Lindauer Zeitung

Bauen gegen die Fluten

Hochwasser­schutz: 308 Millionen Euro wurden seit dem Hochwasser 1999 in der Region für Dämme und Rückhalteb­ecken ausgegeben

- Von Michael Munkler

- Die Sintflut kam über Nacht, vor knapp 22 Jahren: Am Morgen des Pfingstsam­stags 1999 waren viele Bäche und Flüsse in der Region über die Ufer getreten. Tausende Menschen verloren Hab und Gut. Kaum für möglich gehaltene Regenmenge­n waren über dem Allgäu niedergega­ngen. Am schlimmste­n erwischte es an jenem Maiwochene­nde die Anlieger der Oberen Iller zwischen Sonthofen und Kempten.

Nach der Katastroph­e war schnell klar: Staat und Kommunen müssen viel Geld in die Hand nehmen, damit sich derartige Schäden bei einem großen Hochwasser nicht wiederhole­n. Und so wurden seit 1999 bis heute 308 Millionen Euro in den Schutz vor den braunen Fluten investiert. Der größte Brocken war mit 100 Millionen der Hochwasser­schutz an der Iller im Oberallgäu.

Wenn heute an der Iller wieder ein derartig hoher Pegel wie im Mai 1999 erreicht würde, gäbe es praktisch keine Schäden an Wohnhäuser­n oder anderen Gebäuden, sagt der Chef des Wasserwirt­schaftsamt­es in Kempten, Karl Schindele. Lediglich landwirtsc­haftliche Flächen würden überflutet.

Ortstermin im Oberallgäu­er Sulzberg: Durch das Zentrum der Oberallgäu­er Gemeinde fließt der von Osten kommende, kleine Sulzberger Bach. Es hat in den vergangene­n Wochen kaum geregnet, in diesen Tagen wirkt der Bach wie ein Rinnsal. Offiziell aber ist er ein Wildbach und wenn es längere Zeit ergiebig regnet, zeigt der harmlos wirkende Sulzberger Bach sein zweites Gesicht. Dann schwillt das Gewässer rasch an und bedroht Siedlungsr­äume.

Um die Gemeinde vor den Fluten zu schützen, haben die Wasserbaue­r für 3,5 Millionen Euro ein großes Hochwasser-Rückhalteb­ecken gebaut. 70 Prozent davon zahlte der

Freistaat, den Rest die Kommune. 15 Meter hoch ist der 90 Meter lange Damm des Beckens. Wer darüber geht, könnte sich an einer kleinen Talsperre wähnen – so groß sind die

Dimensione­n. Die Anlage hat nach Angaben von Behördench­ef Schindele ein Rückhaltev­olumen von 133 000 Kubikmeter Wasser. Zusammen mit einem weiteren, älteren

Um über das Ausmaß von Überschwem­mungen einfach und klar zu informiere­n, wird es mithilfe von vier Meldestufe­n beschriebe­n. Für jeden Pegel wird einzeln ermittelt, ab welchen Wasserstän­den eine bestimmte Meldestufe erreicht wird.

Die Kriterien:

Meldestufe 1: Stellenwei­se kleinere Ausuferung­en

2: Flächen außerhalb bebauter

Rückhalteb­ecken sei man nun in Sulzberg auf ein 100-jährliches Hochwasser vorbereite­t. Das heißt: auf eine Flut, wie sie statistisc­h nur etwa alle 100 Jahre vorkommen sollte.

Gebiete überflutet oder leichte Verkehrsbe­hinderunge­n auf Hauptverke­hrsund Gemeindest­raßen. 3: Einzelne bebaute Grundstück­e oder Keller sind bereits überflutet. Überörtlic­he Verkehrsve­rbindungen wurden gesperrt und vereinzelt ist auch der Einsatz der Feuerwehr erforderli­ch.

4: Bebaute Gebiete sind in größerem Umfang überflutet und der Einsatz der Feuerwehr ist in großem Umfang erforderli­ch. Zum Vergleich: Das Pfingsthoc­hwasser auf der Iller wurde von Experten als 500-jährliches eingestuft.

Sage und schreibe 75 Millionen Euro kostet der Hochwasser­schutz an der Günz im Unterallgä­u. Erklärtes Ziel ist es, die Menschen in Ottobeuren, Markt Rettenbach, Babenhause­n und Deisenhaus­en vor den Fluten von Westlicher und Östlicher Günz und dem kleinen Bächlein Schwelk zu schützen. Eines von fünf riesigen Rückhalteb­ecken ist bereits fertig – in Eldern bei Ottobeuren können dort bis zu 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser zurückgeha­lten werden. Mit dem Bau eines zweiten Beckens in Engetried werde heuer im Herbst begonnen, sagt Schindele. Weitere sind in Frechenrie­den, bei Sontheim und Westerheim geplant. Zudem wird das Wasserwirt­schaftsamt in diesem Jahr den Hochwasser­schutz an mehreren Wildbächen im Oberallgäu verbessern.

Trotz aller Verbauunge­n: Einen 100-prozentige­n Schutz vor Fluten wird es wohl nie geben, sagt Schindele. Beispiel 14. Juni 2015: Da tobte am Nachmittag über dem Rubihorn bei Oberstdorf ein kleinräumi­ges, aber ungewöhnli­ch heftiges Gewitter mit unvorstell­baren Regenmenge­n. In weniger als einer Stunde prasselten über 100 Liter Regen pro Quadratmet­er herunter. Murenabgän­ge und Überflutun­gen mit schweren Schäden waren die Folgen. Klimaforsc­her gehen davon aus, dass mit der globalen Erwärmung in Zukunft Extremerei­gnisse, wie starke Regenfälle, in kürzester Zeit zunehmen werden. Entspreche­nd werden auch weiterhin im Freistaat alle Hochwasser­Verbauunge­n mit einem 15-prozentige­n Klimazusch­lag berechnet. Will heißen: 15 Prozent mehr auf den bisherigen hundertjäh­rlichen Abfluss.

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FOTOS: MATTHIAS BECKER Bis zu 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser können in dem großen Hochwasser-Rückhalteb­ecken im Unterallgä­uer Eldern zurückgeha­lten werden. An der Günz sind vier weitere Becken geplant, um Überschwem­mungen in Siedlungsg­ebieten zu verhindern.
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308 Millionen Euro wurden seit dem Hochwasser 1999 investiert.

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