Bauen gegen die Fluten
Hochwasserschutz: 308 Millionen Euro wurden seit dem Hochwasser 1999 in der Region für Dämme und Rückhaltebecken ausgegeben
- Die Sintflut kam über Nacht, vor knapp 22 Jahren: Am Morgen des Pfingstsamstags 1999 waren viele Bäche und Flüsse in der Region über die Ufer getreten. Tausende Menschen verloren Hab und Gut. Kaum für möglich gehaltene Regenmengen waren über dem Allgäu niedergegangen. Am schlimmsten erwischte es an jenem Maiwochenende die Anlieger der Oberen Iller zwischen Sonthofen und Kempten.
Nach der Katastrophe war schnell klar: Staat und Kommunen müssen viel Geld in die Hand nehmen, damit sich derartige Schäden bei einem großen Hochwasser nicht wiederholen. Und so wurden seit 1999 bis heute 308 Millionen Euro in den Schutz vor den braunen Fluten investiert. Der größte Brocken war mit 100 Millionen der Hochwasserschutz an der Iller im Oberallgäu.
Wenn heute an der Iller wieder ein derartig hoher Pegel wie im Mai 1999 erreicht würde, gäbe es praktisch keine Schäden an Wohnhäusern oder anderen Gebäuden, sagt der Chef des Wasserwirtschaftsamtes in Kempten, Karl Schindele. Lediglich landwirtschaftliche Flächen würden überflutet.
Ortstermin im Oberallgäuer Sulzberg: Durch das Zentrum der Oberallgäuer Gemeinde fließt der von Osten kommende, kleine Sulzberger Bach. Es hat in den vergangenen Wochen kaum geregnet, in diesen Tagen wirkt der Bach wie ein Rinnsal. Offiziell aber ist er ein Wildbach und wenn es längere Zeit ergiebig regnet, zeigt der harmlos wirkende Sulzberger Bach sein zweites Gesicht. Dann schwillt das Gewässer rasch an und bedroht Siedlungsräume.
Um die Gemeinde vor den Fluten zu schützen, haben die Wasserbauer für 3,5 Millionen Euro ein großes Hochwasser-Rückhaltebecken gebaut. 70 Prozent davon zahlte der
Freistaat, den Rest die Kommune. 15 Meter hoch ist der 90 Meter lange Damm des Beckens. Wer darüber geht, könnte sich an einer kleinen Talsperre wähnen – so groß sind die
Dimensionen. Die Anlage hat nach Angaben von Behördenchef Schindele ein Rückhaltevolumen von 133 000 Kubikmeter Wasser. Zusammen mit einem weiteren, älteren
Um über das Ausmaß von Überschwemmungen einfach und klar zu informieren, wird es mithilfe von vier Meldestufen beschrieben. Für jeden Pegel wird einzeln ermittelt, ab welchen Wasserständen eine bestimmte Meldestufe erreicht wird.
Die Kriterien:
Meldestufe 1: Stellenweise kleinere Ausuferungen
2: Flächen außerhalb bebauter
Rückhaltebecken sei man nun in Sulzberg auf ein 100-jährliches Hochwasser vorbereitet. Das heißt: auf eine Flut, wie sie statistisch nur etwa alle 100 Jahre vorkommen sollte.
Gebiete überflutet oder leichte Verkehrsbehinderungen auf Hauptverkehrsund Gemeindestraßen. 3: Einzelne bebaute Grundstücke oder Keller sind bereits überflutet. Überörtliche Verkehrsverbindungen wurden gesperrt und vereinzelt ist auch der Einsatz der Feuerwehr erforderlich.
4: Bebaute Gebiete sind in größerem Umfang überflutet und der Einsatz der Feuerwehr ist in großem Umfang erforderlich. Zum Vergleich: Das Pfingsthochwasser auf der Iller wurde von Experten als 500-jährliches eingestuft.
Sage und schreibe 75 Millionen Euro kostet der Hochwasserschutz an der Günz im Unterallgäu. Erklärtes Ziel ist es, die Menschen in Ottobeuren, Markt Rettenbach, Babenhausen und Deisenhausen vor den Fluten von Westlicher und Östlicher Günz und dem kleinen Bächlein Schwelk zu schützen. Eines von fünf riesigen Rückhaltebecken ist bereits fertig – in Eldern bei Ottobeuren können dort bis zu 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden. Mit dem Bau eines zweiten Beckens in Engetried werde heuer im Herbst begonnen, sagt Schindele. Weitere sind in Frechenrieden, bei Sontheim und Westerheim geplant. Zudem wird das Wasserwirtschaftsamt in diesem Jahr den Hochwasserschutz an mehreren Wildbächen im Oberallgäu verbessern.
Trotz aller Verbauungen: Einen 100-prozentigen Schutz vor Fluten wird es wohl nie geben, sagt Schindele. Beispiel 14. Juni 2015: Da tobte am Nachmittag über dem Rubihorn bei Oberstdorf ein kleinräumiges, aber ungewöhnlich heftiges Gewitter mit unvorstellbaren Regenmengen. In weniger als einer Stunde prasselten über 100 Liter Regen pro Quadratmeter herunter. Murenabgänge und Überflutungen mit schweren Schäden waren die Folgen. Klimaforscher gehen davon aus, dass mit der globalen Erwärmung in Zukunft Extremereignisse, wie starke Regenfälle, in kürzester Zeit zunehmen werden. Entsprechend werden auch weiterhin im Freistaat alle HochwasserVerbauungen mit einem 15-prozentigen Klimazuschlag berechnet. Will heißen: 15 Prozent mehr auf den bisherigen hundertjährlichen Abfluss.