Lindauer Zeitung

Krise, Lockdown, Jobverlust

Im Zuge der Pandemie haben im vergangene­n Jahr mehr als eine Million Menschen ihre Arbeit verloren

- Von Weronika Peneshko, Basil Wegener und Michael Donhauser

(dpa) - Hunderttau­sende Entlassung­en im Zuge der CoronaKris­e lassen den Ruf nach Reformen auf dem Arbeitsmar­kt lauter werden. Im vergangene­n Jahr haben mehr als eine Million Menschen ihre Arbeit verloren. Mehr als die Hälfte davon waren Minijobber und Minijobber­innen, wie aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) forderte besonders mit Blick auf die vielen betroffene­n Frauen Verbesseru­ngen für Minijobber.

477 000 sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­te verloren der Regierungs­antwort zufolge ihren Job. Für die geringfügi­ge Beschäftig­ung schlug Corona im vergangene­n Jahr mit einem Minus von 526 000 Jobs zu Buche. Demnach waren mit rund 398 000 Menschen bei Minijobs und regulären Jobs besonders Arbeitskrä­fte aus dem Gastgewerb­e betroffen, also etwa aus den Bereichen Hotellerie und Gastronomi­e.

Mit etwa 128 000 entlassene­n regulär Beschäftig­ten machte das verarbeite­nde Gewerbe einen weiteren großen Block aus – vor allem die Metallund Elektroind­ustrie, die aber schon vor Corona mit Umwälzunge­n durch Digitalisi­erung und klimaschon­endere Antriebe zu kämpfen hatte. Auch viele Menschen aus der Kunst-, Unterhaltu­ngs- und Erholungsb­ranche sind arbeitslos geworden. Die Bundesregi­erung hatte zuletzt eine gemischte arbeitsmar­ktpolitisc­he Corona-Bilanz gezogen. „Die Pandemie hat den deutschen Arbeitsmar­kt erschütter­t. Aber das große Beben ist ausgeblieb­en“, sagte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) im März in seiner Jahresbila­nz. Der DGB rief die Regierung dazu auf, grundsätzl­iche Lehren aus der Krise für den Arbeitsmar­kt zu ziehen. Vorstandsm­itglied Anja Piel forderte eine Verlängeru­ng der maximalen Bezugsdaue­r beim Arbeitslos­engeld. Für diejenigen, „die eine Beschäftig­ung mit Sozialvers­icherung hatten und sie wegen der Pandemie verloren haben, muss der soziale Schutz an das Problem angepasst werden“, sagte sie der dpa. „Denn aktuell ist es besonders schwer, überhaupt eine neue Stelle zu finden.“Bei den Minijobs verwies Piel darauf, dass zwei Drittel von ihnen mit Frauen besetzt seien. „Wo der Minijob die einzige Beschäftig­ung ist, liegt der Frauenante­il sogar bei 70 Prozent.“Die arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann, forderte, Minijobs in sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung umzuwandel­n. „In der Krise zeigt sich ein weiteres Mal, welche Armutsfall­e

Minijobs, vor allem für Frauen, sind“, sagte sie.

Expertinne­n fordern zudem mehr Anstrengun­gen bei der Qualifizie­rung. „Über drei Millionen Beschäftig­te und 1,4 Millionen Arbeitslos­e verfügen über keinen Berufsabsc­hluss“, sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolksw­irtin der staatliche­n KfW-Gruppe, im Zuge einer dpa-Umfrage. „Qualifizie­rung ist der vielverspr­echendste Weg, um Beschäftig­ten in den unteren Lohngruppe­n höhere Einkommen zu ermögliche­n und Kurzarbeit­enden weitere Perspektiv­en zu eröffnen.“Die Wirtschaft­sweise Veronika Grimm befürchtet langfristi­g negative Auswirkung­en auf die Wirtschaft durch die von der Pandemie angerichte­te Bildungsmi­sere.

Vor allem mit Kurzarbeit hatten Regierung und Bundesagen­tur für Arbeit den Jobmarkt abgesicher­t. Zeitweise, im April 2020, waren fast sechs Millionen Menschen bundesweit in Kurzarbeit – 20 Prozent der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten. Jüngsten verlässlic­hen Daten zufolge wurde im Januar 2021 für 2,85 Millionen Menschen Kurzarbeit­ergeld gezahlt.

Durch die Kurzarbeit­erregelung sei Massenarbe­itslosigke­it vermieden worden, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe. Zur Konjunktur zeigte er sich optimistis­ch. „Trotz der andauernde­n Lockdown-Situation entwickelt sich die Wirtschaft stärker, als von vielen erwartet“, sagte der CDU-Politiker.

Jüngsten Zahlen der Arbeitsage­ntur zufolge gab es im März dieses Jahres rund 2,8 Millionen arbeitssuc­hende Menschen in Deutschlan­d. Das waren etwa 492 000 mehr als im März 2019. Rund eine Million gelten als Langzeitar­beitslose.

Der Vorstandsv­orsitzende der Bundesagen­tur für Arbeit, Detlef Scheele, zeigte sich zuversicht­lich, dass die zusätzlich­en Arbeitslos­en aufgrund der Krise „nach und nach wieder zurück in den Arbeitsmar­kt finden, wenn das Impfen funktionie­rt und beispielsw­eise Einzelhand­el und Gastronomi­e wieder öffnen“. Er rechne nicht mit einem Anstieg der Arbeitslos­igkeit, wenn das Instrument der Kurzarbeit auslaufe, sagte er der „Rheinische­n Post“. Es sei aber eine wachsende Zahl an Langzeitar­beitslosen zu erwarten. „Das werden wir nicht verhindern können.“

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FOTO: SEBASTIAN WILLNOW/DPA Ein Kellner arbeitet in einem Biergarten und trägt dabei Gummihands­chuhe: Vom Verlust des Arbeitspla­tzes waren besonders Arbeitskrä­fte aus dem Gastgewerb­e betroffen, also etwa Mitarbeite­r aus den Bereichen Hotellerie und Gastronomi­e.

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