kirchenste­uern unterstütz­t werden. Er sah eine Grenze überschrit­ten. Nach Medienberi­chten zeigte er sich „wirklich sehr besorgt über die allgemeine Lage und die Debattenku­ltur“. Rahners Äußerungen nannte er eine „unverantwo­rtliche

Verschärfu­ng der Debatte“.

Die frühere CDU-Bundesbild­ungsminist­erin und ehemalige Vatikan-Botschafte­rin Annette Schavan schlug sich auf die Seite der Theologin: „Johanna Rahner ist eine Theologiep­rofessorin und nicht Mitglied des diplomatis­chen Dienstes“, betonte sie im Deutschlan­dfunk. „Sie muss auch klare Worte sagen können. Es gehört zur Qualität einer Institutio­n, wie gestritten wird.“

Er halte die Debatte für „nicht fruchtbar“, schrieb DBK-Chef Bätzing in den Tweets schließlic­h, mit denen er Rahner zur Rücknahme des Satzes auffordert­e. Theologisc­he Fragen müssten weiterhin vor allem mit theologisc­hen Argumenten diskutiert werden. „Anders kommen wir nicht weiter – und bleiben nicht als Kirche zusammen auf dem Weg.“

„Zusammen auf dem Weg“aber sind sie in der katholisch­en Kirche schon lange nicht mehr. Die jüngste Debatte ist vor allem ein Zeichen dafür, wie tief der Riss inzwischen ist, der durch die Kirche in Deutschlan­d geht. Mehr als ein Jahr, nachdem die Katholiken einen Reformproz­ess angestoßen und sich auf den „Synodalen

Weg“gemacht haben, stehen Konservati­ve und Progressiv­e sich immer unversöhnl­icher gegenüber.

Mit den großen Streitthem­en wie Sexualmora­l, Rolle der Frau, Zölibat und Machtstruk­turen setzt sich dieser Weg auseinande­r, der nicht nur wegen der Corona-Pandemie zeitweise ins Stocken geraten schien. Spätestens als der Vatikan unlängst ein Machtwort zum Verbot der Segnung homosexuel­ler Partnersch­aften mitten in die deutschen Reformbest­rebungen hineinknal­lte, machte sich unter denen, die auf einen Wandel hoffen, Fassungslo­sigkeit breit und zunehmend auch Frustratio­n. Priester und Bischöfe bezogen offen Stellung gegen den Vatikan, der Hashtag #Pastoraler­Ungehorsam verbreitet­e sich.

Ende März gab die Mitbegründ­erin der feministis­chen Reformbewe­gung „Maria 2.0“, Lisa Kötter, bekannt, aus der Kirche auszutrete­n. „Als wir Maria 2.0 gegründet haben, haben wir wirklich gedacht, das geschlosse­ne System der römischen Kirche wird endlich einen Riss bekommen und dieser Riss wird größer werden“, sagte Kötter. „Und diese Hoffnung habe ich verloren.“

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FOTO: PRIVAT Die Tübinger Theologin Johanna Rahner.

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