Börsenbarometer wird zum Dax XXL
Was es für Anleger bedeutet, wenn der deutsche Leitindex auf 40 Titel aufgestockt wird
- Reichlich Kritik gab es für die Deutsche Börse, als sie im Deutschen Aktienindex Dax noch lange Zeit das bereits insolvente Unternehmen Wirecard mitgeschleppt hat. Aufgrund von Lücken im Regelwerk musste der Zahlungsdienstleister aus Aschheim noch bis Ende August 2020 im Dax bleiben, obwohl Wirecard bereits Ende Juni Insolvenz angemeldet hatte. Aber auch die Aufnahme des Aufsteigers Delivery Hero war auf den Unmut der Anleger gestoßen, schrieb der Essenslieferant doch von Anfang an rote Zahlen. Also beschloss die Deutsche Börse nicht nur strengere Regeln für Index-Mitglieder einzuführen, sondern auch eine Erweiterung des Dax von 30 auf 40 Mitglieder vorzunehmen. Damit wird der am 1. Juli 1988 gegründete deutsche Leitindex von September 2021 an eine Art Dax XXL; der MDax schrumpft im Gegenzug von 60 auf 50 Mitglieder. Wer zu den Newcomern gehören wird, ist noch nicht sicher. Aber man kann davon ausgehen, dass alle Kandidaten bereits im MDax notieren.
Um den Aufstieg in die erste deutsche Börsenliga zu packen, müssen Unternehmen seit Dezember 2020 vor der Aufnahme in den Dax mindestens zwei Jahre hintereinander auch Geld verdient haben. Genauer gesagt, sie müssen ein positives Gewinn-Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen erwirtschaftet haben. Diese neue Regel hätte Delivery Hero den Aufstieg in den Dax 30 gekostet.
Darüber hinaus sind die IndexMitglieder seit März 2021 dazu verpflichtet, Quartalsmitteilungen und testierte Geschäftsberichte zu veröffentlichen – spätestens 90 Tage nach Ende des Geschäftsjahres. Die Frist kann einmalig um 30 Tage verlängert werden. Liegen bis dahin keine Geschäftszahlen vor, fliegt die Aktie automatisch aus dem Index. Dies gilt nicht nur für den Dax, sondern auch für MDax, TecDax und SDax. Diese strengere Regel ist eine Konsequenz aus dem Skandal um Wirecard, das wiederholt die Veröffentlichung der Zahlen hinausgezögert hatte. Die Index-Zusammensetzung
überprüft die Börse künftig alle sechs Monate statt nur einmal jährlich. Ausschlaggebend für den eigentlichen Aufoder Abstieg ist künftig nur noch die Höhe der Marktkapitalisierung des Streubesitzes. Der Börsenumsatz, der bisher ein gleichwertiges Kriterium war, soll ab September keine Rolle mehr spielen.
Was aber bedeutet die anstehende Rochade für die Anleger? Auch wenn man die Regel nicht generalisieren kann, wirkt sich der Wechsel in einen größeren Index häufig positiv auf die Aktien des Aufsteigers aus. Dies liegt insbesondere daran, dass Fondsmanager, die den Dax als Messlatte haben, und Indexfonds (ETFs) Aktien der Aufsteiger nachkaufen müssen, was schließlich die Kurse nach oben treibt. Umgekehrt ist es für Aktien, die aus dem Index herausfallen und daher von Fondsgesellschaften abgestoßen werden. Entsprechend neigen die Kurse der einzelnen Absteiger dazu, unter Druck zu geraten. Weil die Emittenten ihre Fonds und ETFs automatisch umschichten, müssen Anleger, die weiterhin im Dax investiert bleiben wollen, ihre bisherigen Anteile aber nicht verkaufen.
Gemessen an der aktuellen Marktkapitalisierung gehören nach heutigem Stand die MDax-Titel Airbus, Siemens Healthineers, Sartorius, Porsche, Beiersdorf, Hannover Rück, Knorr-Bremse, Evonik, Puma und Carl Zeiss Meditec zu den heißesten Aufstiegskandidaten in den Dax 40. Dagegen müssen unter den MDax-Mitgliedern Alstria Office, Hugo Boss, Dürr, Freenet, Morphosys, Encavis, Aixtron, Cancom und K+S mit dem Abstieg rechnen.
Mit Blick auf die Branchengewichtung werden sich die Veränderungen beim Dax damit in Grenzen halten. Er dürfte weiterhin einen wenig digitalen Charakter haben und eher der „Old Economy“verhaftet bleiben. Obwohl die Aufsteiger noch nicht feststehen, hält es Ulrich Stephan daher für absehbar, dass sich das Profil des Index nicht signifikant ändern wird.
So dürfte die Marktkapitalisierung der neuen Kandidaten zu klein sein, um das Verhältnis der Sektorengewichtung im Dax entscheidend zu verschieben, sagt der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. Im MDax dürften nach seiner Einschätzung die Veränderungen hingegen deutlich größer ausfallen. Ungeachtet der Index-Zugehörigkeit sollte für Anleger langfristig freilich die Qualität des Unternehmens immer noch das wichtigste Anlagekriterium sein.