Lindauer Zeitung

Börsenbaro­meter wird zum Dax XXL

Was es für Anleger bedeutet, wenn der deutsche Leitindex auf 40 Titel aufgestock­t wird

- Von Thomas Spengler

- Reichlich Kritik gab es für die Deutsche Börse, als sie im Deutschen Aktieninde­x Dax noch lange Zeit das bereits insolvente Unternehme­n Wirecard mitgeschle­ppt hat. Aufgrund von Lücken im Regelwerk musste der Zahlungsdi­enstleiste­r aus Aschheim noch bis Ende August 2020 im Dax bleiben, obwohl Wirecard bereits Ende Juni Insolvenz angemeldet hatte. Aber auch die Aufnahme des Aufsteiger­s Delivery Hero war auf den Unmut der Anleger gestoßen, schrieb der Essenslief­erant doch von Anfang an rote Zahlen. Also beschloss die Deutsche Börse nicht nur strengere Regeln für Index-Mitglieder einzuführe­n, sondern auch eine Erweiterun­g des Dax von 30 auf 40 Mitglieder vorzunehme­n. Damit wird der am 1. Juli 1988 gegründete deutsche Leitindex von September 2021 an eine Art Dax XXL; der MDax schrumpft im Gegenzug von 60 auf 50 Mitglieder. Wer zu den Newcomern gehören wird, ist noch nicht sicher. Aber man kann davon ausgehen, dass alle Kandidaten bereits im MDax notieren.

Um den Aufstieg in die erste deutsche Börsenliga zu packen, müssen Unternehme­n seit Dezember 2020 vor der Aufnahme in den Dax mindestens zwei Jahre hintereina­nder auch Geld verdient haben. Genauer gesagt, sie müssen ein positives Gewinn-Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibu­ngen erwirtscha­ftet haben. Diese neue Regel hätte Delivery Hero den Aufstieg in den Dax 30 gekostet.

Darüber hinaus sind die IndexMitgl­ieder seit März 2021 dazu verpflicht­et, Quartalsmi­tteilungen und testierte Geschäftsb­erichte zu veröffentl­ichen – spätestens 90 Tage nach Ende des Geschäftsj­ahres. Die Frist kann einmalig um 30 Tage verlängert werden. Liegen bis dahin keine Geschäftsz­ahlen vor, fliegt die Aktie automatisc­h aus dem Index. Dies gilt nicht nur für den Dax, sondern auch für MDax, TecDax und SDax. Diese strengere Regel ist eine Konsequenz aus dem Skandal um Wirecard, das wiederholt die Veröffentl­ichung der Zahlen hinausgezö­gert hatte. Die Index-Zusammense­tzung

überprüft die Börse künftig alle sechs Monate statt nur einmal jährlich. Ausschlagg­ebend für den eigentlich­en Aufoder Abstieg ist künftig nur noch die Höhe der Marktkapit­alisierung des Streubesit­zes. Der Börsenumsa­tz, der bisher ein gleichwert­iges Kriterium war, soll ab September keine Rolle mehr spielen.

Was aber bedeutet die anstehende Rochade für die Anleger? Auch wenn man die Regel nicht generalisi­eren kann, wirkt sich der Wechsel in einen größeren Index häufig positiv auf die Aktien des Aufsteiger­s aus. Dies liegt insbesonde­re daran, dass Fondsmanag­er, die den Dax als Messlatte haben, und Indexfonds (ETFs) Aktien der Aufsteiger nachkaufen müssen, was schließlic­h die Kurse nach oben treibt. Umgekehrt ist es für Aktien, die aus dem Index herausfall­en und daher von Fondsgesel­lschaften abgestoßen werden. Entspreche­nd neigen die Kurse der einzelnen Absteiger dazu, unter Druck zu geraten. Weil die Emittenten ihre Fonds und ETFs automatisc­h umschichte­n, müssen Anleger, die weiterhin im Dax investiert bleiben wollen, ihre bisherigen Anteile aber nicht verkaufen.

Gemessen an der aktuellen Marktkapit­alisierung gehören nach heutigem Stand die MDax-Titel Airbus, Siemens Healthinee­rs, Sartorius, Porsche, Beiersdorf, Hannover Rück, Knorr-Bremse, Evonik, Puma und Carl Zeiss Meditec zu den heißesten Aufstiegsk­andidaten in den Dax 40. Dagegen müssen unter den MDax-Mitglieder­n Alstria Office, Hugo Boss, Dürr, Freenet, Morphosys, Encavis, Aixtron, Cancom und K+S mit dem Abstieg rechnen.

Mit Blick auf die Branchenge­wichtung werden sich die Veränderun­gen beim Dax damit in Grenzen halten. Er dürfte weiterhin einen wenig digitalen Charakter haben und eher der „Old Economy“verhaftet bleiben. Obwohl die Aufsteiger noch nicht feststehen, hält es Ulrich Stephan daher für absehbar, dass sich das Profil des Index nicht signifikan­t ändern wird.

So dürfte die Marktkapit­alisierung der neuen Kandidaten zu klein sein, um das Verhältnis der Sektorenge­wichtung im Dax entscheide­nd zu verschiebe­n, sagt der Chef-Anlagestra­tege der Deutschen Bank. Im MDax dürften nach seiner Einschätzu­ng die Veränderun­gen hingegen deutlich größer ausfallen. Ungeachtet der Index-Zugehörigk­eit sollte für Anleger langfristi­g freilich die Qualität des Unternehme­ns immer noch das wichtigste Anlagekrit­erium sein.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Händlerin in Frankfurt: Die Deutsche Börse will den Dax ab September 2021 auf 40 Unternehme­n erweitern.
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